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Dezember - Anwaltsblatt

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AnwBl 12/2005 773<br />

Mitteilungen MN<br />

Land Gesamtaufwand Pro-Kopf-Aufwand/in<br />

Relation<br />

zur Bevölk.<br />

England/Wales 2.600.000,00 EUR 49,00 EUR<br />

Schottland 2.007.000,00 EUR 40,00 EUR<br />

Lichtenstein 1.050,00 EUR 32,00 EUR<br />

Norwegen 75.000,00 EUR 16,80 EUR<br />

Finnland 42.000,00 EUR 8,00 EUR<br />

Dänemark 34.800,00 EUR 6,60 EUR<br />

Deutschland 358.000,00 EUR 4,30 EUR<br />

Österreich 24.700,00 EUR 3,00 EUR<br />

Belgien 25.200,00 EUR 2,50 EUR<br />

Schweden 19.100,00 EUR 2,10 EUR<br />

Der große systematische Unterschied zwischen den angelsächsischen<br />

und den kerneuropäischen Rechtssystemen lässt<br />

keinen echten Vergleich zu. Trotzdem geben diese Zahlen gewisse<br />

Anhaltspunkte, vor allem dann, wenn man weiß, dass<br />

die ewige Klage unserer Justizminister über den Kostenaufwand<br />

im Justizwesen die reine Heuchelei ist: Das Justizwesen<br />

kostet die Deutschen ungefähr soviel wie eine Packung<br />

Zigaretten pro Monat und dies auch nur deshalb, weil man<br />

die hohen Einnahmen durch Gerichtskosten in der Ziviljustiz<br />

mit den hohen Aufwendungen für Gefängnisse saldiert und<br />

sich dann beschwert, dass dabei rote Zahlen herauskommen9 .<br />

7.3 Erfolgshonorar<br />

Jeder weiß, dass die Chancen sein Recht durchzusetzen<br />

steigen, wenn der Anwalt sich für seine Sache engagiert.<br />

Wie soll er das aber z. B. bei einem Streitwert von EUR<br />

5.000,00? Dort betragen 2,0 Gebühren EUR 602,00 10 .Bei<br />

einem Stundensatz von EUR 150,00 von dem ca. 50 % in<br />

die Kosten gehen, müsste der Anwalt diesen Fall in vier<br />

Stunden erledigt haben 11 . Während früher die kleinen Fälle<br />

von den großen subventioniert wurden, wird das bald nicht<br />

mehr möglich sein und das anwaltliche Stundenhonorar<br />

werden die Mandanten vor allem bei kleineren Fällen kaum<br />

aufbringen können. Wie soll sich da ein Anwalt engagieren,<br />

wenn er bei jedem Fall von vornherein weiß, dass er<br />

Geld mitbringen muss? Die Lösung kann nur beim Erfolgshonorar<br />

liegen. Außerhalb von Deutschland und Belgien<br />

gibt es kein Land auf der Welt mehr, in dem es völlig verboten<br />

ist. Man begründet das mit Gemeinwohlerwägungen<br />

12 , die aber auf sehr dünnem Boden stehen: In Restitutionssachen<br />

in der Nachkriegszeit hat man gar kein Problem<br />

darin gesehen, Erfolgshonorare zu gestatten, denn ein vom<br />

Nazi-Regime Verfolgter konnte nur unter diesen Bedingungen<br />

einen Spezialisten (!) finden , der seine Sache richtig in<br />

die Hand nahm. Man hat damals also das Qualitätsargument,<br />

das ich oben skizziert habe ernst genommen. Genauso<br />

ernst kann man es auch heute nehmen: Ein Spezialist<br />

kann besser als jeder andere erkennen, welche Chancen in<br />

dem Fall liegen und wenn er ihn übernimmt, wird er schon<br />

im eigenen Interesse genügend Engagement zeigen. Es ist<br />

mir ganz unerklärlich, wie die Behauptung zustande<br />

kommt, Erfolgshonorare zerstörten die Motivation der Anwälte.<br />

Das Gegenteil ist der Fall! 13 Einige Länder, wie die<br />

Schweiz, Österreich, England und sogar das konservative<br />

Frankreich lassen einzelne Erfolgshonorarabsprachen zu 14 .<br />

Die oft fragwürdig erscheinenden Praktiken der amerikanischen<br />

„Plaintiffs-Lawyers“ 15 dürfen uns den Blick nicht dafür<br />

vernebeln, dass wir in ganz anderen Rechtssystemen leben:<br />

In USA gibt es keine Prozesskostenhilfe etc. und auch<br />

ein mittleres Unternehmen, das z. B. $ 50.000,00 gegen einen<br />

Wettbewerber einklagen möchte, richtet sich darauf<br />

ein, für so einen Prozess $ 200.000,00 auszugeben. Warum<br />

wird das dort akzeptiert? Das angloamerikanische Rechtssystem<br />

lebt von der Erkenntnis, dass Recht nur durch<br />

Kampf entsteht, während wir Deutschen einen Konflikt als<br />

unverschuldete Krankheit interpretieren, die von der Versicherung<br />

gefälligst abgedeckt werden soll. Wir übersehen<br />

dabei, dass es keinen Rechtskonflikt gibt, an dem man<br />

selbst nicht seinen Anteil hat (ob schuldig oder unschuldig).<br />

Im Verhältnis zu den kämpferischen Angelsachsen<br />

sind wir einfach zu naiv.<br />

Es gäbe durchaus Modelle, erfolgsorientierte Honoraranteile<br />

zu definieren wie z. B. folgendes: Eine maßvolle Basisvergütung,<br />

die die Kosten des Anwalts deckt und einen<br />

ordentlichen Zuschlag, wenn er gewinnt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

