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Dezember - Anwaltsblatt

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AnwBl 12/2005 739<br />

Aufsätze MN<br />

bezog. Der Fehler bestand folglich in der falschen Auslegung<br />

der deutschen Kollisionsnorm, die Lösung in der<br />

Qualifizierung der prozessrechtlich ausgestalteten limitation<br />

of actions angelsächsischer Provenienz als Verjährung.<br />

Unser Beispielsfall ist dagegen nicht von einem Normenmangel<br />

geprägt, sondern von einem Normenüberschuß.<br />

DenndasinArt.229§6Abs.1S.1EGBGBfüranwendbar<br />

erklärte neue (Regel-)Verjährungsrecht kennt im Gegensatz<br />

zum alten nicht nur eine maßgebliche Frist, sondern<br />

deren drei: die subjektiv angeknüpfte dreijährige (Regel-)<br />

Verjährung (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) sowie zwei sogenannte<br />

Höchstfristen: die objektiv angeknüpfte zehnjährige<br />

Verjährung ab Entstehung des Anspruchs (§ 199 Abs. 3<br />

S. 1 Nr. 1, Abs. 4 BGB) und die an das den Schaden auslösende<br />

Ereignis anknüpfende Verjährung von dreißig Jahren<br />

(§ 199 Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 2 BGB). Die Schwäche des<br />

maßgeblichen Übergangsregimes beruht nun aber gerade<br />

auf der unbesehenen Übernahme der tradierten Regelungen<br />

in Art. 169, 231 § 6 EGBGB, die einen vergleichbaren Statutenwechsel<br />

nicht zu bewältigen hatten. 19<br />

Vergleicht man das alte mit dem neuen Recht, stellt man<br />

fest, dass die Anknüpfung der neuen zehnjährigen Frist<br />

weitgehend mit der der alten dreißigjährigen Regelverjährung<br />

korrespondiert. Wird aber in Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2<br />

EGBGB für den Beginn der Frist auf das alte Recht und damit<br />

auf § 198 S. 1 BGB a. F. verwiesen, spricht bei der Auslegung<br />

der Verweisung auf „die Vorschriften des Bürgerlichen<br />

Gesetzbuchs über die Verjährung“ in Art. 229 § 6<br />

Abs. 1 S. 1 EGBGB alles dafür, dass damit die Regelungen<br />

gemeint sind, die als Verjährungsvorschriften im bisherigen<br />

Sinne zu qualifizieren sind; mit anderen Worten: Die in ihrer<br />

Ausgestaltung dem bisherigen Recht am weitestgehenden<br />

entsprechen. Dieses Ergebnis wäre unzweifelhaft,<br />

wenn sich der Gesetzgeber entschlossen hätte, die ihrer<br />

Ausgestaltung und Zielrichtung nach unterschiedlichen<br />

(Verjährungs-)Tatbestände in §§ 195, 199 BGB als unterschiedliche<br />

Rechtsinstitute auszugestalten. 20<br />

Aber auch wenn dies bisher nicht geschehen ist und die<br />

einzelnen Fristen nur als unterschiedliche Fallgruppen ein<br />

und desselben Rechtsinstituts erscheinen, lassen sich kollisionsrechtlich<br />

befriedigende Ergebnisse nur erzielen, wenn<br />

man beim Statutenwechsel nur die jeweils vergleichbar ausgestaltete<br />

Fallgruppe berücksichtigt. 21 Um dies auch sprachlich<br />

zum Ausdruck zu bringen, soll daher im folgenden<br />

eine im weitesten Sinne subjektiv angeknüpfte Verjährung<br />

als Verschweigung bezeichnet werden. 22 Das bedeutet konkret,<br />

dass in unserem Ausgangsfall an die Stelle der dreißigjährigen<br />

Regelverjährung nach § 195 BGB a. F. die zehnjährige<br />

Frist für Schadensersatzansprüche nach § 199<br />

Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB getreten ist, die ebenfalls ab der Entstehung<br />

des Anspruchs zu laufen beginnt. Der Anspruch<br />

unseres Anlegers aus culpa in contrahendo verjährt damit<br />

kenntnisunabhängig mit Ablauf des 31.12.2011 (vgl.<br />

Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB).<br />

Das bedeutet aber nicht, dass die Verschweigung im<br />

Sinne von § 199 Abs. 1 BGB für unseren Fall ohne Bedeutung<br />

ist. Denn die Verweisung auf die lex prior bezüglich<br />

des Beginns der Verjährung in Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2<br />

