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Dezember - Anwaltsblatt

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AnwBl 12/2005 787<br />

7<br />

Anwaltsrecht<br />

Aufrechnung mit Vergütungsanspruch<br />

BGB §§ 675, 396, 242; BRAO § 43 a Abs. 5; BORA § 4; CCBE-<br />

Regeln Ziff. 3.8.1.5 b<br />

1. Der Rechtsanwalt kann seinen Vergütungsanspruch nicht gegen<br />

den Anspruch des Mandanten auf Auszahlung einer Abfindung<br />

aus einem Scheidungsverfahren aufrechnen, wenn das<br />

Fremdgeld auch dem künftigen Lebensunterhalt des Mandanten<br />

dienen soll.<br />

2. Der Mandant hat einen Schadensersatzanspruch auf Freistellung<br />

von Vergütungsansprüchen gegen seinen Anwalt, wenn die<br />

Bewilligung der Prozesskostenhilfe (PKH) vom Gericht zu Unrecht<br />

aufgehoben wird und der Anwalt nicht zur Einlegung eines<br />

Rechtsmittels rät.<br />

(Leitsatz der Redaktion)<br />

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.7.2005 – I-24 U 45/05<br />

Sachverhalt: Der Beklagte Rechtsanwalt hatte die Klägerin in<br />

einer Scheidungssache vertreten. Der Klägerin war zunächst Prozesskostenhilfe<br />