ist das generelle Verbot aller solcher Modelle<br />

schon jetzt verfassungs- und europarechtswidrig 16 .<br />

8. Zusammenfassung<br />

Viele Wege führen zum Recht, wie der internationale<br />

Vergleich zeigt.<br />

Versteht man unter dem Zugang zum Recht die Durchsetzung<br />

der Einzelinteressen, dann gehört Deutschland mit Sicherheit<br />

zu jenen Ländern, in denen das in kürzester Zeit und<br />

zu sehr geringen genau planbaren Kosten erreichbar ist. Wer<br />

je in einem anderen Land prozessiert hat, wird das bestätigen.<br />

Aber auch im Bereich der Rechtsberatung liegen die Kosten<br />

in Deutschland im internationalen Vergleich sehr niedrig und<br />

die Qualität der Arbeit ist hoch: Wer das nicht glaubt, soll nur<br />

einen amerikanischen oder britischen Kollegen einmal fragen,<br />

welche Aussichten er in einem konkreten Konflikt hat: Er<br />

wird stets nur diffuse Auskünfte bekommen.<br />

Ich meine, wir könnten uns eine großzügerige Prozesskostenhilfe<br />

leisten, wir könnten Legal Clinics an den Universitäten<br />

einrichten um den Studierenden einen frühen<br />

Einblick in die Praxis zu geben und nicht zuletzt brauchen<br />

wir eine Rechtsanwaltausbildung, die so früh wie möglich<br />

auch Praxiserfahrungen ermöglicht und die Rechtsdurchsetzung<br />

in den Vordergrund stellt: Nur so werden die Anwälte<br />

eine höhere Qualität erreichen.<br />

9 Auch die stets behauptete Überlastung der Gericht ist eine Fiktion, wie der soeben<br />

erschienene Bericht des Deutschen Anwaltvereins zur geplanten „Großen<br />

Justizreform“ überdeutlich zeigt (Stellungnahme Nr. 29/2005 www.anwaltver<br />

ein.de).<br />

10 Christian Wolf hat aaO Seite 1130 errechnet, dass „die durchschnittliche Gebühr<br />

pro Vertretungsfall im normalen Anwaltsmarkt 280,23 Euro beträgt“. Unter<br />

Einbeziehung von PKH-Mandaten sind es nur noch 270,47 Euro.<br />

11 Eine Untersuchung von RAin Dr. Brigitte Borgmann (früher leitende Mitarbeiterin<br />

der Allianz-Versicherung für Anwaltshaftpflichtsachen) hat ergeben, dass<br />

bei sorgfältiger Mandatsführung vom Beginn des ersten Gesprächs bis zur endgültigen<br />

Ablage der Akte 100 einzelne Organisationsschritte erforderlich sind,<br />

die der Anwalt oder seine Mitarbeiter beachten müssen! Selbst wer sich optimal<br />

organisiert hat, braucht erheblich mehr Zeit.<br />

12 OLG Celle, Beschluss vom 2.11.2004 3 U 250/04 BRAK-Mitt. 2005, 94.<br />

13 Die herrschende Auffassung ist jedoch überwiegend anders. Siehe dazu die<br />

Berichte von Kilian: Anwaltliche Erfolgshonorare und die bevorstehende Reform<br />

des Vergütungsrechts, ZRP 2003, 90; Henssler, Aktuelle Praxisfragen aktueller<br />

Vergütungsvereinbarungen, NJW 2005, 137 (1539); Schepke: Das Erfolgshonorar<br />

des Rechtsanwalts. Gegenläufige Gesetzgebung in England und<br />

Deutschland, Tübingen 1998, besprochen von Zuck: ZRP 2000, 450; Stürner/<br />

Bormann, NJW 2004 1481 nehmen sogar die Deregulierungstendenzen auf europäischer<br />

nationaler Ebene insgesamt auseinander. Diese Kritik hat einen sehr<br />

richtigen Kern, zeigt aber keine Lösungen, die auch den Europäischen Richtlinien<br />

und der Berufsfreiheit des erforderlichen Raum lassen.<br />

14 Matthias Kilian, ILAG 2001 aaO Seite 26.<br />

15 Hirte: Spielt das amerikanische Rechtssystem verrückt?, NJW 2003, 345.<br />

16 Kilian Matthias: Der Erfolg und die Vergütung des Rechtsanwalts (Deutscher<br />

Anwaltverlag 2003) Seite 262; Kleine-Cosack, Kommentar zur Bundesrechtsanwaltsordnung,<br />

4. Auflage 2003 RN 17 zu § 49 b; Henssler: Aktuelle Praxisfragen<br />

anwaltlicher Vergütungsvereinbarungen, NJW 2005, 1537 (1539).

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