Fremde Bilder - Stiftung Bildung und Entwicklung
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Afrikaner im Kanton Luzern: Einführungstext<br />
tischen Sklavenhandels vom primitiven Neger<br />
abgelöst wurde. 50 Doch auch hier sollte ein<br />
entsprechendes Konstrukt Verbreitung finden.<br />
Der Gelehrte Sebastian Münster bezeichnete<br />
in seinem 1544 in Basel veröffentlichten<br />
Hauptwerk „Cosmographia“<br />
die Bewohner Afrikas als religionslose<br />
Menschenfresser <strong>und</strong> trug damit zur<br />
Verbreitung neuer Ansichten über Schwarze<br />
in Europa bei. 51 Während der Aufklärung,<br />
die bemüht war, die Welt in einem<br />
neuen Verständnis jenseits biblischer Kosmologie<br />
zu beschreiben, wurden die afrikanischen<br />
Schwarzen mit ihrem vermeintlich<br />
„affenähnlichen“ Körpern schliesslich vollständig<br />
degradiert <strong>und</strong> repräsentierten bald<br />
das Gegenteil europäischer Bürger. Mittels<br />
damaliger „wissenschaftlicher“ Kriterien<br />
attestierte man ihnen Faulheit, Geilheit,<br />
Hässlichkeit <strong>und</strong> Einfalt. 52 Vor dieser verheerenden<br />
Vorverurteilung waren auch<br />
humanistische Gelehrte wie Montesquieu,<br />
David Hume oder Voltaire nicht gefeit. Sie<br />
legitimierten die Versklavung der Afrikaner<br />
damit, dass diese nicht zu den Menschen zu<br />
zählen wären, sei es, weil Gott niemals in<br />
einen so dunklen Körper eine reine Seele<br />
stecken würde, oder einfach, weil sie den<br />
Affen ähnlich seien. 53<br />
Schriften, die die Schwarzen zu primitiven<br />
Wesen erniedrigten, wurden auch von Luzerner<br />
<strong>Bildung</strong>sbürgern gelesen. Dadurch<br />
konnte sich das kolonial-rassistische Gedankengut<br />
in von Afrikanern <strong>und</strong> Sklavenhandel<br />
unberührten Gegenden wie der<br />
Zentralschweiz ausbreiten. Weitere Negativbilder<br />
wurden teils von Söldnern, Missionaren<br />
oder Weltreisenden im Kanton Luzern<br />
verbreitet. Schweizer Söldner unterstützten<br />
beispielsweise europäische Mächte,<br />
50<br />
Ebd. S. 12.<br />
51<br />
Ebd. S. 84.<br />
52<br />
Ebd. S. 220.<br />
53<br />
Edeh: Die Gr<strong>und</strong>lagen der philosophischen<br />
Schriften von Amo, S. 31.<br />
namentlich Frankreich, in ihrem Kampf um<br />
neue Kolonien. Ein ganzes Schweizer Bataillon<br />
kämpfte 1803 auf St. Domingo, dem<br />
heutigen Haiti, gegen die schwarzen Aufständigen.<br />
Die Schweizer mussten erhebliche<br />
Verluste hinnehmen, was sich gewiss<br />
schlecht auf die Erzählungen der wenigen<br />
Rückkehrer auswirkte. 54 Ein weiteres Beispiel<br />
für die Verbreitung negativer Afrikabilder<br />
ist der Reisebericht des Luzerner<br />
Missionars Jakob Huwiler, der im November<br />
1902 im „Vaterland“ <strong>und</strong> darauf aufgr<strong>und</strong><br />
der grossen Nachfrage als Sonderdruck<br />
erschien. 55 Auf seiner Reise vom<br />
indischen Ozean zum Nyassa-See begegnet<br />
Huwiler vielen Afrikanern, denen er die<br />
herkömmlichen klischierten Charaktereigenschaften<br />
Dummheit, Faulheit, Feigheit<br />
<strong>und</strong> Hässlichkeit attestiert. Mit ähnlichen<br />
Klischees werden ehemalige schwarze Sklaven<br />
in Amerika durch den österreichischen<br />
Weltreisende <strong>und</strong> Schriftsteller Ernst von<br />
Hesse-Wartegg beschrieben. 56 Der seit<br />
1891 gemeinsam mit seiner Ehefrau, der<br />
berühmten amerikanischen Opernsängerin<br />
Minnie Hauk, im von ihnen erbauten<br />
„Schlössli Wartegg“ in Luzern lebte, meinte,<br />
dass sich Neger zwar für die Feldarbeit<br />
eignen würden, nicht aber für politische<br />
Geschäfte. 57<br />
Die oben aufgeführten <strong>Bilder</strong> wurden im<br />
19. <strong>und</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>ert zudem von exotischen<br />
Schaustellern bestätigt. Grosse Völkerschauen,<br />
wie etwa jene der „Aussterbenden<br />
Lippennegerinnen“, die 1932 im<br />
Basler Zoo gastierte, machten zwar in der<br />
54<br />
Schelbert: Die fünfte Schweiz im „Schweizer-<br />
Boten“ 1804-1830, S. 97.<br />
55<br />
Huwiler: Vom indischen Ozean zum Nyassa-See.<br />
Die Artikel erschienen im Vaterland vom 22., 23.,<br />
25., 26., 27. <strong>und</strong> 28. November 1902.<br />
56<br />
http://www.historischedaten.de/projekte/wartegg/wartegg.htm<br />
(21. 2.<br />
2011)<br />
57<br />
Artikel „Mississippi-Fahrten“ in der Wochenzeitschrift<br />
„Daheim“, No. 7, 1882.<br />
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