Das Sonderthema - Stadt Kehl
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„Deutsche Lehrer sind viel lockerer“:<br />
Eine Grenzgängerin über ihre duale Ausbildung<br />
89<br />
Auf französische Käseproduzenten<br />
hat sich das Auenheimer<br />
Logistik-Unternehmen Nagel<br />
Albatros Speditions GmbH<br />
spezialisiert. Die Elsässerin<br />
Cyrielle Matterer macht dort<br />
ihre Ausbildung.<br />
Cyrielle Matterer<br />
Cyrielle Matterer aus Rountzenheim im Elsass,<br />
heute 23 Jahre alt, hatte schon früh<br />
eine Idee, welchen Beruf sie einmal ausüben<br />
könnte: Deutschlehrerin. Mit ihren Eltern<br />
sprach sie zu Hause Elsässisch,<br />
die Ferien verbrachte<br />
sie mit ihnen in Deutschland<br />
oder Österreich. Doch<br />
im Deutsch-Studium an der<br />
Universität in Straßburg<br />
merkte sie, dass die Arbeit<br />
mit Kindern doch nicht ganz<br />
ihre Sache war. Sie erwarb ihren<br />
Bachelor und wollte sich<br />
dann umorientieren. Bei der<br />
Berufsberatung sagte man<br />
ihr jedoch, dass sie mit 21 zu<br />
alt sei für eine Ausbildung in<br />
Frankreich. „Da habe ich beschlossen: Wenn<br />
man mich in Frankreich nicht will, gehe ich<br />
eben nach Deutschland“, sagt die Elsässerin.<br />
Sie machte einen Test, um herauszufinden,<br />
wo ihre beruflichen Interessen liegen,<br />
verschickte zehn Bewerbungen und einen<br />
Monat später stand fest: Cyrielle Matterer<br />
macht ihre Ausbildung bei der Nagel Albatros<br />
Speditions GmbH in Auenheim, Teil der<br />
international tätigen Nagel-Group mit europaweit<br />
11 000 Mitarbeitern, und besucht die<br />
Beruflichen Schulen <strong>Kehl</strong>.<br />
Inzwischen ist die 23-Jährige im dritten<br />
Lehrjahr, nach ihrem Abschluss darf sie sich<br />
„Kauffrau für Spedition und Logistik-Dienstleistung<br />
mit Zusatzqualifikation Französisch“<br />
nennen. Damit hat sie einen ähnlichen Weg<br />
eingeschlagen wie ihr Vater, der ebenfalls im<br />
Logistik-Bereich tätig und – genau wie ihre<br />
Mutter – ebenfalls ein Grenzgänger ist. An<br />
den Beruflichen Schulen ist sie als einzige<br />
Französin Teil einer 13-köpfigen Klasse, in<br />
der jeder die Zusatzqualifikation Französisch<br />
anstrebt. „Es gab schon Vorurteile“, erinnert<br />
sie sich an die ersten Schultage. Die Mitschüler<br />
hätten wohl gedacht, sie nehme den<br />
deutschen Auszubildenden einen Platz weg.<br />
„Aber dann haben alle schnell gemerkt, dass<br />
es gut passt“, sagt sie, und fügt schmunzelnd<br />
hinzu: „Außerdem brauchen sie kein Wörterbuch<br />
im Französisch-Unterricht,<br />
wenn ich dabei bin.“<br />
Ihre Erwartungen haben die<br />
Beruflichen Schulen <strong>Kehl</strong> – im<br />
positiven Sinne – nicht erfüllt.<br />
„In Frankreich hat man das<br />
Bild im Kopf, dass die Schule<br />
in Deutschland viel strenger<br />
ist“, sagt sie. „Ich war überrascht,<br />
denn tatsächlich sind<br />
die deutschen Lehrer viel<br />
lockerer als die in Frankreich,<br />
dort gibt es gar keinen persönlichen<br />
Kontakt zwischen Lehrern und<br />
Schülern.“ Die Lehrer in <strong>Kehl</strong> hülfen bei Fragen<br />
und Problemen, sogar Späße im Unterricht<br />
seien hin und wieder erlaubt. „Solange<br />
man respektvoll bleibt, ist alles in Ordnung.“<br />
Einer ihrer Lehrer habe einmal seine Tochter<br />
mit an die Schule gebracht, erzählt sie, und<br />
die Überraschung darüber ist ihr noch immer<br />
anzusehen: „So etwas würde es in Frankreich<br />
nicht geben.“<br />
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