Völkerschauen: Unterrichtsmaterial Durchführung / Wie lief eine Völkerschau ab? D3 Tournee der Feuerländer 1881/82 Jahr Bezeichnung der Völkerschau Herkunftsland, - region Werber / Impresario 1881/82 Feuerländer Chile Kapitän Schweers Personen Gastspielorte Besucher- zahlen 4 M, 2 F, 3 Mädchen von ca. 1, 2 <strong>und</strong> 3 Jahren Paris im Jardin d’Acclimatation, Berlin im Zoolog. Garten, Leipzig, Stuttgart, München, Nürnberg, Zürich im Platten- Theater 1 Sonntag in Paris über 50'000, insgesamt über 0.5 Mio. in Paris Hilke Thode-Arora, Für fünfzig Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen, Frankfurt 1989, Anhang 1 Werbung Q11 Werbeplakat für die „Feuerländer“-Ausstellung in München, 1882 Stadtarchiv München 16
Völkerschauen: Unterrichtsmaterial Inszenierung Q12 Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ berichten am 1. Januar 1882 über den ersten Tag der Zurschaustellung der so genannten „Feuerländer“ in München: „[…] Eine von Tannenzweigen zusammengefügte, kegelförmige Hütte, in deren Nähe ein Ofen die nötige Wärme spendet, dient ihnen [den Feuerländern] zum Schlafquartier; bei Tage sitzen oder vielmehr kauern sie im Kreise auf geflochtenen Strohmatten, um einen hellbrennenden Scheiterhaufen, dessen beissender Rauch sie nicht im mindesten geniert. Sie scheinen auf eine gewisse Ordnung zu halten, denn sie setzen sich gestern jedes Mal, wenn sie sich erhoben hatten, wieder in derselben Reihenfolge. […] Ihr Diner <strong>und</strong> Souper nehmen sie um 12 <strong>und</strong> um 5 Uhr, rohe Fleischstücke werden mit einer schwungvollen Handbewe- D4 Die Ankunft der Feuerländer in Zürich <strong>und</strong> das traurige Ende „[…] Es nieselte, war kühl, als die Truppe am 17. Februar 1882 von Nürnberg her in die Schweiz einreiste. Alle waren erkältet, der Husten hatte nie ganz ausheilen wollen, den ganzen Winter über nicht. Henrico hatte starke Schmerzen, Grethe war fiebrig. Sie starb auf dem Weg nach Zürich. Ihre Leiche wurde in die Anatomische Abteilung der Universität gebracht, Henrico ins Kantonsspital, die anderen hatten sich unverzüglich ins Plattentheater zu begeben, wo Neugierige scharenweise auf sie warteten. Josef Grüninger duldete keine Verzögerung. Er wollte, wie überall angekündigt, die Ausstellung am Samstagnachmittag eröffnen, mit allem Drum <strong>und</strong> Dran, das er sich ausgedacht hatte, <strong>und</strong> weil, wie die Zeitungen vermerkten, die Truppe von Tag zu Tag apathischer wirkte, sann Terne [Curt Terne, Mitarbeiter von Carl Hagenbeck] sich allerhand Neues aus, um die ‚Wilden’ – <strong>und</strong> das Publikum – bei Lau- gung auf das Kohlenfeuer geworfen, etwas angebraten <strong>und</strong> dann, halb blutig, halb verbrannt, verzehrt, wozu Brot die Mahlzeit würzt. Dazu trinken sie nur reines Wasser, Branntwein <strong>und</strong> Bier vertragen sie nicht. Gutmütig teilen sie alles, was sie haben, miteinander. […] Ob der Eine oder die Andre von ihnen schon wirkliches, veritables Menschenfleisch zu sich genommen? Der Direktor der Expedition zweifelt daran nicht <strong>und</strong> erzählt uns, wie der Obmann der Horde, der ‚Kapitän’, beim Anblick einer sehr korpulenten Dame auf dem Nürnberger Bahnhof die schönen Worte fallen liess: ‚feir bridschi djepr baoni’, das heisst, ‚Feuerwerfen, schmeckt gut’. Arme Nürnbergerin, wie würde Dir’s im biederen Feuerland ergehen! […]“ Münchner Neueste Nachrichten, 1. Januar 1882 ne zu halten. So liess er Antonio mit Pfeil <strong>und</strong> Bogen schiessen <strong>und</strong> behängte eine der Frauen, die ‚schöne Liesel’, wie sie nun genannt wurde, mit Glasperlen <strong>und</strong> anderem Tand [billiger Schmuck]. Den Männern gab er Tabakpfeifen, <strong>und</strong> besonders wird ihn gefreut haben, dass wenigstens die Kinder quicklebendig über die Bühne tollten. Bald husteten auch sie. Trine spuckte Blut, Henrico musste operiert werden, Frau Capitanos nächtliche Fieberschübe wollten trotz ärztlicher Behandlung nicht abklingen. Auch bei Liese, Pedro, Trine <strong>und</strong> Antonio wurden gegen Ende der Woche immer höhere Temperaturen gemessen, am Samstag waren es über 39 Grad. Nun wurde es kritisch. […] Am 28. Feb. war Henrico im Kantonsspital gestorben, an Lungenentzündung, wie die Zeitungen meldeten. […] Rätselhaft blieben die Krankheiten der andern. Während die beiden Mädchen <strong>und</strong> der kaum zwanzigjährige Pedro sich nach einer Woche von Masern <strong>und</strong> Bronchitis allmählich erholten, verschlimmerten sich die Leiden 17