Dezember - Anwaltsblatt
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MN<br />
Vorschriften des BDSG ist auf die anwaltliche Tätigkeit<br />
nicht anwendbar. 27 Der Anwalt kann Daten erheben, die,<br />
was ihre Vertraulichkeit und ihren Umfang angeht, nicht<br />
mit denen zu vergleichen sind, die ein einfacher Handelsbetrieb<br />
im Rahmen seiner täglichen Geschäfte erheben darf.<br />
Eine Situation, in der gegen gesetzliche Erhebungsbefugnisse<br />
oder gegen den Willen des Mandanten Informationen<br />
gesammelt werden, ist kaum vorstellbar. Aufgrund dieser<br />
erheblichen Einschränkungen der Anwendbarkeit des<br />
BDSG hat eine Datenschutzaufsicht nahezu keinen Regelungsgehalt.<br />
28 Die Aufsichtstätigkeit würde sich größtenteils<br />
auf technisch-organisatorische Einzelheiten beschränken. 29<br />
Das Interesse des Staates an einer effektiven Datenschutzkontrolle<br />
ist allerdings nicht das einzige, welches<br />
hier in die Waagschale zu werfen ist. Auch der Mandant<br />
hat in vielen Fällen ein erhebliches Interesse am Schutz seiner<br />
Daten vor dem Zugriff der Aufsichtsbehörde, etwa im<br />
Fall der Strafverteidigung. Die anlassunabhängigen Kontrollrechte<br />
der Aufsichtsbehörde gehen erheblich weiter als<br />
die Befugnisse eines Staatsanwalts im Ermittlungsverfahren,<br />
denn dieser benötigt eine richterliche Durchsuchungsanordnung.<br />
30<br />
Natürlich sind der Aufsichtsbehörde im Umgang mit<br />
den erhobenen Daten Grenzen gesetzt. § 38 Abs. 1 S. 2<br />
BDSG bestimmt, dass die Daten nur für Zwecke der Aufsicht<br />
verarbeitet und genutzt werden dürfen. Dennoch<br />
steckt in derart weitgehenden Machtbefugnissen auch ein<br />
Missbrauchspotenzial. Ob allein eine Zweckbindungsvorchrift<br />
einer zweckwidrigen Verwendung von Daten Einhalt<br />
gebieten kann, ist fraglich.<br />
Im Ergebnis kann die Abwägung von öffentlichen Interessen<br />
an einer Datenschutzaufsicht und dem Interesse des<br />
Bürgers an der Geheimhaltung seiner Informationen nur zu<br />
Lasten des BDSG ausfallen. Der Datenschutz wird zum<br />
bloßen Selbstzweck – wenn nicht gar in sein Gegenteil verkehrt<br />
–, wenn Informationen, die hoheitlichem Zugriff seit<br />
jeher aufgrund der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht<br />
entzogen waren, durch staatliche Aufsichtsbehörden eingesehen<br />
werden können, ohne dass im konkreten Fall eine<br />
Verletzung des Datenschutzrechts zu befürchten ist, geschweige<br />
denn überhaupt möglich wäre.<br />
4. Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit<br />
Neben dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung<br />
des Mandanten ist auch das Grundrecht der Berufsfreiheit<br />
des Rechtsanwalts verletzt. Die von Art. 12 GG geschützte<br />
anwaltliche Berufsausübung wird, so das Bundesverfassungsgericht,<br />
durch den „Grundsatz der freien Advokatur<br />
gekennzeichnet, der einer staatlichen Kontrolle und Bevormundung<br />
grundsätzlich entgegensteht“ 31 . Zur Unabhängigkeit<br />
des Rechtsanwalts von staatlichen Kontrollen führt das<br />
Gericht aus:<br />
„Es entspricht dem Rechtsstaatsgedanken und dient der<br />
Rechtspflege, dass dem Bürger schon aus Gründen der<br />
Chancen- und Waffengleichheit Rechtskundige zur Verfügung<br />
stehen, zu denen er Vertrauen hat und die seine Interessen<br />
möglichst frei und unabhängig von staatlicher Einflußnahme<br />
wahrnehmen können.“ 32<br />
Die latente Gefahr jederzeitiger und anlassunabhängiger<br />
behördlicher Überprüfungen steht einer nachhaltigen Entwicklung<br />
eines Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant<br />
und Anwalt im Wege. 33 Es ist dem Anwalt dann nicht möglich,<br />
