Dezember - Anwaltsblatt
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MN<br />
Ein bisschen Charme und<br />
Gelassenheit helfen<br />
Vom Umgang zwischen Anwälten und<br />
Journalisten *<br />
Dr. jur. Joachim Jahn, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter<br />
Allgemeinen Zeitung und Lehrbeauftragter der Universität<br />
Mannheim, Frankfurt/M.<br />
Die einen wollen rein, kommen aber nicht zum Zuge. Die<br />
anderen wollen nicht rein, hätten aber etwas zu sagen.<br />
Das Verhältnis von Anwälten und Journalisten ist immer<br />
noch ein schwieriges. Als Werbeinstrument wollen viele<br />
Anwälte die Medien gerne nutzen – doch wenn der Redakteur<br />
bei ihnen anruft, wird die Verschwiegenheit hoch gehalten.<br />
Der Beitrag gibt Einblicke in die journalistische<br />
Praxis – und kritisiert mit Charme und Gelassenheit Kanzleien<br />
und Anwälte. Der Autor betreut in der Frankfurter<br />
Allgemeinen Zeitung die Seite „Recht und Steuern“.<br />
I.<br />
Zum Glück brauchen (bislang) meist weder die lokalen<br />
noch die überregionalen Tageszeitungen einen Anwalt als<br />
Rechtsvertreter, wenn sie ihrer publizistischen Arbeit nachgehen.<br />
Die Kooperation erstreckt sich im Normalfall vielmehr<br />
auf die Berichterstattung über einzelne Fälle, über<br />
den Berufsstand der Anwälte und über deren Rechtsauskünfte.<br />
Und dass Anwälte und Journalisten zum Wohl des<br />
Gemeinwesens prächtig zusammen arbeiten können, wäre<br />
am ehesten Stoff für eine Sonntagsrede. Diese böte sicher<br />
manchen Anlass für Betrachtungen darüber, wie Medien<br />
ihre Themen nach ganz eigenen Gesetzen auswählen, wie<br />
viele von ihnen sie oft aufbauschen und über Gebühr personalisieren.<br />
Oder darüber, wie Anwälte geschickt Zeitungen,<br />
Funk und Fernsehen dafür einspannen, um Druck im<br />
Interesse ihrer Mandanten auszuüben – sei das nun der<br />
Strafverteidiger einer Mutter, die ihre Kinder umgebracht<br />
haben soll, oder eines Top-Managers. Oder (neuerdings) der<br />
Wirtschaftsanwalt, der einen Hedge-Fonds oder einen<br />
Großaktionär vertritt.<br />
Anwälte dürften sich aber eher für konkrete und praktische<br />
Hinweise von journalistischer Seite interessieren.<br />
Denn vor allem wissen sie natürlich, dass es für eine Kanzlei<br />
von Nutzen sein kann, wenigstens ab und zu in der<br />
Die Erwähnung in der Zeitung hilft<br />
(fast immer) Anwalt und Kanzlei<br />
Presse aufzutauchen, zumindest in den Wirtschaftsmedien<br />
– von der Berichterstattung über Niederlagen und Kunstfehler<br />
einmal abgesehen. Nach 15 Jahren im Journalisten-Beruf<br />
ist man wirklich frei von falsch verstandener Eitelkeit<br />
oder von einer Überschätzung der Rolle der Medien als<br />
„vierter Gewalt“. Aber wenn eine Sozietät ein distinguiertes<br />
Geschäftsmodell von Exklusivität und Diskretion praktizieren<br />
würde, nach dem sie möglichst niemals öffentlich<br />
AnwBl 12 /2005<br />
Aufsätze<br />
erwähnt werden wollte, hielte dies den möglichen Mandantenstamm<br />
doch ziemlich klein. Dass jüngst etwa das „Manager-Magazin“<br />
abermals zwei Anwälte zu den 50 wichtigsten<br />
Menschen der gesamten Wirtschaft in der<br />
Bundesrepublik gezählt hat, wird den beiden und ihren<br />
Partnern nicht abträglich gewesen sein. Und in Anwaltskreisen<br />