EGBGB gilt nur, wenn die Frist bereits vor dem 1.1.2002<br />

zu laufen begonnen hat. Da es im Bereich der Regelverjährung<br />

nach bisherigem Recht aber keine Verschweigung gab,<br />

die vor dem 1.1.2002 zu laufen begonnen hat, wird die nunmehr<br />

dreijährige Regelverjährung entsprechend § 199<br />

Abs. 1 BGB in Gang gesetzt. Lag die (damals rechtlich<br />

noch belanglose) Kenntnis schon vor dem 1.1.2002 vor, ist<br />

Verjährung am 1.1.2005 eingetreten; 23 lag sie noch nicht<br />

vor, beginnt die Frist zum Jahresultimo ab der Kenntnis<br />

bzw. der grob fahrlässigen Unkenntnis. In unserem Beispiel<br />

würde die (kenntnisabhängige) Verschweigung daher Ende<br />

2006 bzw. 2008 eintreten. Damit wird auch dem in Art. 229<br />

§ 6 Abs. 1 S. 1 EGBG ausgedrückten Anliegen des Gesetzgebers,<br />

die neurechtliche Verschweigung möglichst bald für<br />

anwendbar zu erklären, Genüge getan.<br />

4. Bedeutung für deliktische Schadensersatzansprüche<br />

Diese Lösung führt schließlich auch bei der Überleitung<br />

der deliktischen Sonderverjährung des § 852 Abs. 1 BGB<br />

a. F. zu sachgerechten Ergebnissen. Da insoweit schon die<br />

lex prior an die Entstehung des Schadens (und damit des<br />

Anspruchs) sowie die entsprechende Kenntnis angeknüpft<br />

hat, lag hier schon früher eine Verschweigung vor. Art. 229<br />

§ 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB ist in diesem Fall daher als Verweis<br />

auf die ebenfalls subjektiv angeknüpfte Regelverjährung<br />

nach § 195 BGB zu verstehen. Da sich an der Quantifizierung<br />

des Zeitmoments aber nichts geändert hat, zeitigt der<br />

Statutenwechsel hier keinerlei praktische Konsequenzen.<br />

Für den Beginn der dreijährigen Verschweigung kommt<br />

es bei altrechtlichen Ansprüchen nach Art. 229 § 6 Abs. 1<br />

S. 1 EGBGB dagegen bis zum 31.12.2001 auf die tatsächliche<br />

Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen<br />

an (§ 852 Abs.1 BGB a. F.), 24 während ab dem<br />

1.1.2002 auch die grob fahrlässige Unkenntnis genügt<br />

(§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Lag diese (damals rechtlich noch<br />

belanglose) grob fahrlässige Unkenntnis bereits vor dem<br />

1.1.2002 vor, sind deliktische Ansprüche am 1.1.2005 verjährt.<br />

25 Da es eine kenntnisunabhängige, nur an den Eintritt<br />

des Schadens und damit die Entstehung des Anspruchs geknüpfte<br />

Verjährung für deliktische Ansprüche bisher nicht<br />

gab, läuft es bei altrechtlichen Ansprüchen gegebenenfalls<br />

parallel auch insoweit seit dem 1.1.2002 die zehnjährige<br />

Verjährung nach § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB. 26<br />

19 So zutreffend bereits Heß, NJW 2002, 253 (258) in Fußn. 64.<br />

20 So de lege ferenda namentlich Piekenbrock (o. Fußn. 1), § 19.<br />

21 Dies korrespondiert mit der Auffassung von Heß, NJW 2002, 253 (258), das<br />

neue Verjährungssystem sei als Einheit zu sehen und dürfe bei der intertemporalen<br />

Anknüpfung nicht aufgespalten werden.<br />

22 So de lege ferenda Piekenbrock (o. Fußn. 1), § 19 III, § 26.<br />

23 Insoweit ist hier der herrschenden Meinung zu folgen, die die Jahresultimoregelung<br />

nur anwenden will, wenn die nach § 199 Abs. 1 BGB maßgeblichen<br />

Umstände im Laufe eines Jahres eingetreten sind. Dieses Ergebnis wird bei<br />

der hier vorgeschlagenen Lösung auch dadurch bestätigt, dass Art. 229 § 6<br />

Abs. 4 S. 1 EGBGB, der den 1.1.2002 statuiert, hier gar nicht anwendbar ist,<br />

weil es eine subjektiv angeknüpfte Verjährungsfrist, die durch den Statutenwechsel<br />

hätte verkürzt werden können, zuvor gar nicht gab.<br />

24 Vgl. in diesem Sinne auch Peters (o. Fußn. 3), Rdnr. 15.<br />

25 So auch Budzikiewicz/Mansel (o. Fußn. 3), Rdnr. 44.<br />

26 So auch Heß, NJW 2002, 253 (258).

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