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Dezember - Anwaltsblatt

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732<br />

MN<br />

„ohne Bedenken“ beurteilt, 1948 im Entnazifizierungsverfahren<br />

wegen seiner Denunziationen als „der gefährlichste<br />

Nationalsozialist unter den hiesigen Anwälten“ charakterisiert,<br />

findet der Betroffene trotz deutlicher Zweifel der Justizverwaltung<br />

1962 „wärmste Unterstützung“ der Kammer<br />

für Glückwünsche zum Berufsjubiläum. 94<br />

Wenn Betroffene nachträglich ihre eigene Rolle im Nationalsozialismus<br />

beschönigen, beruht das häufig auf einer<br />

Amnesie wie einer Selbstamnestierung. 1934 erreicht ein<br />

Anwalt und Notar seine Zulassung, da er 1933 trotz formeller<br />

Zugehörigkeit zur SPD als Bürgermeister entlassen sei,<br />

jedoch durch Eintritt in Arbeitsdienst, SA und BNSDJ seinen<br />

Willen zur Mitarbeit gezeigt habe. Die Kammer hatte<br />

ihn abgelehnt und als „politischen Wandervogel“ bezeichnet,<br />

„der seine Anschauungen jeweils danach einrichtet,<br />

wie es seinem persönlichen Fortkommen förderlich ist.“<br />

Konsequent erreicht er 1945 seine Wiederbestellung als<br />

Notar mit der Begründung, die Partei habe ihn als Nichtparteigenossen<br />

aus dem Amt gedrängt und seine Ernennung<br />

zum Notar verhindert. 95<br />

Als sich 1946 ein chronisch Alkoholkranker als Rechtsanwalt<br />

ausgibt, vorspiegelt, in Vernichtungslager gebracht<br />

worden zu sein, Massentötungen miterlebt, Todgeweihte gerettet<br />

zu haben und als Folge seine Zulassung erreicht,<br />

spricht ihn das Landgericht 1954 wegen Schuldunfähigkeit<br />

vom Vorwurf des versuchten Betruges frei. Auch geistig<br />

Gesunde würden „mitunter eine Begebenheit aus den verschiedensten<br />

Anlässen so oft unwahr oder übertrieben erzählen,<br />

bis sich ihr Erinnerungsbild an die Begebenheit so<br />

verwischt hat, dass sie schließlich an die Richtigkeit ihrer<br />

Erzählung selbst glauben, ja von ihr überzeugt sind.“ 96 Die<br />

Flucht in eine „bequemere Wirklichkeit“ und der schließliche<br />

Glaube an die eigene, immer wieder erzählte Geschichte<br />

sind als allgemeine Phänomene bekannt. 97 Bezogen<br />

auf das Verhalten einer Berufselite im Nationalsozialismus,<br />

geben zeitgeschichtliche Detailuntersuchungen Aufschluss<br />

über Handlungsspielräume und Mitverantwortung, über den<br />

Grad der Anpassung und Verweigerung. Sie führen zu unbequemeren,<br />

dafür um so notwendigeren Einsichten.<br />

94 Strafverfügung v. 28.8.1944, Beurteilungen durch den LGPr Hannover im PB v.<br />

1.6.1944 und wegen des Verfahrens bereits zurückhaltender durch den OLGPr<br />

v. 4.7.1944 sowie Votum der RAK v. 5.3.1962 gegenüber dem OLGPr in OLG<br />

Celle, PA 10 B 34, 90 ff., PB, 121, Aussage des RA L. am 23.11.1948 im Entnazifizierungsverfahren<br />

in Nds. HStArch, Nds. 171 Hann. Nr. 24285, o.P.<br />

95 Zulassungsgesuch v. 15.11.1934, abl. Votum der RAK v. 5.1.1935 und Zulassungsgesuch<br />

v. 22.10.1945 in OLG Celle, PA 10 J 20, Bl. 1, 19, 44.<br />

96 Urteil des LG Bückeburg v. 9.2.1954 in OLG Celle, PA 10 W 117, Bl. 108,<br />

114 R .<br />

97 Primo Levi, Ist das ein Mensch?, 1988, S. 8.<br />

AnwBl 12 /2005<br />

Lücken in der Auslandsdeckung<br />

der Berufshaftpflichtversicherung<br />

von<br />

Rechtsanwälten *<br />

Rechtsanwältin Dr. Brigitte Borgmann, München<br />

Aufsätze<br />

Haftpflichtansprüche mit Auslandsdeckung sind in der Berufshaftpflichtversicherung<br />

des Anwalts regelmäßig ausgeschlossen.<br />

Die Tücke steckt im Detail. Die Lücken sind<br />

versteckt – und können auch kleinere Kanzleien treffen.<br />

Der Beitrag gibt einen Überblick.<br />

1. Pflichtversicherung<br />

1.1 Grundsätzlicher Umfang<br />

Die Berufshaftpflichtversicherung der Anwälte ist seit<br />

dem Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte<br />

und der Patentanwälte vom 2.9.1994 1 eine Pflichtversicherung.<br />

Nach § 51 BRAO ist der Rechtsanwalt verpflichtet,<br />

eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung<br />

der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren<br />

für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung<br />

während der Dauer seiner Zulassung aufrecht zu<br />

erhalten. Der Versicherer muss im Inland zugelassen sein,<br />

seine Bedingungen muss er nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes<br />

beim Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen<br />

eingereicht haben. Die Mindestversicherungssumme<br />

beträgt 250.000 E für jeden<br />

Versicherungsfall und kann auf den vierfachen Betrag innerhalb<br />

eines Versicherungsjahres begrenzt werden (§ 51<br />

Abs. 1 u. 3 BRAO).<br />

1.2 Ausnahmen bei vom Gesetzgeber nicht als typisch eingestufter<br />

Anwaltstätigkeit<br />

Internationale Anwaltszusammenschlüsse, Anwaltsniederlassungen<br />

im Ausland und die Beschäftigung mit außereuropäischem<br />

Recht erschienen dem Gesetzgeber der<br />

BRAO von 1994 als zu exotisch, um in die alle deutschen<br />

Rechtsanwälte treffende Pflichtversicherung der Rechtsanwälte<br />

aufgenommen zu werden 2 . § 51 Abs. 3 Ziff. 2–4<br />

BRAO sehen deshalb Ausnahmemöglichkeiten vor, denen<br />

die Berufshaftpflichtversicherer ausnahmslos gefolgt sind.<br />

Für die Ausschlüsse wird in aller Regel der Wortlaut des<br />

Gesetzes verwendet. Hieran kann und muss man sich folglich<br />

bei Auslegungsschwierigkeiten halten.<br />

1.3 Ausschlüsse in § 4 Ziff. 1 AVB<br />

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sehen regelmäßig<br />

den Ausschluss von Haftpflichtansprüchen mit<br />

Auslandsbezug vor. War dies früher in den Allgemeinen<br />

* Der Beitrag beruht auf dem Vortrag der Autorin auf dem 56. Deutschen Anwaltstag<br />

am 5. Mai 2005 in Dresden in der Veranstaltung der AG Versicherungsrecht<br />

im DAV.<br />

1 BGBl I 2278.<br />

2 BT-Drucks. 12/4993, 31.

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