25.10.2012 Aufrufe

Dezember - Anwaltsblatt

Dezember - Anwaltsblatt

Dezember - Anwaltsblatt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

742<br />

MN<br />

Vorschriften des BDSG ist auf die anwaltliche Tätigkeit<br />

nicht anwendbar. 27 Der Anwalt kann Daten erheben, die,<br />

was ihre Vertraulichkeit und ihren Umfang angeht, nicht<br />

mit denen zu vergleichen sind, die ein einfacher Handelsbetrieb<br />

im Rahmen seiner täglichen Geschäfte erheben darf.<br />

Eine Situation, in der gegen gesetzliche Erhebungsbefugnisse<br />

oder gegen den Willen des Mandanten Informationen<br />

gesammelt werden, ist kaum vorstellbar. Aufgrund dieser<br />

erheblichen Einschränkungen der Anwendbarkeit des<br />

BDSG hat eine Datenschutzaufsicht nahezu keinen Regelungsgehalt.<br />

28 Die Aufsichtstätigkeit würde sich größtenteils<br />

auf technisch-organisatorische Einzelheiten beschränken. 29<br />

Das Interesse des Staates an einer effektiven Datenschutzkontrolle<br />

ist allerdings nicht das einzige, welches<br />

hier in die Waagschale zu werfen ist. Auch der Mandant<br />

hat in vielen Fällen ein erhebliches Interesse am Schutz seiner<br />

Daten vor dem Zugriff der Aufsichtsbehörde, etwa im<br />

Fall der Strafverteidigung. Die anlassunabhängigen Kontrollrechte<br />

der Aufsichtsbehörde gehen erheblich weiter als<br />

die Befugnisse eines Staatsanwalts im Ermittlungsverfahren,<br />

denn dieser benötigt eine richterliche Durchsuchungsanordnung.<br />

30<br />

Natürlich sind der Aufsichtsbehörde im Umgang mit<br />

den erhobenen Daten Grenzen gesetzt. § 38 Abs. 1 S. 2<br />

BDSG bestimmt, dass die Daten nur für Zwecke der Aufsicht<br />

verarbeitet und genutzt werden dürfen. Dennoch<br />

steckt in derart weitgehenden Machtbefugnissen auch ein<br />

Missbrauchspotenzial. Ob allein eine Zweckbindungsvorchrift<br />

einer zweckwidrigen Verwendung von Daten Einhalt<br />

gebieten kann, ist fraglich.<br />

Im Ergebnis kann die Abwägung von öffentlichen Interessen<br />

an einer Datenschutzaufsicht und dem Interesse des<br />

Bürgers an der Geheimhaltung seiner Informationen nur zu<br />

Lasten des BDSG ausfallen. Der Datenschutz wird zum<br />

bloßen Selbstzweck – wenn nicht gar in sein Gegenteil verkehrt<br />

–, wenn Informationen, die hoheitlichem Zugriff seit<br />

jeher aufgrund der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht<br />

entzogen waren, durch staatliche Aufsichtsbehörden eingesehen<br />

werden können, ohne dass im konkreten Fall eine<br />

Verletzung des Datenschutzrechts zu befürchten ist, geschweige<br />

denn überhaupt möglich wäre.<br />

4. Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit<br />

Neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />

des Mandanten ist auch das Grundrecht der Berufsfreiheit<br />

des Rechtsanwalts verletzt. Die von Art. 12 GG geschützte<br />

anwaltliche Berufsausübung wird, so das Bundesverfassungsgericht,<br />

durch den „Grundsatz der freien Advokatur<br />

gekennzeichnet, der einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung<br />

