Dezember - Anwaltsblatt
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MN KOMMENTA R<br />
Mit Rat und vor<br />
allem mit Tat –<br />
weil es nötig ist<br />
Rechtsanwalt Micha Guttmann, Köln, Vorsitzender<br />
des Kuratoriums der DAV Stiftung<br />
contra Rechtsextremismus und Gewalt.<br />
Sie sind nicht im Bundestag und<br />
sie haben keine Chancen, Einfluss auf<br />
wichtige politische Entscheidungen zu<br />
nehmen. Die Rechtsextremisten gehören<br />
zu den eindeutigen Verlierern der<br />
Bundestagswahl. Dies ist ein gutes Ergebnis,<br />
das in der Analyse der Experten<br />
und der Kommentatoren in den<br />
Medien viel zu kurz kam.<br />
Doch beruhigen darf uns dieses Ergebnis<br />
nicht. Denn in einigen Landesparlamenten<br />
und einer Reihe von<br />
Kommunen sind sie weiter vertreten.<br />
Auch wenn sie ihren öffentlichen Auftritt<br />
verändert haben und heute nicht<br />
mehr in Springerstiefeln, sondern mit<br />
Anzug und Krawatte auftreten, bleibt<br />
doch, dass Programm und Personen<br />
des gesamten rechtsextremen Spektrums<br />
unserem demokratischen und<br />
auf Toleranz beruhenden Staats- und<br />
Gesellschaftsverständnis diametral entgegen<br />
stehen. Und ihre menschenverachtenden<br />
Thesen haben immer noch<br />
Erfolg – mehr als wir ahnen und aus<br />
den Medien erfahren.<br />
Die Meldungen stehen zwar nur<br />
noch selten auf der ersten Seite der Tageszeitungen.<br />
Und in den Fernseh-<br />
Gegen Rechtsextremismus<br />
und Gewalt – Anwälte<br />
engagieren sich<br />
Nachrichtensendungen erscheinen sie<br />
überhaupt nicht mehr. Doch die gewalttätigen<br />
Übergriffe sind nicht weniger<br />
geworden und die Vorfälle gehören<br />
heute schon fast zum Alltag, so dass<br />
wir sie so richtig kaum noch zur<br />
Kenntnis nehmen: Mit der Frage „Was<br />
willst Du Neger hier?“, schlagen nach<br />
einem Diskothekenbesuch sechs junge<br />
Männer einen Sudanesen zusammen<br />
und verletzen ihn schwer. Mehrere Jugendliche<br />
bespucken in der Bahn einen<br />
Mann aus Angola, greifen ihn tätlich<br />
an und verletzen ihn am Kopf und<br />
am Brustkorb. Und eine junge Studentin<br />
– Deutsche, Tochter eines äthiopischen<br />
Vaters und einer deutschen<br />
Mutter – wird zum zweiten Mal wegen<br />
ihrer Hautfarbe Opfer brutaler Gewalt,<br />
als sie mit ihrer Mutter in der<br />
Berliner S-Bahn fährt. „Du Scheißausländer“<br />
hört sie noch, dann trifft sie<br />
eine 1,5 Literflasche am Kopf. „Die<br />
Erfahrung, ganz allein zu sein, ist am<br />
schlimmsten“, sagt die junge Frau<br />
nach der brutalen Tat.<br />
Menschenverachtende Vorfälle dieser<br />
Art können und dürfen Anwälte<br />
nicht abseits stehen lassen, gerade<br />
weil sie sich als Teil der dritten Gewalt<br />
verstehen, deren Aufgabe es ist, hier<br />
lebenden Menschen Schutz vor Willkür<br />
und Gewalt zu garantieren. Hier<br />
wollen, hier müssen wir helfen. Der<br />
Deutsche Anwaltverein hat deshalb<br />
die „DAV Stiftung contra Rechtsextremismus<br />
und Gewalt“ gegründet. Sie<br />
hilft den Opfern, anwaltlichen Rat zu<br />
bekommen. Die Stiftung legt großen<br />
Wert darauf, dass die Gewaltopfer einen<br />
Anwalt ihres Vertrauens wählen<br />
können. Wer weiß es besser als An-<br />
AnwBl 12/2005<br />
wälte, dass Menschen, die Opfer von<br />
Gewalt wurden, Vertrauenspersonen<br />
dringend benötigen. Gerade weil die<br />
Betroffenen sich oft kaum artikulieren<br />
können und auch keine Erfahrungen<br />
mit unserem Justizsystem haben, ist es<br />
wichtig, dass Anwälte beraten und Nebenklagen<br />
vertreten – und letztlich<br />
auch zivilrechtliche Ansprüche geltend<br />
machen. Vor allem aber: Die Anwaltschaft<br />
sorgt mit der Stiftung dafür,<br />
dass die Opfer schnell und ohne bürokratische<br />
Hürden den notwendigen<br />
Rechtsbeistand erhalten können.<br />
Die Stiftung trägt die Kosten, wenn<br />
es keine gesetzliche Kostenübernahme<br />
gibt. Ein Kuratorium überprüft die Vorgänge.<br />
Der DAV hat der Stiftung einen<br />
Grundbetrag von 51.000 E zur Verfügung<br />
gestellt. Doch die Erträge reichen<br />
für die zahlreichen Anfragen<br />
nicht aus. Die Stiftung ist auf Spenden<br />
und Zahlungen aus Auflagen angewiesen.<br />
So können auch die Gerichte über<br />
§ 153 a Strafprozessordnung die Not<br />
der Opfer extremistischer Gewalt lindern.<br />
Wir würden es begrüßen, wenn<br />
die Gerichte hiervon verstärkt Gebrauch<br />
machen.<br />
Doch die Stiftung ist mehr als nur<br />
ein juristisches Konstrukt, das Gelder<br />
verwaltet und finanzielle Hilfen zur<br />
Verfügung stellt. Die DAV Stiftung ist<br />
Beweis dafür, dass Anwälte sich für<br />
eine wehrhafte Gesellschaft engagieren,<br />
die nicht dulden wird, dass rechtsextremistische<br />
Gewalttaten für uns<br />
zum Alltag gehören. Die im Deutschen<br />
Anwaltverein organisierten Anwälte<br />
wollen daher bewusst nicht wegschauen<br />
und die Opfer mit sich allein<br />
lassen: Sie wollen vielmehr, dass in<br />
Deutschland lebende Menschen wissen,<br />
dass Anwälte in vorderster Linie<br />
stehen, wenn es darum geht, sich in<br />
unserer Gesellschaft öffentlich und aktiv<br />
für Toleranz und gegen Gewalt zu<br />
engagieren.<br />
Setzen auch Sie ein Zeichen<br />
Das Engagement der gemeinnützigen<br />
„DAV Stiftung contra Rechtsextremismus<br />
und Gewalt“ können<br />
Sie mit Ihrer Spende unterstützen:<br />
Dresdner Bank Bonn,<br />
Konto-Nr. 2 078 296 01,<br />
BLZ 370 800 40.