Das Sonderthema - Stadt Kehl
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Nicht nur die Berufsschule an sich, sondern<br />
das ganze Ausbildungssystem unterscheidet<br />
sich. Während Cyrielle Matterer immer<br />
abwechselnd einen Tag oder zwei Tage pro<br />
Woche die Beruflichen Schulen <strong>Kehl</strong> besucht<br />
und den Rest ihrer Ausbildungszeit bei der<br />
Nagel-Group verbringt, liegt der Schwerpunkt<br />
in Frankreich auf der Schule, die Praxisphase<br />
erfolgt als Praktikum im Block. „Da<br />
werden die Azubis ins kalte Wasser geworfen“,<br />
sagt die Elsässerin. Auch ihr Ausbilder,<br />
Yves Debruyne, hat diese Erfahrung mit<br />
französischen Praktikanten gemacht. 2012<br />
absolvierte ein Austauschschüler sein Praktikum<br />
in der rund 100 Mitarbeiter starken<br />
Niederlassung in Auenheim. „Er wusste zwar,<br />
was ich meine, wenn ich ihm einen Auftrag<br />
gegeben habe, aber er hatte Schwierigkeiten<br />
es umzusetzen. <strong>Das</strong> waren Welten im<br />
Vergleich zu unseren Azubis“, sagt er. Was<br />
den Wechsel zwischen Schule und Betrieb<br />
betrifft, halte er die deutsche Variante für<br />
die geschicktere: „Man kann besser mit den<br />
Azubis planen und der Stoff bleibt ihnen in<br />
Erinnerung, wenn nicht so lange Pause zwischen<br />
Theorie und Praxis ist.“<br />
Bei der Nagel Albatros Speditions GmbH ist<br />
Cyrielle nicht die einzige Französin. „Für die<br />
grenzüberschreitenden Geschäfte ist es immer<br />
wichtig, Mitarbeiter zu haben, die andere<br />
Sprachen sprechen“, sagt Yves Debruyne<br />
– gerade in dem Auenheimer Logistik-Unternehmen,<br />
das sich auf französische Käseproduzenten<br />
spezialisiert hat. „Unser Kundenstamm<br />
kommt zu 70 Prozent aus Frankreich,<br />
wir sprechen weitgehend Französisch mit<br />
den Kunden.“ Auch viele Mitarbeiter im<br />
Betrieb unterhielten sich grundsätzlich auf<br />
Französisch. <strong>Das</strong>s die Sprache zumindest<br />
verstanden werde, sei eine Voraussetzung<br />
für die Einstellung, sagt Yves Debruyne, Vorstellungsgespräche<br />
würden auf Deutsch und<br />
auf Französisch geführt.<br />
Auch wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen<br />
hat, möchte Cyrielle Matterer nach<br />
Möglichkeit weiterhin in Auenheim arbeiten.<br />
Sie hängt an der Grenzregion, in der<br />
sie aufgewachsen ist und „in der man die<br />
Vorteile beider Länder nutzen kann“. Sollte<br />
sie irgendwann doch wieder in Frankreich<br />
arbeiten wollen, seien ihre Chancen auf einen<br />
dortigen Arbeitsplatz inzwischen wieder<br />
gestiegen, glaubt sie. „Die Ausbildung<br />
in Deutschland hat in Frankreich einen sehr<br />
guten Ruf.“ Ihr Ausbilder Yves Debruyne ist<br />
ebenfalls davon überzeugt, dass sie keine<br />
Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben wird:<br />
„Unser Ziel ist es, Lehrlinge so auszubilden,<br />
dass sie nach drei Jahren loslegen können<br />
ohne den Gedanken ‚Schaffe ich das auch?‘<br />
– und zwar sowohl in Deutschland als auch<br />
in Frankreich.“<br />
Amine fand nach der Schule<br />
in Straßburg weder Job noch<br />
Ausbildungsplatz: Jetzt ist er<br />
glücklich, dass er bei der BAG ein<br />
Einstiegsqualifizierungspraktikum<br />
absolvieren kann, das ihm<br />
die Chance auf eine Ausbildung<br />
zum Facharbeiter eröffnet.<br />
Um der Jugendarbeitslosigkeit auf der französischen Rheinseite ebenso zu begegnen<br />
wie dem Fachkräftemangel auf der deutschen, startet die BAG (BSW Anlagenbau und<br />
Ausbildung GmbH) im Juli ein Projekt, bei dem junge arbeitslose Franzosen über ein<br />
Einstiegsqualifizierungspraktikum die Chance bekommen, in ein festes Ausbildungsverhältnis<br />
übernommen zu werden.<br />
Warum sich französische Jugendliche nicht so einfach exportieren lassen<br />
>><br />
„Noch“, sagt Bernd Wiegele, „noch haben wir<br />
genügend Bewerbungen in allen Bereichen“.<br />
Die Badischen Stahlwerke und ihre Anlagenbau<br />
und Ausbildung GmbH (BAG) profitieren<br />
von ihrem guten Ruf in der Region. „Trotzdem<br />
wollen wir schon jetzt etwas tun“, erklärt<br />
der BAG-Geschäftsführer, warum sich das<br />
Unternehmen auch um Auszubildende von<br />
der anderen Rheinseite bemüht. Sechs junge<br />
Franzosen haben im Juli ein zweitägiges<br />
Schnupperpraktikum absolviert und sind im<br />
Oktober für ein Einstiegsqualifizierungsprak-