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Dezember - Anwaltsblatt

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744<br />

MN<br />

Ein bisschen Charme und<br />

Gelassenheit helfen<br />

Vom Umgang zwischen Anwälten und<br />

Journalisten *<br />

Dr. jur. Joachim Jahn, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung und Lehrbeauftragter der Universität<br />

Mannheim, Frankfurt/M.<br />

Die einen wollen rein, kommen aber nicht zum Zuge. Die<br />

anderen wollen nicht rein, hätten aber etwas zu sagen.<br />

Das Verhältnis von Anwälten und Journalisten ist immer<br />

noch ein schwieriges. Als Werbeinstrument wollen viele<br />

Anwälte die Medien gerne nutzen – doch wenn der Redakteur<br />

bei ihnen anruft, wird die Verschwiegenheit hoch gehalten.<br />

Der Beitrag gibt Einblicke in die journalistische<br />

Praxis – und kritisiert mit Charme und Gelassenheit Kanzleien<br />

und Anwälte. Der Autor betreut in der Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung die Seite „Recht und Steuern“.<br />

I.<br />

Zum Glück brauchen (bislang) meist weder die lokalen<br />

noch die überregionalen Tageszeitungen einen Anwalt als<br />

Rechtsvertreter, wenn sie ihrer publizistischen Arbeit nachgehen.<br />

Die Kooperation erstreckt sich im Normalfall vielmehr<br />

auf die Berichterstattung über einzelne Fälle, über<br />

den Berufsstand der Anwälte und über deren Rechtsauskünfte.<br />

Und dass Anwälte und Journalisten zum Wohl des<br />

Gemeinwesens prächtig zusammen arbeiten können, wäre<br />

am ehesten Stoff für eine Sonntagsrede. Diese böte sicher<br />

manchen Anlass für Betrachtungen darüber, wie Medien<br />

ihre Themen nach ganz eigenen Gesetzen auswählen, wie<br />

viele von ihnen sie oft aufbauschen und über Gebühr personalisieren.<br />

Oder darüber, wie Anwälte geschickt Zeitungen,<br />

Funk und Fernsehen dafür einspannen, um Druck im<br />

Interesse ihrer Mandanten auszuüben – sei das nun der<br />

Strafverteidiger einer Mutter, die ihre Kinder umgebracht<br />

haben soll, oder eines Top-Managers. Oder (neuerdings) der<br />

Wirtschaftsanwalt, der einen Hedge-Fonds oder einen<br />

Großaktionär vertritt.<br />

Anwälte dürften sich aber eher für konkrete und praktische<br />

Hinweise von journalistischer Seite interessieren.<br />

Denn vor allem wissen sie natürlich, dass es für eine Kanzlei<br />

von Nutzen sein kann, wenigstens ab und zu in der<br />

Die Erwähnung in der Zeitung hilft<br />

(fast immer) Anwalt und Kanzlei<br />

Presse aufzutauchen, zumindest in den Wirtschaftsmedien<br />

– von der Berichterstattung über Niederlagen und Kunstfehler<br />

einmal abgesehen. Nach 15 Jahren im Journalisten-Beruf<br />

ist man wirklich frei von falsch verstandener Eitelkeit<br />

oder von einer Überschätzung der Rolle der Medien als<br />

„vierter Gewalt“. Aber wenn eine Sozietät ein distinguiertes<br />

Geschäftsmodell von Exklusivität und Diskretion praktizieren<br />

würde, nach dem sie möglichst niemals öffentlich<br />

AnwBl 12 /2005<br />

Aufsätze<br />

erwähnt werden wollte, hielte dies den möglichen Mandantenstamm<br />

doch ziemlich klein. Dass jüngst etwa das „Manager-Magazin“<br />

abermals zwei Anwälte zu den 50 wichtigsten<br />

Menschen der gesamten Wirtschaft in der<br />

Bundesrepublik gezählt hat, wird den beiden und ihren<br />

Partnern nicht abträglich gewesen sein. Und in Anwaltskreisen<br />