grundsätzlich entgegensteht“ 31 . Zur Unabhängigkeit<br />

des Rechtsanwalts von staatlichen Kontrollen führt das<br />

Gericht aus:<br />

„Es entspricht dem Rechtsstaatsgedanken und dient der<br />

Rechtspflege, dass dem Bürger schon aus Gründen der<br />

Chancen- und Waffengleichheit Rechtskundige zur Verfügung<br />

stehen, zu denen er Vertrauen hat und die seine Interessen<br />

möglichst frei und unabhängig von staatlicher Einflußnahme<br />

wahrnehmen können.“ 32<br />

Die latente Gefahr jederzeitiger und anlassunabhängiger<br />

behördlicher Überprüfungen steht einer nachhaltigen Entwicklung<br />

eines Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant<br />

und Anwalt im Wege. 33 Es ist dem Anwalt dann nicht möglich,<br />

dem Mandanten gegenüber als Garant eigener staatlicher<br />

Unabhängigkeit aufzutreten, was mit seinem berufli-<br />

AnwBl 12 /2005<br />

Aufsätze<br />

chen Selbstverständnis letztlich nicht vereinbar ist. Dies<br />

stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit<br />

des Anwalts dar, der sich, angesichts des nur<br />

eingehschränkt anwendbaren BDSG, nicht mit der Notwendigkeit<br />

staatlicher Kontrollbefugnisse rechtfertigen lässt.<br />

5. Zwischenergebnis<br />

Ein vollständiger Verzicht auf eine Datenschutzkontrolle<br />

ließe zwar das Recht des Mandanten auf informationelle<br />

Selbstbestimmung unangetastet, würde aber den Datenschutz<br />

allein der Selbstkontrolle in der Kanzlei überantworten.<br />

Eine externe Prüfung kann jedoch sinnvoll sein, etwa<br />

um die Einhaltung organisatorischer Pflichten sicherzustellen,<br />

beispielsweise die Sicherung von Daten vor dem Zugriff<br />

durch Unbefugte.<br />

Eine zu begrüßende Lösung wäre es, die Datenschutzaufsicht<br />

in die Hand der Anwaltskammern zu legen. 34<br />

Schon vor einiger Zeit wurde vorgeschlagen, die BRAO um<br />

eine solche Regelung zu ergänzen 35 Ein einzufügender<br />

§ 50 a BRAO ermächtigt die Anwaltskammern, bei hinreichendem<br />

Missbrauchsverdacht die Datenverarbeitung und<br />

-nutzung eines Rechtsanwalts zu überprüfen. Wie auch in<br />

§ 38 BDSG wird der Anwaltskammer ein Besichtigungsund<br />

Prüfungsrecht eingeräumt. Eine Einsichtnahme in gespeicherte<br />

personenbezogene Daten setzt allerdings einen<br />

dringenden Missbrauchsverdacht voraus und ist nur nach<br />

Anordnung durch das Anwaltsgericht zulässig.<br />

Eine solche Regelung trägt sowohl den Belangen des<br />

Datenschutzes als auch dem Interesse des Mandanten an<br />

der vertraulichen Behandlung seiner Daten Rechnung.<br />

Durch das Erfordernis des Missbrauchsverdachts werden<br />

Routinekontrollen und damit unnötige Eingriffe in die<br />

Rechte der Mandanten vermieden. Die Einsetzung der Anwaltskammern<br />

als unabhängige Aufsichtsorgane lässt Missbrauchspotenziale<br />

durch staatliche Behörden gar nicht erst<br />

entstehen. Trotzdem bleibt eine effiziente Datenschutzkontrolle<br />

in begründeten Fällen möglich.<br />

Zwar ist § 50 a BRAO (immer) noch Zukunftsmusik,<br />

dennoch ist auch die derzeitige Regelung einzuschränken:<br />

In verfassungskonformer Auslegung greifen die Befugnisse<br />

der Aufsichtsbehörde zur Einsicht in personenbezogene Daten<br />

nicht, soweit ihnen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht<br />

entgegensteht.<br />

III. Die Meldepflicht<br />

Nach § 4 d Abs. 1 BDSG haben nicht-öffentliche Stellen<br />

automatisierte Datenverarbeitungen vor ihrer Inbetriebnahme<br />

der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden. Von<br />

der Meldepflicht gibt es Ausnahmen bei Bestellung eines<br />

27 Näher dazu Schöttle, 203 ff.<br />

28 Das gilt auch für den Schutz von Daten Dritter. Auch hier ist eine Erhebung,<br />

Verarbeitung und Nutzung von Daten in großem Umfang zulässig, siehe<br />

Schöttle, 207 ff.<br />

29 Rüpke, AnwBl 2003, 25.<br />

30 Vgl. § 105 StPO. Zuck ist allerdings der Ansicht, auch im hier geschilderten<br />

Fall werde eine Durchsuchungsanordnung benötigt, Zuck in: Abel, 34 f.<br />

31 BVerfG, Beschluss vom 8.11.1978, 1 BvR 589/72, BVerfGE 50, 16, 29.<br />

32 BVerfG, Beschluss vom 8.3.1983, 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266, 284.<br />

33 So auch Rüpke, AnwBl 2003, 24; Rüpke, RDV 2003, 77 f.<br />

34 Ebenso Rüpke, AnwBl 2003, 21 ff.<br />

35 Siehe den Entwurf des BRAK-Rechtsausschusses in BRAK-Mitt. 1997, 16 ff.<br />

Zu einer neueren Fassung des § 50 a BRAO siehe Rüpke, AnwBl 2003, 25.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!