Völkerschauen: Unterrichtsmaterial Q55 Kolonialausstellung in Berlin 1896 Der zur Vorbereitung der ersten deutschen Kolonialausstellung 1896 in Berlin eingesetzte „Arbeitsausschuss" diskutierte die Zurschaustellung von Menschen aus deutschen Kolonien kontrovers. Die Befürworter der „Vorführung" setzten sich schließlich durch. Im „Amtlichen Bericht" heißt es dazu: „[…] Es war vor allem damals auch der einstimmig angenommene Gr<strong>und</strong>satz aufgestellt worden, dass zu der Ausstellung Eingeborene heranzuziehen seien. Dieses Prinzip stieß in weiten Kreisen auf scharfen Widerspruch, weil man für die Eingeborenen große Gefahren befürchtete <strong>und</strong> im Hinblick auf die bisher an anderen Stellen üblich gewesene Vorführung von Eingeborenen nicht erwartete, dass sie im Stande sein würden, das koloniale Interesse zu fördern. Der Vorstand der Kolonial- Ausstellung glaubte dagegen, die früher oft eingetretenen Gefahren für die Eingeborenen vermeiden zu können <strong>und</strong> durch eine besondere Art der Vorführung das Interesse für un- Rezeption / Wie wurden die Völkerausstellungen aufgenommen? Q56 Seltene Einfühlung in Ausgestellte Wie präsent die Zurschaustellungen aussereuropäischer Menschen in Deutschland Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts waren, zeigt ein 1843 beim J. F. Schreiber-Verlag in Esslingen erschienenes <strong>Bilder</strong>buch für Kinder mit dem Titel „Der Jahrmarkt, Sehenswürdigkeiten <strong>und</strong> Scenen in bunter Reihe“. Hier ist unter anderem eine Schaubude zu sehen, die mit „Die Wilden“ untertitelt ist. Das zu diesem Bild passende Gedicht thematisiert das Heimweh der „Wilden“: „Dort im fernen Heimathlande, Wo ich keine Sorge kannte, Dort, dort lebt’ ich frei <strong>und</strong> froh – Hier, ach, ist es nicht mehr so! sere Schutzbefohlenen zu erwecken, sie uns menschlich näher zu bringen <strong>und</strong> so den üblen Eindruck, welcher die unter anderem in den zoologischen Gärten stattgehabten Vorführungen in manchen Kreisen zweifellos hervorgerufen hatten, zu verwischen. Im Übrigen war aber der Vorstand der Meinung, dass eine wirklich große, umfassende Ausstellung, die nicht bloß von den Kolonialfre<strong>und</strong>en, sondern vor allem von der breiten Masse des Volkes besucht würde – also eine Ausstellung, wie sie allein der Förderung der kolonialen Bewegung dienen konnte, ohne Eingeborene schwerlich durchzuführen sei. Denn tote Sammlungen allein sind nie im Stande, die große Masse des Volkes, auf welche schon aus finanziellen Gründen zur Herstellung des Gleichgewichts zwischen Einnahme <strong>und</strong> Ausgabe gerechnet werden musste, heranzuziehen. […]" Deutschland <strong>und</strong> seine Kolonien im Jahre 1896. Amtlicher Bericht über die erste deutsche Kolonialausstellung. Herausgegeben von dem Arbeitsausschuss der Deutschen Kolonial-Ausstellung. Berlin 1897, S. 6f. Tief im Herzen muss ich weinen, Und ich soll noch fröhlich scheinen, Soll mit W<strong>und</strong>en in der Brust Euch gewähren Augenlust. Grausam ist’s, gleich wilden Thieren, Uns von Land zu Land zu führen, Und noch obendrein für Geld, Seh’n zu lassen in der Welt! Sind wir doch, wie Ihr, nicht minder Eines grossen Gottes Kinder. Uns auch schuf des Ew’gen Hand, Gab uns Eltern, Vaterland. Statt zu fühlen uns’re Leiden, Nur an uns das Auge weiden! O, unsel’ge Neugier! Sind wir Wilde? Oder Ihr?“ 36
Völkerschauen: Unterrichtsmaterial Q57 Karikatur „Der civilisierte Kannibale“ aus der Zeitschrift „Die Fliegenden Blätter“, Band 119, 1903 (Text: Schaubuden-Besitzer: „..Dieser Menschenfresser, meine Herrschaften, würde Sie sofort verspeisen, wenn es nicht nach dem „Bürgerlichen Gesetzbuch“ verboten wäre!“) 37