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6 EINLEITUNG
(Dmowski-Partei), der stärksten polnischen Partei, anonyme
Flugschriften mit Pogromdrohungen an die Adresse der Juden
verbreitet, am sie dadurch von einer Einflussnahme auf
den Gang der Wahlen zurückzuhalten. Einer dieser Aufrufe
begann:
„Durch die Gnade der Moskowiter Regierung-, die euch
Fremdlinge mit uns rechtmässigen Besitzern dieses Landes auf
gleiche Stufe gestellt hat, das Wahlrecht geniessend, habt ihr
-luden einen unbeträchlichen Teil unserer gesunkenen oder umnebelten-
Brüder in eure Netze verstrickt und wollt mit ihnen
gemeinsam in den Wahlen eigene jüdische Kandidaten durchbringen
. . . Ihr beginnt euch schon zu sehr als Herren zu füll
len und seid schon zu kühn geworden. Wir wissen aber ein
Mittel, euch zu zähmen. Vergesst nicht, dass eine Kraft über
euch ist, vor der euch nichts rettet, und diese Kraft liegt in der
Faust der polnischen Bauern. Lasst euch gesagt sein, dass, wenn
•durch eure Schuld nicht echte Söhne unseres Landes,-sondern
Juden und eure iierjudeten Polen gewählt werden sollten, die ohnehin
schon sehr stark gespannte Geduld unseres Volkes reissen kann.
Bedauert dann nicht, dass ihr euch nicht rechtzeitig umgesehen
habt. Denkt daran, dass ihr einen Löwen reizt, der schon drohend
brüllt. Wir werden euer freches Gebahren nicht dulden, solange
ein Tropfen warmen Bluts in uns bleibt. Bedenkt und
wählet! " *
Das Waren keine Wahlschlagworte, das war ein Aktionsprogramm,
das aus mannigfachen Gründen zunächst allerdings
noch nicht durchgeführt werden konnte. Ein Hauptgrund war
die Haltung der damals noch einigen polnischen sozialistischen
Partei, welche über eine mächtige geheime Kampforganisation
verfügte und welche auf die Pogromdrohungen der Dmowski-
Partei mit dein festen Beschluss reägierte, die jüdische Bevölkerung
mit, dem Leibe ihrer Mitglieder zu schützen, um die Ehre
der Revolution nicht durch jüdisches Blut besudeln zu lassen.
Seither ist der polnische Sozialismus zerfallen und grösstenteils
selbst ins chauvinistische Fahrwasser geraten. Zur Demoralisa-
1010.
* Siehe „Die .Judenpogrome in Kussland", Seite 173, Jüdischer Verlag,
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