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Dezember - Anwaltsblatt

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AnwBl 12/2005 741<br />

Aufsätze MN<br />

§ 4 f Abs. 2 BDSG verlangt, dass der Datenschutzbeauftragte<br />

die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderliche<br />

Fachkunde und Zuverlässigkeit besitzt. Was diese Anforderungen<br />

im Einzelnen bedeuten, soll an dieser Stelle nicht<br />

vertieft werden. 13 Die Frage, ob ein externer Datenschutzbeauftragter<br />

mit der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht<br />

vereinbar ist, ist wohl zu verneinen, soll aber gleichfalls<br />

hier nicht näher ausgeführt werden. 14<br />

II. Die Aufsichtsbehörde<br />

Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es, als externe Kontrollinstanz<br />

über die Ausführung des Bundesdatenschutzgesetzes<br />

zu wachen, § 38 Abs. 1 BDSG. Die Aufsichtsbehörde<br />

wird durch die jeweilige Landesregierung<br />

bestimmt 15 und ist befugt, Geschäftsräume der überwachten<br />

Stelle zu betreten, dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen,<br />

insbesondere die gespeicherten personenbezogenen<br />

Daten und die Datenverarbeitungsprogramme<br />

einzusehen, § 38 Abs. 4 BDSG. Seit der Novelle des BDSG<br />

im Jahre 2001 sind auch anlassunabhängige Kontrollen<br />

möglich, hinreichende Anhaltspunkte für eine Verletzung<br />

des BDSG sind nicht mehr erforderlich.<br />

Für Rechtsanwälte problematisch ist die Einsichtnahme<br />

der Behörde in personenbezogene Daten. § 38 Abs. 4 S. 3<br />

BDSG sieht ausdrücklich vor, dass Daten, die einem Berufs-<br />

oder Amtsgeheimnis unterliegen, ebenfalls unter diese<br />

Regelung fallen. 16 Die Aufsichtsbehörde kann also anlassunabhängig<br />

die Kanzlei eines Anwalts betreten und Einsicht<br />

in die dort gespeicherten Daten verlangen. Dass diese<br />

Befugnisse im Widerspruch zum anwaltlichen Berufsgeheimnis<br />

stehen, muss nicht näher ausgeführt werden.<br />

1. Subsidiarität der Befugnis zur Dateneinsicht gegenüber<br />

anwaltlichem Berufsrecht?<br />

Rüpke löst den Konflikt über die Subsidiaritätsregelung<br />

des § 1 Abs. 3 BDSG. 17 Nach dieser Vorschrift bleibt die<br />

Verpflichtung zur Wahrung von Berufsgeheimnissen unberührt.<br />

Rüpke ist der Ansicht, dies lege eine restriktive Auslegung<br />

der Auskunftspflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde<br />

nahe. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht,<br />

die in § 43 a Abs. 2 BRAO Niederschlag gefunden hat, sei<br />

eine solche Verpflichtung im Sinne der Vorschrift. Das<br />

habe zur Folge, dass § 38 Abs. 4 S. 3 BDSG nicht entsprechend<br />

auf die Regelungen zur Auskunftspflicht anwendbar<br />

sei. Andernfalls sei der Anwalt der Exekutive gegenüber<br />

weit weniger geschützt als gegenüber gerichtlichen Untersuchungen.<br />

18<br />

Dieses Verständnis ist mit der Systematik des BDSG unvereinbar.<br />

§ 38 Abs. 4 S. 3 verweist über § 24 Abs. 6 auf<br />

§ 24 Abs. 2 Nr. 2 BDSG. Danach bezieht sich die Auskunftspflicht<br />

ausdrücklich auch auf Daten, die einem Berufsgeheimnis<br />

unterliegen. Diese spezielle Regelung würde<br />

leer laufen, wenn Berufsgeheimnisse über die allgemeine<br />

Vorschrift des § 1 Abs. 3 BDSG wieder von der Auskunftspflicht<br />

ausgenommen würden. Das widerspräche der Systematik<br />

und dem Zweck der beiden Vorschriften.<br />

2. Verletzung des Zitiergebots<br />

Soweit ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines<br />

Gesetzes eingeschränkt wird, muss das Gesetz das<br />

Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen, Art. 19<br />

Abs. 1 S. 2 GG. Rüpke ist der Ansicht, die Vorschrift des<br />

§ 38 Abs. 4 BDSG verletze das Zitiergebot und sei daher<br />