(PKH) gewährt worden. Aufgrund eines Vergleichs<br />

zwischen den Eheleuten erhielt die Klägerin einen Betrag von<br />

35.000 Euro, der auf das Konto des Rechtsanwalts gezahlt wurde.<br />

Die Zahlung führte dazu, dass die PKH aufgehoben wurde. Der<br />

Rechtsanwalt machte darauf seine Vergütung gegenüber der Klägerin<br />

geltend und rechnete seinen Vergütungsanspruch gegen den<br />

Auszahlungsanspruch der Klägerin auf. Die Klägerin klagte auf<br />

Auskehr des gesamten Fremdgelds und gewann vor dem Landgericht.<br />

Im Berufungsverfahren wurde noch um einen Betrag in<br />

Höhe der geltend gemachten Anwaltsvergütung gestritten. Das<br />

OLG kündigte in dem folgenden Hinweisbeschluss an, die Berufung<br />

gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Berufung ist<br />

daraufhin zurückgenommen worden.<br />

Aus den Gründen: Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht<br />

auf Erfolg. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden<br />

Gründe des angefochtenen Urteils. Die hiergegen in der Berufungsbegründung<br />

erhobenen Angriffe bieten keinen Anlass zu<br />

einer anderen Beurteilung.<br />

1. Ein Erfolg ist der Berufung schon deshalb verwehrt, weil die<br />

Aufrechnung des Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin auf<br />

Auszahlung des aufgrund des Vergleichs der Eheleute zu ihren<br />

Gunsten auf ein Konto des Beklagten überwiesenen Abfindungsbetrages<br />

mit eigenen Gebührenansprüchen unzulässig ist.<br />

a) Die Aufrechnung ist nach § 242 BGB ausgeschlossen, wenn<br />

die Eigenart des Schuldverhältnisses oder der Zweck der geschuldeten<br />

Leistung die Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar<br />

erscheinen lässt (BGH NJW 1994, 2885; Palandt/Heinrichs,<br />

BGB, 64. Aufl., § 387 Rdnr. 15 m. w. N. Hausler/Prüting, BRAO<br />

2. Aufl., § 43 a Rdnr, 177, Hartung/Holl BORA, 2 Aufl., § 4<br />

Rdnr. 28). Hier hindert die zweckgebundene Leistung die Aufrechnung;<br />

denn der Beklagte hat nach eigenem Vortrag (Berufungsbegründung<br />

Seite 3) aus einem Vergleich in einem Scheidungsverbundverfahren<br />

35.000 Euro erlangt, die der frühere Ehemann der<br />

Klägerin dieser als Abfindung zu zahlen hatte. Da die finanziellen<br />

Verhältnisse der Klägerin beengt waren, wie die frühere Bewilligung<br />

von Prozesskostenhilfe belegt, musste die Summe auch dem<br />

künftigen Lebensunterhalt der Klägerin dienen. In diesem Falle<br />

würde ein Zweck der Leistung, die Sicherung des künftigen Unterhalts,<br />

nicht nur erschwert; sondern geradezu vereitelt und es bestünde<br />

die Gefahr, dass die Klägerin bei zulässiger Aufrechnung<br />

alsbald wieder unterhaltsbedürftigwürde, und zwar zu Lasten öffentlicher<br />

Kassen oder – je nach Ausgestaltung desVergleichs –<br />

wiederum ihres damaligen Ehemannes.<br />

Bei einer solchen Sachlage bedarf es deshalb nicht der Feststellung,<br />

ob der Beklagte die Abfindungssumme nicht auch als Treuhänder<br />

entgegengenommen hat und die Aufrechnung aus diesem<br />

MN<br />

Grunde unzulässig wäre (vgl. Palandt aaO § 387 Rdnr. 15 f und<br />

BGH WM 2003, 92, jeweils m. w. N.).<br />

b) Im Übrigen hat die neuere Fassung von § 43 a Abs. 5 Satz 2<br />

BRAO in Verbindung mit § 4 Abs. 5 der Berufsordnung für Rechtsanwalte<br />

(BORA) in der Fassung vom 1. November 2001 sowie Ziffer<br />

3.8.1.5 b der Anlage 1 hierzu (Berufsregeln der Rechtsanwälte<br />

der Europäischen Union, zuletzt geändert am 28. November 1998)<br />

zu einer deutlichen Einschränkung der Befugnisse eines Rechtsanwalts<br />

geführt, mit Fremdgeldern eines Mandanten zu verfahren.<br />

Nach Ziffer 3.8.1.5 b ist nämlich vorbehaltlich entgegenstehender<br />

gesetzlicher Vorschriften oder gerichtlicher Anordnung und vorbehaltlich<br />

der ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung<br />

des Mandanten, für den die Zahlung vorgenommen wird, die Auszahlung<br />

von Mandantengeldern an dritte Personen unzulässig, und<br />

dies gilt ausdrücklich auch für den Ausgleich der Honorarforderungen<br />

des Rechtsanwaltes (vgl. hierzu auch Zugehör, Handbuch der<br />

Anwaltshaftung, Rdnr. 823), was die Aufrechnung insoweit ausschließt.<br />

2. Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, würde der Berufung<br />

der Erfolg zu versagen sein; denn auch das Vorbringen des<br />

Beklagten zu den materiell-rechtlichenVoraussetzungen seiner Aufrechnungs(gebühren-)forderungen<br />

ist nicht schlüssig.<br />

a) Anders als noch in erster Instanz ist inzwischen unstreitig,<br />

dass die Parteien seinerzeit durch mehrere Mandatsverhältnisse<br />

miteinander verbunden waren, und jedenfalls mit der Berufungsbegründung<br />

hat die Klägerin auch die zuvor von ihr vermissten<br />

ordnungsgemäßen Honorarabrechnungen erhalten. Ferner ist zugrunde<br />

zu legen, dass der Klägerin im Oktober 2001 ratenfreie<br />

Prozesskostenhilfe bewilligt worden war in einem Verfahren auf<br />

einstweilige Anordnung betreffend die Herausgabe persönlicher<br />

Gegenstände, ferner dass die PKH-Bewilligung sich auch auf das<br />

Scheidungsverfahren und die Folgesachen Zugewinnausgleich und<br />

Unterhalt erstreckte (Beschluss vom 28. März 2002), und schließlich<br />

dass die PKH-Bewilligung durch Beschluss vom 18. September<br />

2003 aufgehoben wurde, und zwar aufgrund der Verbesserung<br />

der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Zufluss von 35.000 Euro.<br />

Dies ist aber entgegen einer früher in der Rechtsprechung vertretenen<br />

Tendenz kein ausreichender Grund für eine Aufhebung der<br />

PKH-Bewilligung, wenn nicht weitere Bedingungen, etwa die Vortäuschung<br />

der Voraussetzungen oder absichtlich oder aus grober<br />

Fahrlässigkeit von einem Antragsteller unrichtig gemachte Angaben<br />

über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben<br />

waren (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 124 Rdnr. 17).<br />

Folglich hätte der Beklagte die von der Staatskasse aufgrund bewilligter<br />

PKH gezahlten Beträge nicht zurückzahlen, sondern vielmehr<br />

nach entsprechender Beratung der Klägerin ein – nach den<br />

obigen Erwägungen begründetes – Rechtsmittel gegen den Aufhebungsbeschluss<br />

einlegen müssen. Die aufgrund fehlerhaften Verhaltens<br />

nunmehr gegen die Klägerin geltend gemachten Ansprüche<br />

wegen der Rückzahlung an die Staatskasse kann der Beklagte folglich<br />

nicht durchsetzen, weil der Klägerin ein entsprechender Schadensersatzanspruch<br />

auf Freistellung von entsprechenden Honoraransprüchen<br />

erwachsen ist.<br />

Auch im Arrestverfahren war der Klägerin am 26. Oktober<br />

2001 PKH bewilligt worden. Für die auch insoweit vom Beklagten<br />

vorgenommene Rückzahlung von PKH-Gebühren hat sich der Beklagte<br />

auf ein Schreiben des Amtsgerichts Viersen vom 27. Februar<br />

2002 bezogen, dieses aber nicht vorgelegt und auch nicht<br />

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