ist längst bekannt, welche „Einflugschneisen“ die<br />

Zeitungen für die Erwähnung einzelner Rechtsberater und<br />

Kanzleien bieten – viel mehr übrigens, als die elektronischen<br />

Medien dies mit ihrer Kürze, ihrer Hektik und<br />

Flüchtigkeit tun.<br />

II.<br />

Die „Einfallstore“ für Advokaten sind beispielsweise<br />

spektakuläre Fälle, in denen sie prominente Mandanten vertreten.<br />

Dazu gehören ferner Interviews, in denen sie als Experten<br />

um Auskunft gebeten werden. Das gilt nicht nur für<br />

die Erläuterung aktueller Rechtsstreitigkeiten, die gerade<br />

die Schlagzeilen beherrschen. Sondern das betrifft auch<br />

nützliche und geldwerte Tipps für Entscheider in den Betrieben<br />

oder für Verbraucher, Kapitalanleger und Steuerpflichtige<br />

– Lebenshilfe in Alltagsfragen. Gefragt sind<br />

ebenso Gastbeiträge, in denen Rechtsberater ein aktuelles<br />

Problem von seiner rechtlichen Seite beleuchten (und bei<br />

denen sie vielleicht noch zusätzlich im Foto abgebildet werden<br />

oder ihre Kontaktdaten mit abgedruckt werden). Eine<br />

Chance zur eigenen Publizität bieten schließlich Pressekonferenzen<br />

oder Hintergrundgespräche, in denen die Paragrafenkenner<br />

über die geschäftliche Entwicklung ihrer eignen<br />

Sozietät berichten.<br />

Nicht zu unterschätzen sind aber auch jene Gelegenheiten,<br />

bei denen die Advokaten zunächst im Hintergrund bleiben,<br />

weil sie schlicht einem Journalisten eine kleine<br />

Rechtsauskunft für einen aktuellen Bericht geben: etwa<br />

zum Aktienrecht, wenn eine turbulente Hauptversammlung<br />

bevorsteht. Das führt nicht immer gleich zu einem namentlichen<br />

Zitat. Noch unsichtbarer bleiben die rechtskundigen<br />

Freiberufler naturgemäß, wenn sie einem Reporter ein vertrauliches<br />

Papier weiter reichen. Das gibt es nicht selten,<br />

und das muss keineswegs einen Bruch ihres Berufsrechts<br />

oder der ethischen Regeln des journalistischen Berufsstands<br />

darstellen. Auch wenn die meisten Redakteure dabei nicht<br />

mit dem Scheckbuch wedeln können und wollen – ein<br />

Lohn winkt dennoch: Vielleicht ein halbes Jahr später,<br />

wenn kein Leser mehr den Kontext erahnt, wird der Informant<br />

beispielsweise aus Dankbarkeit in einer ganz anderen<br />

Angelegenheit zitiert werden. Bei manchen Artikeln ahnt<br />

niemand, warum sie in Wirklichkeit geschrieben worden<br />

sind – oder jedenfalls, nach welchen Kriterien die Gesprächspartner<br />

ausgewählt wurden. Und ein guter Journalist<br />

wird schon aus eigenem Interesse die verabredete Vertraulichkeit<br />

über seine Quelle wahren, weil er sonst selbst „verbrannt“<br />

ist und ihm niemand mehr etwas verraten wird.<br />

Sein Recht zur Verweigerung der Aussage ist bekanntlich<br />

ohnehin gesetzlich geschützt.<br />

Juristen und Journalisten, die im Berufsleben stehen,<br />

wissen natürlich längst, was hinter den Kulissen vor sich<br />

geht. Der Anwalt, der nur altruistisch für die Gerechtigkeit<br />

oder die Interessen seines Mandanten kämpft, ist genauso<br />

ein schöner Schein wie der Redakteur oder Reporter, der<br />

sich seine Themen, Gesprächspartner und Formulierungen<br />

* Überarbeitete Fassung eines Vortrags auf dem Europatreffen der State Capital<br />

Law Firm Group in Hamburg auf Einladung der Kanzlei Graf von Westphalen<br />

Bappert & Modest.

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