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Fremde Bilder - Stiftung Bildung und Entwicklung

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Völkerschauen: Unterrichtsmaterial<br />

Q40 Kritische Stimme im Christlichen Volksboten<br />

– „Aus der Briefmappe des Volksboten“ –<br />

Verfasser anonym<br />

„In unserer Zeit, wo kaum ein Geschäft mehr<br />

etwas Rechtes abwirft <strong>und</strong> alles verpfuscht ist,<br />

wie es allgemein heisst, gibt’s doch Einen, <strong>und</strong><br />

der versteht sich noch auf’s Geldmachen. Warum?<br />

Weil er sich auf die Schwächen <strong>und</strong><br />

Liebhabereien der Leute versteht. Dieser eine<br />

ist Herr Hagenbeck in Hamburg. Dieser weiss,<br />

gerieben <strong>und</strong> unternehmend wie er ist, den<br />

Leuten das Geld aus den Taschen zu kriegen,<br />

wogegen der beste Taschenspieler nichts ist.<br />

Herr H. weiss ganz genau, bei welchem Fleck<br />

man die Leute fassen muss, <strong>und</strong> wie auf einen<br />

Befehl hin gehorchen ihm blindlings allein in<br />

<strong>und</strong> um Basel 50'000 Menschen! Was doch die<br />

Schaulust ein mächtiger Volkshebel ist!<br />

Früher waren die wilden Thiere Hagenbeck’s<br />

Force-Artikel; jetzt sind es wilde <strong>und</strong> halbwilde<br />

Menschen. Sein neuestes Schaustück ist, wie<br />

ganz Europa weiss, die Singhalesenausstellung.<br />

Wenn wir es auch ganz interessant finden,<br />

weltfremde Menschen <strong>und</strong> ihre Eigenthümlichkeiten<br />

kennen zu lernen, so halten uns<br />

dennoch mancherlei Gründe ab an den Hagenbeck’-schen<br />

Menschenausstellungen Gefallen<br />

zu finden <strong>und</strong> Anziehung dafür zu verspüren.<br />

Hievon nur Einiges:<br />

Es ist an dieser Stelle anlässlich einer Kalmükenausstellung<br />

schon darauf hingewiesen<br />

worden, wie entwürdigend es sei Menschen in<br />

einem Thiergarten zur Schau auszustellen.<br />

Europa brüstet sich gern mit seiner Culturaufgabe<br />

der übrigen Welt gegenüber. Wir fragen,<br />

was wohl ein Singhalese, der ein Bischen<br />

nachdenkt, von uns weissen Culturmenschen<br />

halten mag, wenn er uns in hellen Haufen<br />

herzuströme sieht, allein um ihn hinter seiner<br />

Verzäunung zu begaffen <strong>und</strong> weiter nichts?!<br />

Diese Singhalesen werden unter sich Gespräche<br />

führen über uns, die, wenn wir sie verständen,<br />

uns wenig schmeichelhaft vorkommen<br />

würden!<br />

Aber noch empörender ist die Art <strong>und</strong> Weise,<br />

wie diese Menschen von Ort zu Ort transportiert<br />

werden. Nicht anders als Zebuochsen in<br />

völlig geschlossenen Viehwagen! – Wie viel<br />

besser wäre es doch, Herr H. liesse solche<br />

Leute in ihrem lieben Heimatland, wo es ihnen<br />

bei Arbeit oder Nichtsthun wohl ist, als sie in<br />

eine Art Sklaven-Accord zu nehmen <strong>und</strong> wie<br />

Thiere nach <strong>und</strong> durch Europa zu schleppen,<br />

um schliesslich meist krank <strong>und</strong> heruntergekommen<br />

zu Hause wieder anzukommen <strong>und</strong><br />

sicherlich ohne allen Gewinn für Geist <strong>und</strong><br />

Seele. Auch für uns Europäer wäre es kein<br />

Verlust, wenn solche fremde Völklein hübsch<br />

zu Hause blieben. Für die forschende Wissenschaft<br />

wird auf andere ausgiebigere Weise<br />

gesorgt <strong>und</strong> – der grosse Haufe hat ja doch<br />

nur gegafft! Möchte deshalb der Improvisator<br />

<strong>und</strong> Geschäftsmann Hagenbeck uns sobald<br />

nicht wieder mit einer Menschenausstellung<br />

bescheren!“<br />

Christlicher Volksbote 22. 7. 1885<br />

Warum <strong>und</strong> wann verschwanden die Völkerschauen? / Bezüge in die Gegenwart<br />

Q41 „[…] Schaustellungen fremder Völker<br />

haben dieses Jahr keine stattgef<strong>und</strong>en. Sie<br />

scheinen überhaupt etwas aus der Mode gekommen<br />

zu sein, indem die deutschen Zoologischen<br />

Gärten mit den letzten Schaustellun-<br />

gen keine finanziellen Erfolge haben erzielen<br />

können. […]“<br />

Jahresbericht des Verwaltungsrats des Zoologischen<br />

Gartens Basel 1929<br />

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