ist längst bekannt, welche „Einflugschneisen“ die<br />
Zeitungen für die Erwähnung einzelner Rechtsberater und<br />
Kanzleien bieten – viel mehr übrigens, als die elektronischen<br />
Medien dies mit ihrer Kürze, ihrer Hektik und<br />
Flüchtigkeit tun.<br />
II.<br />
Die „Einfallstore“ für Advokaten sind beispielsweise<br />
spektakuläre Fälle, in denen sie prominente Mandanten vertreten.<br />
Dazu gehören ferner Interviews, in denen sie als Experten<br />
um Auskunft gebeten werden. Das gilt nicht nur für<br />
die Erläuterung aktueller Rechtsstreitigkeiten, die gerade<br />
die Schlagzeilen beherrschen. Sondern das betrifft auch<br />
nützliche und geldwerte Tipps für Entscheider in den Betrieben<br />
oder für Verbraucher, Kapitalanleger und Steuerpflichtige<br />
– Lebenshilfe in Alltagsfragen. Gefragt sind<br />
ebenso Gastbeiträge, in denen Rechtsberater ein aktuelles<br />
Problem von seiner rechtlichen Seite beleuchten (und bei<br />
denen sie vielleicht noch zusätzlich im Foto abgebildet werden<br />
oder ihre Kontaktdaten mit abgedruckt werden). Eine<br />
Chance zur eigenen Publizität bieten schließlich Pressekonferenzen<br />
oder Hintergrundgespräche, in denen die Paragrafenkenner<br />
über die geschäftliche Entwicklung ihrer eignen<br />
Sozietät berichten.<br />
Nicht zu unterschätzen sind aber auch jene Gelegenheiten,<br />
bei denen die Advokaten zunächst im Hintergrund bleiben,<br />
weil sie schlicht einem Journalisten eine kleine<br />
Rechtsauskunft für einen aktuellen Bericht geben: etwa<br />
zum Aktienrecht, wenn eine turbulente Hauptversammlung<br />
bevorsteht. Das führt nicht immer gleich zu einem namentlichen<br />
Zitat. Noch unsichtbarer bleiben die rechtskundigen<br />
Freiberufler naturgemäß, wenn sie einem Reporter ein vertrauliches<br />
Papier weiter reichen. Das gibt es nicht selten,<br />
und das muss keineswegs einen Bruch ihres Berufsrechts<br />
oder der ethischen Regeln des journalistischen Berufsstands<br />
darstellen. Auch wenn die meisten Redakteure dabei nicht<br />
mit dem Scheckbuch wedeln können und wollen – ein<br />
Lohn winkt dennoch: Vielleicht ein halbes Jahr später,<br />
wenn kein Leser mehr den Kontext erahnt, wird der Informant<br />
beispielsweise aus Dankbarkeit in einer ganz anderen<br />
Angelegenheit zitiert werden. Bei manchen Artikeln ahnt<br />
niemand, warum sie in Wirklichkeit geschrieben worden<br />
sind – oder jedenfalls, nach welchen Kriterien die Gesprächspartner<br />
ausgewählt wurden. Und ein guter Journalist<br />
wird schon aus eigenem Interesse die verabredete Vertraulichkeit<br />
über seine Quelle wahren, weil er sonst selbst „verbrannt“<br />
ist und ihm niemand mehr etwas verraten wird.<br />
Sein Recht zur Verweigerung der Aussage ist bekanntlich<br />
ohnehin gesetzlich geschützt.<br />
Juristen und Journalisten, die im Berufsleben stehen,<br />
wissen natürlich längst, was hinter den Kulissen vor sich<br />
geht. Der Anwalt, der nur altruistisch für die Gerechtigkeit<br />
oder die Interessen seines Mandanten kämpft, ist genauso<br />
ein schöner Schein wie der Redakteur oder Reporter, der<br />
sich seine Themen, Gesprächspartner und Formulierungen<br />
* Überarbeitete Fassung eines Vortrags auf dem Europatreffen der State Capital<br />
Law Firm Group in Hamburg auf Einladung der Kanzlei Graf von Westphalen<br />
Bappert & Modest.