dem Mandanten gegenüber als Garant eigener staatlicher<br />
Unabhängigkeit aufzutreten, was mit seinem berufli-<br />
AnwBl 12 /2005<br />
Aufsätze<br />
chen Selbstverständnis letztlich nicht vereinbar ist. Dies<br />
stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit<br />
des Anwalts dar, der sich, angesichts des nur<br />
eingehschränkt anwendbaren BDSG, nicht mit der Notwendigkeit<br />
staatlicher Kontrollbefugnisse rechtfertigen lässt.<br />
5. Zwischenergebnis<br />
Ein vollständiger Verzicht auf eine Datenschutzkontrolle<br />
ließe zwar das Recht des Mandanten auf informationelle<br />
Selbstbestimmung unangetastet, würde aber den Datenschutz<br />
allein der Selbstkontrolle in der Kanzlei überantworten.<br />
Eine externe Prüfung kann jedoch sinnvoll sein, etwa<br />
um die Einhaltung organisatorischer Pflichten sicherzustellen,<br />
beispielsweise die Sicherung von Daten vor dem Zugriff<br />
durch Unbefugte.<br />
Eine zu begrüßende Lösung wäre es, die Datenschutzaufsicht<br />
in die Hand der Anwaltskammern zu legen. 34<br />
Schon vor einiger Zeit wurde vorgeschlagen, die BRAO um<br />
eine solche Regelung zu ergänzen 35 Ein einzufügender<br />
§ 50 a BRAO ermächtigt die Anwaltskammern, bei hinreichendem<br />
Missbrauchsverdacht die Datenverarbeitung und<br />
-nutzung eines Rechtsanwalts zu überprüfen. Wie auch in<br />
§ 38 BDSG wird der Anwaltskammer ein Besichtigungsund<br />
Prüfungsrecht eingeräumt. Eine Einsichtnahme in gespeicherte<br />
personenbezogene Daten setzt allerdings einen<br />
dringenden Missbrauchsverdacht voraus und ist nur nach<br />
Anordnung durch das Anwaltsgericht zulässig.<br />
Eine solche Regelung trägt sowohl den Belangen des<br />
Datenschutzes als auch dem Interesse des Mandanten an<br />
der vertraulichen Behandlung seiner Daten Rechnung.<br />
Durch das Erfordernis des Missbrauchsverdachts werden<br />
Routinekontrollen und damit unnötige Eingriffe in die<br />
Rechte der Mandanten vermieden. Die Einsetzung der Anwaltskammern<br />
als unabhängige Aufsichtsorgane lässt Missbrauchspotenziale<br />
durch staatliche Behörden gar nicht erst<br />
entstehen. Trotzdem bleibt eine effiziente Datenschutzkontrolle<br />
in begründeten Fällen möglich.<br />
Zwar ist § 50 a BRAO (immer) noch Zukunftsmusik,<br />
dennoch ist auch die derzeitige Regelung einzuschränken:<br />
In verfassungskonformer Auslegung greifen die Befugnisse<br />
der Aufsichtsbehörde zur Einsicht in personenbezogene Daten<br />
nicht, soweit ihnen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht<br />
entgegensteht.<br />
III. Die Meldepflicht<br />
Nach § 4 d Abs. 1 BDSG haben nicht-öffentliche Stellen<br />
automatisierte Datenverarbeitungen vor ihrer Inbetriebnahme<br />
der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden. Von<br />
der Meldepflicht gibt es Ausnahmen bei Bestellung eines<br />
27 Näher dazu Schöttle, 203 ff.<br />
28 Das gilt auch für den Schutz von Daten Dritter. Auch hier ist eine Erhebung,<br />
Verarbeitung und Nutzung von Daten in großem Umfang zulässig, siehe<br />
Schöttle, 207 ff.<br />
29 Rüpke, AnwBl 2003, 25.<br />
30 Vgl. § 105 StPO. Zuck ist allerdings der Ansicht, auch im hier geschilderten<br />
Fall werde eine Durchsuchungsanordnung benötigt, Zuck in: Abel, 34 f.<br />
31 BVerfG, Beschluss vom 8.11.1978, 1 BvR 589/72, BVerfGE 50, 16, 29.<br />
32 BVerfG, Beschluss vom 8.3.1983, 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266, 284.<br />
33 So auch Rüpke, AnwBl 2003, 24; Rüpke, RDV 2003, 77 f.<br />
34 Ebenso Rüpke, AnwBl 2003, 21 ff.<br />
35 Siehe den Entwurf des BRAK-Rechtsausschusses in BRAK-Mitt. 1997, 16 ff.<br />
Zu einer neueren Fassung des § 50 a BRAO siehe Rüpke, AnwBl 2003, 25.