(oder wer) ist alt? - Berliner Behindertenzeitung

Vom Altwerden und den Zipperlein
Doch dann kamen viele Zipperlein, die ich dem Altwerden im
Rollstuhl „ankreide". Während einer Schlafphase hatten Ärzte in Bad
Wildungen bei einem Langzeit- EKG festgestellt, dass mein Herz
neun Sekunden nicht geschlagen hatte. Seitdem habe ich einen
Herzschrittmacher.
Solange der Geist fit ist, gibt ein alternder Rolli
nicht auf.
Während vieler Jahre der Unbeweglichkeit hatten sich riesige Steine
in den Nierenkelchen meiner linken Niere gebildet, die mussten
unbedingt entfernt werden. Der erste Versuch schlug fehl, da hätte
man mich fast mitsamt der Steine entfernt. Die Lunge wurde bei der
offenen Nierenoperation verletzt, dadurch wurden sechs
Bluttransfusionen notwendig. Auch das wiederholte Beschießen der
Niere mit einer so genannten „Laserkanone" blieb erfolglos.
Folgeschäden blieben natürlich nicht aus, körperliche Beschwerden
und die Hand, die so viele Bilder gemalt hat, ist nahezu unbrauchbar
geworden. Lange Zeit brauchte ich, mit mir darüber selber ins Reine
zu kommen und einzusehen, dass ich wahrscheinlich nie wieder in
der Lage sein werde zu malen. Die Hauptbeschäftigung wird am
Computer stattfinden. Viele Operationen in Bad Wildungen und
Marburg ließen außer den Nierensteinen auch noch mehr Lack
abbröckeln. Die zahlreichen Narkosen erzeugten Verfolgungswahn
und Halluzinationen. Den Krankenhauskeim bekommt man gratis mit
nach Hause und handelt sich damit Riesenwunden durch eine
Infektion ein und hat monatelang etwas davon. Danke!
Es gibt im Altwerden immer wieder neue
Lernprozesse.
Ich erwische mich immer wieder dabei, meine Wut und Frust bei
meinen Helfern abzuladen, was mir im nachhinein Leid tut. Es gibt
im Altwerden immer wieder neue Lernprozesse, Situationen, auf die
man sich einstellen und an die man sich gewöhnen muss. Es ist auch
für die Helfer nicht immer einfach, Verständnis für solche Dinge
aufzubringen.