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Dezember - Anwaltsblatt

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IV<br />

MN<br />

BERICHT AUS BERLIN<br />

Kartoffeln und Quark<br />

Harmonische Koalitionsgespräche<br />

Das frugale Mahl, das bei den Koalitionsverhandlungen<br />

im Bundesjustizministerium<br />

kredenzt wurde, sorgte<br />

für mehr Diskussionsstoff als die meisten<br />

Themen, die besprochen wurden.<br />

Kartoffeln und Quark – „das gibt’s hier<br />

immer“ – fanden nicht bei allen Teilnehmern<br />

der Arbeitsgruppe Justiz uneingeschränkte<br />

Zustimmung. Ansonsten<br />

blieben nur zwei Themen, über die<br />

sich SPD und Union nicht einigen<br />

konnten: Das Lebenspartnerschaftsgesetz<br />

will die SPD um Regelungen im<br />

Einkommensteuer-, Erbschafts- und Beamtenrecht<br />

ergänzen, die bislang am<br />

Widerstand der Länder gescheitert waren.<br />

CDU und CSU lehnen dies wegen<br />

ihrer grundsätzlichen Vorbehalte gegen<br />

das Institut der Lebenspartnerschaft ab.<br />

Beim Antidiskriminierungsrecht haben<br />

sich die Koalitionäre zwar darauf verständigt,<br />

dass die europäischen Gleich-<br />

Die Autorin:<br />

Bettina Mävers<br />

war als Journalistin<br />

u. a. für das<br />

Handelsblatt tätig<br />

und erhielt 2001<br />

den DAV-Pressepreis.<br />

behandlungsrichtlinien kurzfristig „1:1“<br />

umgesetzt werden sollen. Doch bei der<br />

Umsetzung der Richtlinie zur Gleichstellung<br />

der Geschlechter außerhalb des<br />

Erwerbslebens, auch bekannt als „Unisex-Richtlinie“,<br />

wollen die Sozialdemokraten<br />

zusätzlich die Merkmale Behinderung,<br />

Alter und sexuelle Identität<br />

in den Schutz vor Diskriminierungen<br />

bei so genannten Massengeschäften<br />

aufnehmen, die Union akzeptiert allerdings<br />

nur das Merkmal der Behinderung.<br />

Insgesamt entsprachen die<br />

rechtspolitischen Vereinbarungen der<br />

Koalitionspartner dem kulinarischen<br />

Rahmen der Verhandlungen: Nichts<br />

Spektakuläres, aber sättigend und eigentlich<br />

gar nicht mal so schlecht.<br />

Justizpolitik<br />

Diskutiert wurde auch das Thema<br />

Rechtsberatung, bei dem sich die Anwälte<br />

ein übereinstimmendes „alles<br />

auf Anfang“ oder zumindest kollektives<br />

Stillschweigen erhofft hatten, damit<br />

der von vielen ungeliebte Entwurf<br />

eines Rechtsdienstleistungsgesetzes<br />

(RDG) nicht ohne erneute Diskussion<br />

in das Gesetzgebungsverfahren einge-<br />

bracht wird. Nach der Formulierung,<br />

die für den Koalitionsvertrag gefunden<br />

wurde, soll mit einer Reform der<br />

Rechtsberatung die Qualität der anwaltlichen<br />

Beratung gesichert und die<br />

Verbraucher vor unqualifiziertem<br />

Rechtsrat geschützt werden. Das kann<br />

alles und nichts heißen – Begriffe wie<br />

„erlaubte Nebenleistungen“, die einen<br />

Rückschluss auf das RDG erlauben,<br />

haben die Verhandlungspartner in der<br />

endgültigen Fassung vermieden.<br />

Fünf Landesjustizminister waren an<br />

der Koalitionsvereinbarung der Arbeitsgruppe<br />

Justiz beteiligt. So überrascht<br />

es nicht, dass das Thema Justizreform<br />

relativ viel Raum einnimmt. In<br />

den auf den ersten Blick sehr allgemeinen<br />

Absichtserklärungen verbirgt sich<br />

allerdings auf den zweiten Blick mehr<br />

Konkretes, als selbst die Justizminister<br />

aus den Ländern erwartet hatten: Die<br />

Zusammenlegung der Verwaltungsund<br />

Sozialgerichtsbarkeit wird „angestrebt“,<br />

heißt es. Und aus den Kreisen<br />

der Verhandlungspartner ist zu hören,<br />

dass damit nicht etwa eine Öffnungsklausel<br />

für die Länder gemeint sei, sondern<br />

eine bundesgesetzliche Regelung,<br />

Grundgesetzänderung inklusive. Darüber<br />

hinaus ist vereinbart, das Gerichtsverfassungs-<br />

und Verfahrensrecht zu<br />

