125_Philosophie, nordisch-deutsche Geistigkeit - Kosmoterik.pdf
125_Philosophie, nordisch-deutsche Geistigkeit - Kosmoterik.pdf
125_Philosophie, nordisch-deutsche Geistigkeit - Kosmoterik.pdf
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
NEUE GEMEINSCHAFT VON PHILOSOPHEN<br />
Grundlagen der <strong>deutsche</strong>n Weltanschauung und Religion<br />
WURDE DAS CHRISTENTUM<br />
DURCH DIE REFORMATION POSITIV VERÄNDERT?<br />
Zur Zeit der Renaissance waren die Päpste ein verruchter weltlicher Haufen, Bestechung,<br />
Korruption, Machtmißbrauch und Ämterkauf gehörten in höheren Kirchenkreisen<br />
zu den ganz alltäglichen Praktiken. Diese Scheinheiligkeit und Unmoral führte<br />
zum Bruch der römisch-katholischen Kirche mit den Reformern, welche das Ziel hatten,<br />
die Kirche von den Mißbräuchen des Mittelalters zu reinigen und ihre Praktiken<br />
dem biblischen Ideal wieder anzugleichen. Für Luther war der Papst nicht notwendig,<br />
weil er glaubte, daß allen Menschen das Heil nur allein von Gott durch die Vergebung<br />
der Sünden geschenkt würde. Doch die protestantische Reformation vergrößerte die<br />
abgrundtiefe Kluft – den dualistischen Zwiespalt – zwischen dem schwachen und bösen<br />
Menschen und dem über der Schöpfung stehenden Gott noch weiter, weil nach den<br />
Vorstellungen der Reformer der Mensch gar nichts zu seinem Seelenheil beitragen<br />
kann, sondern ganz allein auf die Gnade Gottes angewiesen ist. Martin Luther – päpstlicher<br />
als der Papst – brachte die kirchliche Erlösungs- bzw. Rechtfertigungslehre auf<br />
die Formel: „sola fide, sola gratia, sola scriptura“ (allein durch den Glauben, allein<br />
durch die Gnade, allein durch die Schrift – kann Erlösung erfolgen).<br />
Luther schuf eine stark an das Alte Testament angelehnte, extrem bibelhörige und Gott<br />
unterwürfige Glaubenshaltung, die ein gänzlich ohnmächtiges Menschenbild zum Inhalt<br />
hat – Calvin versuchte Luther darin noch zu übertrumpfen. Niemals zuvor in der<br />
Religionsgeschichte wurde der Mensch als so hilflos und armselig betrachtet. Luther<br />
spricht dem Menschen grundsätzlich seinen freien Willen ab, nach ihm wird der<br />
Mensch entweder durch die Allmacht Gottes oder durch den Teufel geführt.<br />
Nach Luther ist der verderbte, gänzlich willenlose und geknechtete Mensch einem herrischen<br />
und zornigen Gott mit launischem Willen ohnmächtig ausgeliefert – „wie ein<br />
Reittier“. Luther’s Gott benutzt den Menschen wie sein Werkzeug, dieser Gott „kann<br />
nicht anders, als durch das böse Werkzeug Böses tun, er, der selbst gut ist“. Gut tausend<br />
Jahre nach Augustinus erlebte das augustinische Dogma durch Luther und Calvin<br />
eine Renaissance mit nie dagewesener Härte und Strenge, nun entfaltete sich der paulinistische<br />
Schatten in seiner ganzen Größe!<br />
„Reformation hätt ihren Schmaus<br />
und nahm den Pfaffen Hof und Haus,<br />
um wieder Pfaffen ’nein zu pflanzen,<br />
die nur in allem Grund der Sachen<br />
mehr schwätzen, weniger Grimassen machen.<br />
J.W. von Goethe<br />
(aus dem Fragment: Der ewige Jude)<br />
188