Fremde Bilder - Stiftung Bildung und Entwicklung
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Afrikaner im Kanton Luzern: Einführungstext<br />
taxiert werden soll, bleibt fraglich. Bei näherer<br />
Betrachtung können auch andere<br />
Kriterien zu dieser expliziten Äusserung<br />
geführt haben. Es war vor allem die exotische<br />
Ausstrahlung der Spahis, welche die<br />
Einwohner am meisten faszinierte <strong>und</strong> sie<br />
zum Publikumsmagneten machte. Es kann<br />
daher angenommen werden, dass der Gemeinderat<br />
mit seiner Wortwahl die Bevölkerung<br />
abzuschrecken <strong>und</strong> somit Kontakte<br />
generell zu unterbinden versuchte. Dennoch<br />
machen sich hier auch durch bereits<br />
vorhandene Afrikabilder generierte Vorurteile<br />
bemerkbar.<br />
Die gemeinderätliche Warnung hat die<br />
Dorfbewohner erneut verunsichert. Doch<br />
schon ein paar Tage später war man wieder<br />
im engsten Kontakt mit den farbigen Soldaten.<br />
An Sonntagen kam es sogar zu regelrechten<br />
„Völkerwanderungen“. Zeitzeugen<br />
erinnern sich, dass aus den benachbarten<br />
Dörfern die Menschen herbeigeströmt seien,<br />
um die Spahis zu sehen. 34 Die Schweizer<br />
Armee griff folglich noch stärker ein<br />
<strong>und</strong> versuchte Kontakte zwischen den Internierten<br />
<strong>und</strong> der Zivilbevölkerung<br />
strengstens zu unterbinden. Das rigorose<br />
Vorgehen der Wachtmannschaften gegenüber<br />
ehrbaren Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern<br />
wurde nun selbst dem Gemeinderat, der<br />
inzwischen auch Bekanntschaften mit Spahis<br />
gemacht hatte, zuviel. In einem dreiseitigen<br />
Schreiben an den Schweizer General<br />
beschwerte er sich am 29. Juli offiziell über<br />
das aus seiner Sichtweise übereifrige <strong>und</strong><br />
unpassende Verhalten der Wachtorgane. 35<br />
Die Antwort des Generals fehlt in den Akten.<br />
Die Situation änderte sich aber schlagartig.<br />
Schon an der 1.-August-Feier waren<br />
die Spahis offizielle Gäste der Gemeinde. 36<br />
34 Menrath: „Exotische Soldaten“, S. 132.<br />
35 GAT: Gemeindekanzleiakte vom 29.07.1940. An<br />
den Herrn General der Schweizer Armee.<br />
36 Trienger Anzeiger, 02.08.1940.<br />
Das Einlenken des Gemeinderates <strong>und</strong> die<br />
symbolische Bedeutung, dass Afrikaner an<br />
der B<strong>und</strong>esfeier eingeladen waren, öffneten<br />
den Weg für weitere Begegnungen, auf<br />
deren Basis Fre<strong>und</strong>schaften geschlossen<br />
werden konnten. Davon zeugen unzählige<br />
Fotografien. Dass das <strong>Fremde</strong> <strong>und</strong> exotisch<br />
Wirkende besonders die Aufmerksamkeit<br />
anzog, lässt sich ebenfalls aufgr<strong>und</strong> der<br />
überlieferten <strong>Bilder</strong> feststellen. Je dunkler<br />
die Hautfarbe eines Spahis, desto öfter<br />
wurde er abgelichtet. 37 „Blanchet“ war<br />
einer der Spahis mit besonders dunkler<br />
Hautfarbe. Sein Auftreten war für damalige<br />
Verhältnisse derart aussergewöhnlich, dass<br />
persönliche Erlebnisse mit ihm bei den<br />
meisten Zeitzeugen im Gedächtnis haften<br />
blieben. Auf vielen Fotografien sieht man<br />
ihn, wie er bei Familien zu Gast ist, kleine<br />
Kinder auf dem Arm trägt oder mit ihnen<br />
im Garten spielt. 38<br />
Am 7. Oktober 1940 mussten die Spahis<br />
Triengen verlassen, da man alle indigenen<br />
Truppenteile vereinigen <strong>und</strong> in Gemeinden<br />
nahe bei Yverdon internieren wollte. Die<br />
Regierungen Deutschlands <strong>und</strong> der<br />
Schweiz verhandelten am 16. November<br />
1940 in Wiesbaden über die Repatriierung<br />
der französischen Soldaten. Am 15. Januar<br />
1941 waren sämtliche Bedingungen der<br />
deutschen Regierung erfüllt. 39 Die Spahis<br />
konnten am 20. Januar 1941 bei Veyrier im<br />
Kanton Genf in die unbesetzte Zone<br />
Frankreichs übertreten. Über Marseille<br />
gelangten sie nach Algerien, wo sie sich<br />
später den Truppen des Freien Frankreichs<br />
anschlossen <strong>und</strong> daran beteiligt waren, die<br />
Schweiz von ihrer nationalsozialistischen<br />
<strong>und</strong> faschistischen Umzingelung zu befreien.<br />
37<br />
Menrath: „Exotische Soldaten“, S. 152 f.<br />
38<br />
Ebd. S. 161 f.<br />
39<br />
Probst: Schlussbericht, S. 39–46.<br />
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