Dezember - Anwaltsblatt
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AnwBl 12/2005 733<br />
Aufsätze MN<br />
Versicherungsbedingungen geregelt, so ist heute – zumindest<br />
in dem mir vorliegenden neuesten Bedingungswerk der<br />
Allianz (AVB-RSW gültig seit 1.1.2003) – die spezielle Regelung<br />
für die jeweiligen rechtsberatenden Berufe: Rechtsanwälte,<br />
Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, in angefügten besonderen<br />
Bedingungen enthalten.<br />
Danach sind nach den Bedingungen für Rechtsanwälte<br />
und Patentanwälte (BBR-RA Nr. 2.1.) nicht versichert Haftpflichtansprüche<br />
aus Tätigkeiten<br />
9 über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene<br />
Kanzleien oder Büros,<br />
9 im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung<br />
mit außereuropäischem Recht,<br />
9 des Rechtsanwalts vor außereuropäischen Gerichten.<br />
1.4 Inanspruchnahme des Anwalts vor außereuropäischen<br />
Gerichten<br />
Nicht aus § 51 BRAO stammt hingegen eine auf die Mindestversicherungssumme<br />
– also 250.000 E – beschränkte Deckung<br />
bei Inanspruchnahme des Anwalts vor außereuropäischen<br />
Gerichten. Die BRAO verpflichtet den Anwalt<br />
jedoch nicht nur zum Abschluss eines Versicherungsvertrages<br />
mit der Mindestversicherungssumme – dies ist Voraussetzung<br />
für seine Zulassung als Rechtsanwalt in Deutschland<br />
gem. §§ 51 Abs. 3, 12 Abs. 2, 14 Abs. 2 Ziff. 9 BRAO<br />
–, sondern dazu, eine Berufshaftpflicht zur Deckung der<br />
sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren<br />
für Vermögensschäden abzuschließen (§ 51 Abs. 1 S. 1<br />
BRAO). Wer sich also unversehens einer Klage in Amerika<br />
ausgesetzt sieht, obwohl er nur in Deutschland über deutsches<br />
Recht beraten hat, mag sich fragen, ob sein Deckungsschutz<br />
zu Recht auf die Mindestversicherungssumme<br />
beschränkt ist, wenn er ansonsten eine seiner<br />
Berufstätigkeit angemessene höhere Versicherungssumme<br />
gewählt hat. Immerhin ist diese Bedingung bereits nachgebessert<br />
worden. In früheren Bedingungswerken gab es –<br />
wie es in der Standarddeckung der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer<br />
immer noch ist – überhaupt keinen Deckungsschutz<br />
bei Inanspruchnahme vor außereuropäischen Gerichten.<br />
Ein solcher Ausschluss ist für Rechtsanwälte jedoch<br />
angesichts der abschließenden Regelungen des § 51 Abs. 3<br />
BRAO nicht möglich3 . Knappmann/Voit vertreten – soweit<br />
ersichtlich als Einzige – im Kommentar von Prölss/Martin<br />
zum VVG4 die Auffassung, der Ausschluss von Ansprüchen,<br />
„welche vor ausländischen Gerichten geltend gemacht<br />
werden“, könne vernünftigerweise nicht nach Art einer<br />
auflösenden Bedingung dahin verstanden werden, dass<br />
der Versicherer Ansprüche so lange abzuwehren oder zu<br />
befriedigen habe, wie sie nicht vor einem ausländischen<br />
Gericht geltend gemacht würden, dass er aber frei werde,<br />
sobald das geschähe. Nach Sinn und Zweck erkennen die<br />
genannten Autoren hier nur eine fehlende Kostenerstattungspflicht<br />
für die Kosten des ausländischen Prozesses als<br />
gegeben und sie sehen den Versicherer an das ausländische<br />
Urteil nicht gebunden. Man mag das für diskussionswürdig<br />
halten. Angesichts der strikten Ausschlüsse für ausländisches<br />
Recht und der auf den europäischen Rechtsraum<br />
beschränkten Wiedereinschlüsse bei den anderen Berufsgruppen<br />
und angesichts der expliziten Beschränkung auf<br />
die Mindestversicherungssumme bei Rechtsanwälten erscheint<br />
eine solche Deutung kühn und die Heranziehung<br />
der Vernunft gegen den unmissverständlich zum Ausdruck<br />
