(oder wer) ist alt? - Berliner Behindertenzeitung

Berliner Behindertenzeitung Ausgabe 12-04/1-05
Jürgen Bergmann
Ein intensives Leben auf Rädern
Der 31. August 1958, ein Sonntag, sollte mein ganzes Leben
verändern. Ich erinnere mich auch noch nach 46 Jahren an jedes
kleinste Detail, das damals in meinem Kopf und Körper abging, an
das Gefühl, als die Sensibilität innerhalb von einer halben Stunde
Unheil verkündend verschwand und ich keine Kontrolle mehr über
meine Arme und Beine hatte. Ich konnte mir das alles nicht erklären
und sackte dann wie eine Marionette, die nicht an Schnüren geführt
wird, in mich zusammen.
Am liebsten hätte ich mich erschossen oder
aufgehängt. Aber das hätte ich nicht einmal selber
gekonnt, auch dabei hätte mir jemand helfen
müssen.
Völlig bewegungslos lag ich beim Bademeister auf einer Pritsche,
denn das Ganze geschah in einer Hamburger Badeanstalt, bis mich
das Rote Kreuz in ein Krankenhaus brachte. (Rundum Neugierige,
die den Helfern den Weg zum Krankenwagen versperrten, und ich
schimpfte von der Trage herunter!) In ein Krankenhaus? Bis ich im
richtigen landete, hatte ich bestimmt ein halbes Dutzend hinter mir,
es verstrichen wertvolle Stunden.
Später sagte man mir, dass meine Querschnittlähmung vermutlich
durch ein Blutgerinnsel zwischen dem 5. und 6. Halswirbel
entstanden ist. Die Nerven wurden abgeklemmt und beschädigt. Man
hätte dieses Gerinnsel innerhalb von vier Stunden entfernen können,
wenn man es gefunden hätte. Vielleicht wenn ich sofort in das
richtige Krankenhaus gekommen wäre?