Fremde Bilder - Stiftung Bildung und Entwicklung
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Völkerschauen: Unterrichtsmaterial<br />
D16 Seltene Quelle aus der Sicht eines Ausgestellten<br />
– „Wilde aus Neuholland in Südafrika“<br />
– ein Mitglied dieser Gruppe berichtet nach<br />
seiner Rückkehr über das Erlebte. Ein Missionar<br />
hat wahrscheinlich das Gespräch protokolliert,<br />
eine Übersetzung davon erschien im<br />
„Natal Journal“, einer missionarischen Vierteljahresschrift<br />
aus Pietermaritzburg:<br />
„[…] 1853 waren in London in der St. George’s<br />
Gallery, Hyde Park Corner, ‚Zulus’ aus Port<br />
Natal, zwölf Männer <strong>und</strong> Frauen <strong>und</strong> ein Kind,<br />
zu sehen. […] Die dreizehn ‚Zulu’ wurden Königin<br />
Victoria <strong>und</strong> ihren Kindern im Buckingham<br />
Palace vorgeführt, ausserdem in Frankreich,<br />
Belgien <strong>und</strong> Deutschland in St. Pauli <strong>und</strong><br />
auf dem Bremer Freimarkt (1854) als ‚Wilde<br />
aus Neuholland in Südafrika’ gezeigt. Ein Mitglied<br />
dieser Gruppe legte nach Rückkehr den<br />
Ältesten seines Stammes Rechenschaft über<br />
die Reise ab. Dieses Gespräch wurde in der<br />
Zulu-Sprache protokolliert, wahrscheinlich von<br />
einem Missionar. Eine Übersetzung davon<br />
erschien im Natal Journal, einer missionarischen<br />
Vierteljahresschrift aus Pietermaritzburg:<br />
Die Überfahrt auf dem Schiff sei äusserst unangenehm<br />
gewesen. Sie hätten sich vor dem<br />
weiten Meer gefürchtet, <strong>und</strong> als nach einigen<br />
Tagen die See unruhig zu werden begann,<br />
wurden alle seekrank. Tagelang konnten sie<br />
nichts essen <strong>und</strong> dachten, sie müssten sterben.<br />
Das Schiff fuhr zunächst nach Kapstadt<br />
<strong>und</strong> stach von dort in die offene See. Wieder<br />
bekamen sie Angst <strong>und</strong> dachten, sie würden<br />
ihre Heimat nie wieder sehen. Die weissen<br />
Männer hätten gelacht <strong>und</strong> ihnen erklärt, dass<br />
Sonne <strong>und</strong> Sterne ihnen den Weg zeigten.<br />
Nach drei Monaten erreichten sie London. In<br />
London beeindruckte sie am meisten die<br />
enorme Grösse der Stadt. Manche Bewohner,<br />
so erzählte der junge Mann seinen Stammesgenossen,<br />
hätten nie das Ende der Stadt gesehen,<br />
sie selbst wären auf einem hohen Turm<br />
gewesen <strong>und</strong> hätten auch aus der Höhe kein<br />
Ende gesehen. Ausserdem seien die Menschen<br />
so zahlreich, dass sie sich gegenseitig<br />
auf die Füsse träten, Tag <strong>und</strong> Nacht seien die<br />
Strassen überfüllt. Er habe zunächst angenommen,<br />
es sei etwas Besonderes vorgefallen,<br />
weil so viele Menschen unterwegs waren,<br />
aber nach einiger Zeit erkannte er, dass in<br />
London immer so viele Menschen waren. Es<br />
gäbe so wenig Platz, dass die Menschen auch<br />
unter der Erde oder unter dem Wasser wohnten.<br />
Ausserdem lebten die Menschen auch in<br />
Booten auf dem Fluss. […] Einer der Stammesältesten<br />
fragte, welche Art von Gras dort<br />
wachse, <strong>und</strong> der Mann erklärte, es gäbe keinen<br />
Platz für Gras, alles sei bewohnt. Die Engländer<br />
hätten vor allem Interesse an ihnen<br />
gehabt, weil sie schwarz waren, voneinander<br />
nähmen die Engländer selten Notiz. […] Er<br />
habe die Königin in ihrem Palast getroffen, wo<br />
alles sehr gross gewesen sein. Ihr Impresario<br />
habe der Königin viel über sie erzählt <strong>und</strong> er<br />
selbst habe der Königin einige Fragen beantworten<br />
müssen. Zuerst hätten sie alle grosse<br />
Angst gehabt, aber dann hätten sie gemerkt,<br />
dass sie sie nur ansehen wollte. […]<br />
Sie seien ausserdem in Belgien, Frankreich <strong>und</strong><br />
Deutschland gewesen, alle Städte seien London<br />
sehr ähnlich, aber viel kleiner. Gross seien<br />
auch Paris <strong>und</strong> Berlin. Er habe gesehen, wie<br />
sich Menschen in Körben, die an etwas, das<br />
einer riesigen Kalabasse [Kürbis] ähnelte, befestigt<br />
waren, in die Lüfte erhoben, wie H<strong>und</strong>e<br />
Briefe trugen, wie ein Affe eine Pistole abfeuerte,<br />
wie ein Pferd zu einer Trommel tanzte<br />
<strong>und</strong> sich dann vor dem Publikum verbeugte,<br />
Elefanten, Seekühe, Krokodile <strong>und</strong> Tiger, die in<br />
Häusern lebten, einen Mann, der den Kopf<br />
einer Boa in seinen M<strong>und</strong> nahm, <strong>und</strong> Männer,<br />
die Kopfstand machten <strong>und</strong> auf ihren Händen<br />
liefen. Dafür bezahlten die Menschen, <strong>und</strong><br />
auch er habe bezahlt, um das alles sehen zu<br />
können. Das habe ihm sehr gefallen. […]<br />
Zuerst hätten sie Angst gehabt, dass sie zwischen<br />
all den Menschen keine Nahrung finden<br />
würden, denn sie sahen nirgends, dass Nahrung<br />
angebaut wurde, aber dann erklärte man<br />
ihnen, dass Nahrung gegen Bezahlung aus<br />
anderen Ländern eingeführt werde. Sie hatten<br />
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