gekommenen Willen der Versicherer eine gewagte Aus-<br />
legungsmethode, auch wenn das Reichsgericht sie grundsätzlich<br />
für die Auslegung von AVB anerkannt hat.<br />
Man kann festhalten, dass es hier Deckungslücken gibt,<br />
ob sie einer Inhaltsprüfung stand halten und ob sie, zumindest<br />
bei Rechtsanwälten, unter Umständen dem Verdikt der<br />
überraschenden Klausel anheim fallen, mag dahingestellt<br />
bleiben.<br />
1.5 Risikoausschlüsse<br />
Unbestritten ist, dass es sich bei den vorgenannten Ausschlüssen<br />
um echte Risikoausschlüsse und nicht um verhüllte<br />
Obliegenheiten handelt. Sie sind strikt auszulegen.<br />
Umkehrschlüsse sind deshalb erlaubt: Was nicht ausgeschlossen<br />
ist, ist grundsätzlich eingeschlossen und vom<br />
Versicherungsschutz umfasst.<br />
1.5.1 So z.B. die Tätigkeit eines deutschen Anwalts mit<br />
Büro in Brüssel, der seinen ausländischen Mandanten nicht<br />
von seinem Brüsseler Büro aus, sondern von seinem Büro<br />
in Aachen aus oder in einer Hotelsuite in Paris berät. Hier<br />
besteht Deckungsschutz, wenn keine anderweitigen Ausschlüsse<br />
greifen, weil die Beratung nicht über das ausländische<br />
Büro erfolgt ist.<br />
1.5.2 Und was ist, wenn der Anwalt nicht bemerkt, dass<br />
entgegen dem Wortlaut des Vertrages, den er für seinen<br />
Mandanten kündigen soll, amerikanisches Recht zum Zuge<br />
kommt? In der Ausschlussklausel der Ziff. 2b BBR-RA<br />
sind ausgeschlossen Haftpflichtansprüche aus Tätigkeiten<br />
in Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit<br />
außereuropäischem Recht. Hat sich dieser Zusammenhang<br />
dem Blick des deutschen Anwalts entzogen, etwa weil der<br />
Vertrag unter Kaufleuten die Anwendung deutschen Rechts<br />
und die Wahl eines deutschen Gerichtsstands vorsah, so<br />
muss also Deckung gewährt werden. Dies auch dann, wenn<br />
sich überraschenderweise herausstellt, dass ein Richter in<br />
Amerika genügend Anhaltspunkte dafür findet, seine Zuständigkeit<br />
zu bejahen und das Recht dieses Staates weder<br />
Prorogation noch Rechtswahl anerkennt. Da in Wahrheit<br />
eine Beschäftigung mit außereuropäischem Recht im wörtlichen<br />
Sinne durch den Anwalt nicht stattgefunden hat,<br />
muss Deckung nach Ziff. 2.1b BBR-RA gewährt werden.<br />
Anders lesen sich die Ausschlüsse für Steuerberater und<br />
Wirtschaftsprüfer, nach denen sich der Ausschluss an Verletzung<br />
oder Nichtbeachtung ausländischen Rechts knüpft.<br />
Die Nichtbeachtung eines fremden Rechts ist grundsätzlich<br />
etwas anderes als die Beschäftigung damit und die Beratung<br />
darüber. Die unterschiedliche Wortwahl ist, ebenso<br />
wie sonstige Deckungsunterschiede zwischen der Pflichtversicherung<br />
der Wirtschaftsprüfer, der Steuerberater und<br />
der Rechtsanwälte, vor allem historisch bedingt und auf die<br />
unterschiedlichen Vorgaben des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers<br />
zurückzuführen (§ 51 BRAO; § 4 WPBHV = Wirtschaftsprüfer-Berufshaftpflichtversicherungsverordnung;<br />
§ 53 DVStB = Verordnung zur Durchführung der Vorschriften<br />
über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften).<br />
Ob man mit unterschiedlichen Auslegungsmethoden<br />
zu einem gleichen Deckungsergebnis für<br />
alle Versichertengruppen bei Verkennung der Anwendbarkeit<br />
eines ausländischen Rechts käme, kann ich nicht voraussehen.<br />
3 Martin van Bühren, Die Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, Diss.<br />
Bonn 2003, S. 130, unter Berufung auf Brieske, Berufshaftpflichtversicherungen,<br />
AnwBl 1995, 225/229.<br />
4 27. Aufl. 2004, Rz. 2 zu § 4 AVG Vermögen/WB.