Völkerschauen: Unterrichtsmaterial Q58 Karikatur „Hagenbecks Oberbayrische Karawane in Nubien“ aus der Zeitschrift „Die Fliegenden Blätter“, Band 2065, 1885 (Text: „Man führt uns in neuerer Zeit fremde Völker zum Studium vor. Müsste es nicht von ungemein bildendem Einfluss auf die Wilden sein, die civilisierten Völker in der gleichen Weise kennen zu lernen?“). 38
Völkerschauen: Unterrichtsmaterial Q59 Mass an Inszenierung – der Politiker Friedrich Naumann (1860-1919), Mitgründer der Deutschen Demokratischen Partei, berichtete ausführlich über seine Beobachtungen anlässlich der Völkerschau im Rahmen der Berliner Gewerbe- <strong>und</strong> Kolonialausstellung 1896 <strong>und</strong> fragte kritisch: Q60 Alfred Kerr (1867-1948), ein anderer kritischer Beobachter der Berliner Gewerbe- <strong>und</strong> Kolonialausstellung 1896, schrieb Briefe für die Breslauer Zeitung über Berlin – hier äussert er sich zum Vergnügungsdorf „Kairo“: „[…] Es ist wahr: im Gr<strong>und</strong>e ist ‚Kairo’ nur ein enormes Tingeltangel. Aber eines, das die Phantasie in ungeahntem Masse anregt. Hier ist der leibhaftige Orient. Beduinen, Derwische, Kairenser, Türken, Griechen <strong>und</strong> die dazugehörigen Weiberchen <strong>und</strong> Mägdlein sind in unbestreitbarem Originalzustande vorhanden. […] hier sitzt ein afrikanischer Schuster mit übergeschlagenen Beinen in seiner Luka, […] dort jag eine Schöne mit schwarzem Teint auf einem Schimmel dahin, hier ladet ein Tür- Q61 Alfred Kerr (1867-1948), ein anderer kritischer Beobachter der Berliner Gewerbe- <strong>und</strong> Kolonialausstellung 1896, schrieb Briefe für die Breslauer Zeitung über Berlin – hier äussert er sich über die eigentliche Völkerschau im Rahmen der Kolonialausstellung: „[…] In der Kolonialausstellung gibt es Negerdörfer mit Eingeborenen. Die Eingeborenen sind aus unseren fernen Siedlungen herantransportiert, die primitiv-grotesken Hütten wohl künstlich nachgeahmt. Ein unglaubliches Tohuwabohu empfängt den Besucher. […] Sie heulen mit gefletschten Zähnen <strong>und</strong> seltsam „[…] Was mögen all diese Neger […] Araber, Suaheli, die hier in der Ausstellung […] ihre bunte Haut zu Markte tragen müssen, von uns allen denken? […]“ Dreesbach Anne, Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870-1940, Frankfurt a.M. 2005, S. 200 ke zu einer Tasse Kaffee ein, hier ist ein verschwiegener Raum, in dem man den berauschenden Bauchtanz vorführt – <strong>und</strong> alle diese östlichen Männer <strong>und</strong> Weiber, von der gelben bis zur tiefschwarzen Gesichtsfarbe, sind vom Orient unmittelbar nach Berlin transportiert worden. Sie sind der Schaustellung, die ihr Amt ist, wohl bewusst <strong>und</strong> posieren wahrscheinlich grenzenlos. Das Ganz ist, wie angedeutet, ein starker Mumpitz – aber doch unleugbar ein sehr geistvoller <strong>und</strong> ein sehr anregender Mumpitz. […]“ Dreesbach Anne, Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870-1940, Frankfurt a.M. 2005, S. 201 vorgeschobenen Lippen volle St<strong>und</strong>en hintereinander eintönige Sänge, mit ganzer Lungenkraft, als ob sie nach der Stärke bezahlt würden, sie klappern dazu mit Muschel- Instrumenten, in Reihen auf der Erde sitzend; […] Man ahnt, dass sich diese Gesellschaft gegebenenfalls sehr geschickt verstellen kann. Sie benehmen sich wie Schulknaben gegenüber einem Lehrer, den sie im Privatleben irgendwo treffen, […]“ Dreesbach Anne, Gezähmte Wilde. Die Zurschaustellung „exotischer“ Menschen in Deutschland 1870-1940, Frankfurt a.M. 2005, S. 201 39