Fremde Bilder - Stiftung Bildung und Entwicklung
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Afrikaner im Kanton Luzern: Einführungstext<br />
Afrikaner im Kanton Luzern<br />
Interkulturelle Begegnungen von Schweizerinnen<br />
<strong>und</strong> Schweizern mit Menschen<br />
aus Afrika waren noch bis in die 1970er<br />
Jahre äusserst selten. Die Schweiz hatte<br />
keine Kolonien <strong>und</strong> war nie aktiv am Sklavenhandel<br />
beteiligt. 17 Folglich kamen Menschen<br />
aus Afrika nur selten ins Land.<br />
Trotzdem existierten diverse, teils rassistisch<br />
instrumentalisierte <strong>Bilder</strong> <strong>und</strong> Vorstellungen<br />
von dunkelhäutigen Menschen. Es<br />
waren u. a. Völkerschauen, missionarische<br />
Pamphlete, Abenteuerromane, Rassentheorien<br />
<strong>und</strong> Reiseberichte, welche konstruierte<br />
<strong>Bilder</strong> aus europäischen Kolonialmächten<br />
in die Schweiz transportierten. Gerade<br />
dadurch, dass die persönlichen <strong>und</strong> zwischenmenschlichen<br />
Bekanntschaften fehlten<br />
<strong>und</strong> sich die Schweizerinnen <strong>und</strong> Schweizer<br />
keine eigenen Urteile bildeten, wurden<br />
diese Afrikabilder ständig reproduziert <strong>und</strong><br />
verbreiteten sich unreflektiert weiter. Einige<br />
wirken bis heute nach <strong>und</strong> prägen nach<br />
wie vor eine stereotype Sichtweise auf Afrika<br />
<strong>und</strong> seine Menschen.<br />
Ein 1979 erschienener Beitrag in der „Geographica<br />
Helvetica“ versuchte aufzuzeigen,<br />
wie <strong>und</strong>ifferenziert aussereuropäische<br />
Kulturen in schweizerischen Medien <strong>und</strong><br />
Schulbüchern thematisiert wurden. Jugendliche<br />
hätten damals beim Stichwort Afrika<br />
stets Begriffe wie dunkler Kontinent, riesige<br />
Urwälder, primitive Eingeborene, nackte Neger,<br />
17 Es gab jedoch immer wieder Schweizer, die sich<br />
am Sklavenhandel beteiligten. Ein Beispiel dafür ist<br />
der Appenzeller Johannes Tobler (1696-1779), der<br />
sich mit anderen Schweizern 1736 in Südkarolina<br />
als Plantagebesitzer <strong>und</strong> Sklavenhalter niedergelassen<br />
hatte. Dazu: Schelbert: Die fünfte Schweiz<br />
im „Schweizer-Boten“ 1804-1830, S. 103. Schon im<br />
17. Jhd. standen Schweizer in holländischen Diensten<br />
in den ost- <strong>und</strong> westindischen Kolonien. Dazu:<br />
Röthlin: Koloniale Erfahrungen im letzten Dritten<br />
des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts, S. 131. Ferner: David et al.:<br />
Schwarze Geschäfte.<br />
Safari oder seltsame Riten <strong>und</strong> Tänze assoziiert.<br />
18 Die Autorin des Beitrags macht vor<br />
allem die damaligen schweizerischen Lehrmittel<br />
für die <strong>Bildung</strong> dieser Stereotypen<br />
verantwortlich. Um ihre These zu untermauern,<br />
zitiert sie folgende Passage: „Der<br />
Trieb zur Arbeit, wie wir ihn kennen, ist<br />
beim Afrikaner ursprünglich nicht gross.<br />
Erst die Europäer haben wirtschaftliche<br />
Arbeitsmethoden <strong>und</strong> Maschinen eingeführt<br />
<strong>und</strong> Pflanzungen angelegt.“ 19 Diese<br />
eurozentrische Sichtweise, welche die Europäer<br />
als Kulturbringer <strong>und</strong> grosse Zivilisatoren<br />
feierte, kommt auch in einem weiteren<br />
Zitat zum Ausdruck: „Sie (die Araber)<br />
haben den Afrikanern den Islam aufgezwungen<br />
<strong>und</strong> sie jahrh<strong>und</strong>ertelang durch<br />
ihre grausamen Sklavenjagden heimgesucht.<br />
(...). Erst die Europäer haben in den<br />
letzten Jahrzehnten einen durchgreifenden<br />
Umschwung eingeleitet. Sie haben den<br />
Sklavenhandel, der ganze Landstriche entvölkert<br />
hatte, lahmgelegt <strong>und</strong> für Ruhe<br />
<strong>und</strong> Ordnung gesorgt.“ 20 Aussagen wie<br />
diese muten vor dem Hintergr<strong>und</strong> des<br />
transatlantischen Sklavenhandels <strong>und</strong> der<br />
europäischen Kolonialisierung Afrikas, welche<br />
Millionen von afrikanischen Menschenleben<br />
forderten, unverständlich zynisch<br />
an.<br />
Auch wenn inzwischen ein Paradigmenwechsel<br />
stattgef<strong>und</strong>en hat <strong>und</strong> in den<br />
Lehrmitteln afrikanische Themen differenzierter<br />
angegangen werden, verdeckt die<br />
eurozentrisch verzerrte Perspektive immer<br />
noch zahlreiche Geschichten. Ein Beispiel<br />
dafür ist die Thematisierung des Zweiten<br />
Weltkriegs. Dieser wird vorwiegend aus<br />
europäischer Sicht behandelt, wie bereits<br />
18<br />
Vermot: Ethnologie <strong>und</strong> Schule, S. 74.<br />
19<br />
Ebd.<br />
20<br />
Ebd.<br />
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