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Dezember - Anwaltsblatt

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MN<br />

leicht etwas Aktuelles über ein frisches Grundsatzurteil<br />

schreiben muss. Dann rückt unerbittlich der Redaktionsschluss<br />

heran. Oder wenn er – auch das bleibt den Fachredakteuren<br />

seit der Wirtschaftskrise nationaler Tageszeitungen<br />

nicht immer erspart – für ein paar Stunden in ein<br />

Großraumbüro umziehen und mithelfen muss, beispielsweise<br />

die allesamt gleichzeitig einlaufenden Texte der Auslandskorrespondenten<br />

zu redigieren. Von den Lesern, die zu<br />

wirklich jeder Tageszeit wegen ihrer privaten Rechtsfragen<br />

anrufen oder über die Steuerpolitik der Regierung diskutieren<br />

wollen, ganz zu schweigen.<br />

Ideal aus Mediensicht ist somit ein Ansprechpartner, der<br />

ein voll ausgebildeter Jurist und Journalist gleichzeitig ist.<br />

Der kennt die Arbeitsprozesse auf beiden Seiten und ist<br />

deshalb der optimale Intermediär. Er weiß, wie man eingängig,<br />

lesbar und verständlich schreibt. Er kann aber bei<br />

der Vermarktung auch kompetent erklären, worum es in<br />

dem avisierten Text gehen soll. All das hilft allerdings<br />

nichts, wenn er sich bei den Partnern seiner Sozietät nicht<br />

durchsetzen kann. Diese glauben nämlich als gestandene<br />

Wirt-<br />

Lesbar und verständlich schreiben –<br />

auch gestandene Anwälte scheitern<br />

schaftsanwälte oft, an ihren Texten wäre aus publizistischer<br />

Sicht rein gar nichts zu verbessern und schon gar nichts zu<br />

kürzen. Und ein Beitrag ließe sich gleichsam auf Geheiß in<br />

einer Zeitung „platzieren“. Gewiefte PR-Leute aus Kanzleien<br />

bitten dann übrigens schon einmal im Interesse ihres<br />

internen Standings ausdrücklich darum, einen solchen Text<br />

als „nicht abdruckfähig“ zurück zu schicken – als pädagogische<br />

Lektion für unbelehrbare Senior-Partner.<br />

Was rein gar nicht hilft, sind Ellenbogen-Methoden, mit<br />

denen es manche Anwälte gelegentlich höchstpersönlich<br />

am Telefon versuchen. Eine Zeitung ist zum Glück keine<br />

öffentlich-rechtliche Badeanstalt, die an das Gleichheitsgebot<br />

des Grundgesetzes gebunden wäre: Sie muss nicht jeden<br />

„reinlassen“. Und sie ist auch kein taff zu behandelnder<br />

Verhandlungspartner bei einer M&A-Transaktion. Beschwerden<br />

bei Vorgesetzten haben da noch nie etwas ausgerichtet,<br />

wenn jemand glaubte, der eigene Gastbeitrag sei<br />

für die Leser unverzichtbar, eine andere Kanzlei komme zu<br />

häufig ins Blatt oder nach dem eigenen (abgelehnten) Vorschlag<br />

eines Textes hätte die Redaktion nicht statt dessen<br />

ein Interview zu demselben (in der Luft liegenden) Thema<br />

mit einer wissenschaftlichen Kapazität führen dürfen.<br />

Ebenso nutzlos blieb das unverhohlene Angebot einer<br />

Geldzahlung. Wenig bringt es auch, eine ablehnende Mail<br />

quasi als Rechtsbehelfsbelehrung aufzufassen und postwendend<br />

dagegen an zu argumentieren. Es ist eigentlich<br />

schade, aber mittlerweile greift man als Redakteur deshalb<br />

immer mehr auf Textbausteine zurück und verzichtet auf<br />

eine inhaltliche Begründung für eine Absage, weil man für<br />

solchen Disput schlicht keine Zeit hat – auch wenn ein potenzieller<br />

Gastautor daraus vielleicht etwas hätte lernen<br />

können. Eine Tageszeitung ist eben keine wissenschaftliche<br />

Fachzeitschrift, wo ein Schriftleiter nichts anderes zu tun<br />

hat, als Autoren zu hegen und zu pflegen. Nicht förderlich<br />

ist auch die häufig aufgestellte (und nur gelegentlich zutreffende)<br />

Behauptung, ein anderer Gastautor oder eine Redaktion<br />

selbst habe irgendein Rechtsproblem dermaßen falsch<br />

dargestellt, dass nun prompt ein korrigierender „Gegenbeitrag“<br />

durch den Einsender zu publizieren sei.<br />

AnwBl 12 /2005<br />

Aufsätze<br />

Ein bisschen Charme und Gelassenheit helfen jedenfalls<br />

überall im Leben eher weiter als die Penetranz eines Staubsaugervertreters.<br />