vereinheitlichen und zu vereinfachen.<br />

Alle Streitigkeiten um Ehe, Trennung<br />

oder Scheidung sollen künftig vor einem<br />

Großen Familiengericht verhandelt<br />

werden. Außerdem soll das Zwangsvollstreckungsrecht<br />

modernisiert werden:<br />

Gläubiger sollen einen schnelleren<br />

Zugriff auf das Vermögen des Schuldners<br />

bekommen, die Vollstreckungsorgane<br />

entlastet werden – auch dies<br />

eine Forderung der Länder. Ein Schelm,<br />

wer Böses dabei denkt – die Privatisierung<br />

des Gerichtsvollzieherwesens<br />

wird nicht ausdrücklich genannt.<br />

Beim Thema Juristenausbildung befinden<br />

die Koalitionäre zwar, dass<br />

diese den ändernden Anforderungen an<br />

die juristischen Berufe gerecht werden<br />

müsse. Neue Abschlüsse, die Übertragung<br />

des „Bologna-Prozesses“ auf die<br />

Juristenausbildung, lehnen sie aber ab.<br />

Reformen im Wirtschaftsrecht<br />

Eine klare Aussage trifft die Koalitionsvereinbarung<br />

in der wirtschaftsrechtlichen<br />

Abteilung nur zur Offenlegung<br />

der Managergehälter, die kurz<br />

vor der Sommerpause mit den Stimmen<br />

von SPD, Grüne und Union für<br />

AnwBl 12 /2005<br />

börsennotierte Aktiengesellschaften<br />

beschlossen worden war. Sie soll für<br />

Unternehmen mit überwiegender Bundesbeteiligung<br />

generell Pflicht werden.<br />

Auf eine zunächst diskutierte Regelung,<br />

nach der die Hauptversammlung<br />

die Höhe der Vorstandsvergütungen bestimmen<br />

soll, wird jedoch verzichtet.<br />

Das GmbH-Gesetz soll umfassend<br />

novelliert werden. Ob und wie diese<br />

Reform dem Bedarf an Billig-GmbHs<br />

wegen der zunehmenden Konkurrenz<br />

britischer Gesellschaften Rechnung<br />

tragen wird, ist nicht konkretisiert. Im<br />

nordrhein-westfälischen Justizministerium<br />

wurde ein Gesetzentwurf erarbeitet,<br />

der zusätzlich zur GmbH die<br />

Rechtsform einer Gründungsgesellschaft<br />

mit geringem Stammkapital und<br />

erleichterten Gründungsvoraussetzungen<br />

einführen will. Klar ist jedoch,<br />

dass es keine zweigeteilte Reform geben<br />

wird, die die rot-grüne Bundesregierung<br />

noch vor der Sommerpause<br />

beabsichtigte, als sie zunächst nur das<br />

Mindeststammkapital auf 10.000 Euro<br />

absenken wollte. Das Insolvenzrecht<br />

wird in der Koalitionsvereinbarung nur<br />

im Zusammenhang mit dem GmbH-<br />

Recht und beklagten Missbräuchen erwähnt,<br />

nicht jedoch als insgesamt reformbedürftig.<br />

Doch ist zu erwarten,<br />

dass das Thema bald in den Fokus geraten<br />

wird, da es bereits einen Gesetzentwurf<br />

zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge<br />

und zur Anpassung des<br />

Rechts der Insolvenzanfechtung gibt,<br />

der wegen des geplanten Vorrechts des<br />

Steuerfiskus’ und der Sozialkassen als<br />

Gläubiger in der Kritik steht. Die Stellungnahme<br />

des Bundesrates zeigt bereits,<br />

dass die Trennlinie bei der Diskussion<br />

nicht zwischen Union und<br />

SPD, sondern zwischen Finanz- und<br />

Justizressort verlaufen wird.<br />

Überprüfung beim Strafrecht<br />

Wie ein roter Faden zieht sich durch<br />

den strafrechtlichen Teil der Koalitionsvereinbarung<br />

die Absicht, die noch kurz<br />

vor der Sommerpause mit Stimmen von<br />

SPD und Union beschlossenen Gesetze<br />

beispielsweise zur akustischen Wohnraumüberwachung,<br />

DNA-Analyse oder<br />

zur Graffiti-Bekämpfung zu evaluieren<br />

und gegebenenfalls zu erweitern. Konkret<br />

vereinbart ist die Wiedereinführung<br />

der Kronzeugenregelung. Reformieren<br />

will die neue Bundesregierung<br />

auch Bestimmungen zum Maßregelvollzug<br />

und zum Jugendstrafvollzug –<br />

vorausgesetzt, die Föderalismus-Reformer<br />

überlassen diesen Bereich nicht<br />

den Ländern.

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