nichtig; verletzt sei das Grundrecht der Unverletzlichkeit<br />

der Wohnung. 19 Die Aufsichtsbehörde ist befugt, während<br />

der Betriebs- und Geschäftszeiten Grundstücke und Geschäftsräume<br />

zu betreten und dort Prüfungen und Besichtigungen<br />

vorzunehmen, § 38 Abs. 4 BDSG. Doch ein Eingriff<br />

in den Schutzbereich des Art. 13 GG scheidet aus: 20<br />

Zwar fallen Betriebs- und Geschäftsräume unter seinen<br />

Schutz, 21 das gilt allerdings nur eingeschränkt. Gesetzliche<br />

Betretungs- und Besichtigungsrechte von Behörden tangieren<br />

den Schutzbereich des Art. 13 GG nicht, da sie lediglich<br />

ein Annex behördlicher Überwachungs- und Kontrollbefugnisse<br />

sind. 22 Folglich bedarf es auch keines Zitats<br />

nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG.<br />

3. Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung<br />

In Betracht zu ziehen ist allerdings eine Verletzung des<br />

Grundrechts, das die Grundlage des Datenschutzrechts<br />

schlechthin ist: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.<br />

23 Die Aufsichtsbehörde kann ohne konkreten Anlass<br />

Einsicht in sämtliche Daten nehmen, die der Mandant seinem<br />

Rechtsanwalt anvertraut hat. Dies stellt ohne Zweifel<br />

einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Position aus<br />

Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG dar.<br />

Die Qualität des Grundrechtseingriffs beurteilt sich nach<br />

dessen verfassungsrechtlicher Rechtfertigung. Die Anforderungen,<br />

die an eine solche Rechtfertigung gestellt werden,<br />

sind umso höher, je sensibler die betroffenen Daten sind. 24<br />

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1972 in einem Beschluss<br />

über die Beschlagnahme von Krankenakten ohne<br />

den Willen des Betroffenen zu entscheiden. 25 Bereits damals<br />

hatte es festgestellt, dass derart sensible Daten grundrechtlich<br />

geschützt und damit einem staatlichen Zugriff entzogen<br />

sind. Die Rechtfertigung eines Eingriffs ließ das<br />

BVerfG unter engen Voraussetzungen zu: Nur wenn zwingende<br />

Belange des Gemeinwohls es geböten, müssten<br />

schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen<br />

zurücktreten.<br />

Wie sieht es im Fall der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde<br />

aus? Die Regelungen der externen Datenschutzkontrolle<br />

dienen der effektiven Umsetzung und Einhaltung<br />

des Bundesdatenschutzgesetzes und anderer<br />

bereichsspezifischer datenschutzrechtlicher Gesetze. 26<br />

Diese Aufsichtsfunktion mag zwar im Normalfall der Datenverarbeitung<br />

durch Private sinnvoll sein. Sie trägt jedoch<br />

besonderen Vertrauensverhältnissen – wie hier zwischen<br />

Mandant und Anwalt – keine Rechnung. Ein Großteil der<br />

13 Siehe dazu Schöttle, 210 ff.<br />

14 Auch dazu näher Schöttle, 212 f.<br />

15 § 38 Abs. 6 BDSG. Eine Übersicht der unterschiedlich ausgefallenen Kompetenzzuweisungen<br />

findet sich bei Gola/Schomerus, § 38, Rn. 29.<br />

16 § 38 Abs. 4 S. 3 i. V. m. § 24 Abs. 6 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 BDSG.<br />

17 Rüpke, AnwBl 2003, 21.<br />

18 Rüpke, AnwBl 2003, 21.<br />

19 Rüpke, AnwBl 2003, 21.<br />

20 Anders jedoch Zuck in: Abel, 34 f.<br />

21 Papier in: Maunz-Dürig, GG, Art. 13, Rn. 13.<br />

22 Papier in: Maunz-Dürig, Art. 13, Rn. 15; BVerfG, Entscheidung vom<br />

13.10.1971, 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 75.<br />

23 BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u. a., BVerfGE 65, 43 („Volkszählungsurteil“).<br />

24 Di Fabio in: Maunz-Dürig, Art. 2, Rn. 181.<br />

25 BVerfG, Beschluss vom 8.3.1972, 2 BvR 28/71, BVerfGE 32, 373.<br />

26 Vgl. § 38 Abs. 1 BDSG.

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