Diese begegnet einem selbst bei namhaften<br />

Anwälten, die gelegentlich aus dem Auto heraus mit ihrem<br />

knacksenden Handy anrufen oder über ihre Sekretärin<br />

auf dem Anrufbeantworter der Redaktion ohne nähere Angaben<br />

einen Rückruf erbitten lassen. Wenig effektiv ist es<br />

aber auch, wenn eine Kanzleiangestellte im Auftrag ihres<br />

Chefs anruft, um dem Redakteur ein Thema schmackhaft<br />

zu machen.<br />

Keinen besonders guten Eindruck macht es, wenn ein<br />

neuer Kanzleibeauftragter seinen Antrittsbesuch mit der<br />

Bitte verbindet, ihm doch einmal eine Rechtsseite der Zeitung<br />

zu zeigen. Ist die Vorstellung wirklich so abwegig,<br />

dass er sich das Presseorgan schon einmal anschaut, bevor<br />

er sich nach langfristiger Terminvereinbarung auf die weite<br />

Fahrt in dessen Redaktion macht? Wenig Erfolg verspricht<br />

es auch, stets prompt jene Themen anzubieten, die man an<br />

demselben Vormittag gerade auf den Rechtsseiten anderer<br />

Tageszeitungen entdeckt hat. Der Redakteur könnte sogar<br />

ein wenig in seinem Stolz verletzt sein, wenn er selbst dasselbe<br />

Thema bereits in der Woche zuvor groß rausgebracht<br />

hat. Gehen diese Kanzleien eigentlich genauso geschickt<br />

auch auf Mandanten-Akquise? Und zumindest nicht sonderlich<br />

elegant ist es, wenn in einer Mail die angeschriebene<br />

F.A.Z. als das bestmögliche Forum für einen Gastbeitrag<br />

oder ein Interview angepriesen wird, das Attachment aber<br />

beispielsweise „boersenzeitung.doc“ heißt. Unangebracht<br />

wirken auch Schreiben mit Fristsetzung und Aktenzeichen,<br />

als wäre die Redaktion der eigene Mandant oder ein Beklagter.<br />

Über die Länge eines Beitrags verhandeln zu wollen,<br />

ist überdies Journalisten gegenüber, denen von der Lay-<br />

Out-Abteilung im eigenen Haus mittlerweile klare<br />

Vorgaben für die Gestaltung ihrer Seiten gemacht werden<br />

(„Form vor Inhalt“), eine schlichte Zumutung.<br />

Die Medien interessieren sich beileibe nicht nur für populistische<br />

Sex- und Crime-Fälle – selbst Feinheiten des<br />

Sozialrechts haben manchen Anwalt in die Nachrichtenspalten<br />

gebracht. Doch Themenvorschläge sollten vom Advokaten<br />

selbst kommen; pauschale Anfragen nach etwaigen<br />

Arbeitsaufträgen führen wohl nie zum Erfolg. Wenig effektiv<br />

ist es auch, Gastbeiträge oder Stellungnahmen zu aktuellen<br />

Rechtsfragen mit einem aufwendigen Mechanismus der<br />

Autorisierung von Zitaten oder Redigaturen zu verbinden.<br />

So berechtigt diese Wünsche zur Vermeidung journalistischer<br />

Fehler wahrlich sein können, müssen sie doch in ihrer<br />

Umsetzung mit dem knappen Zeitbudget und dem Aktualitätsdruck<br />

eines tagesaktuellen Mediums vereinbar sein –<br />

und sollten daher nicht jedes Komma mit erfassen. Vor allem:<br />

Nicht jede inhaltliche Eventual-Absicherung und Ausnahmeklausel<br />

lässt sich in einem lesbaren Zitat mit übermitteln.<br />

Den berüchtigten „Kanzleistil“ werden Journalisten<br />

ihren Lesern, redigierenden Kollegen und Ressortleitern<br />

ohnehin nicht vermitteln können.<br />

V.<br />

Soweit dazu, wie man als Experte mit seinen Themen in<br />

die Zeitung kommt und wie nicht. Vielleicht bringen diese<br />

Erfahrungsberichte manchen ein wenig zum Schmunzeln.<br />

Wie steht es nun mit der Kanzlei als Wirtschaftsunternehmen,<br />

mit dem Anwaltsstand als Branche? Auch das ist zunehmend<br />

ein Fall für die Wirtschaftspresse – auch in<br />

Deutschland, wo das Bundesverfassungsgericht vor knapp<br />

20 Jahren die strengen Richtlinien der Zunft kassiert hat.

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