Das Sonderthema - Stadt Kehl
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80<br />
bis die Summe von 70 Euro überschritten ist, ist nicht zulässig. Also<br />
bleibt der <strong>Stadt</strong> nur, diejenigen Falschparker abzuschleppen, die ihre<br />
Autos in Brandschutzzonen abstellen oder so parken, dass sie den<br />
Verkehr behindern oder gefährden.<br />
<strong>Das</strong>s es in <strong>Kehl</strong> – auf die Einwohnerzahl bezogen – so viele Geldspielgeräte<br />
gibt wie nirgendwo sonst in Deutschland, ist ebenfalls<br />
der Nachbarschaft zu einer französischen Großstadt geschuldet.<br />
Weil in Frankreich Geldspielautomaten nur in Casinos erlaubt sind,<br />
ist der überwiegende Teil der Spieler in den <strong>Kehl</strong>er Spielhallen und<br />
Automaten-Bistros französischer Nationalität. Automatenaufsteller<br />
und Bistro-Betreiber haben schnell erkannt, dass hier gute Geschäfte<br />
zu machen sind. Der <strong>Kehl</strong>er Gemeinderat hat Resolutionen verfasst,<br />
Oberbürgermeister Günther Petry hat ungezählte Briefe geschrieben,<br />
der Vorstand des Eurodistrikts hat diskutiert, aber es zeigt sich: Diese<br />
Alltagsprobleme im <strong>Kehl</strong>-Straßburger Grenzgebiet sind zu groß für<br />
den Eurodistrikt und zu klein, um die Nationalstaaten zu interessieren.<br />
Die Hauptstädte – Paris, Berlin, Stuttgart – sind weit weg von der<br />
deutsch-französischen Grenzregion.<br />
Wie groß die Entfernung tatsächlich ist, wird in Landesentwicklungsoder<br />
Regionalplänen deutlich: Die Landesgrenze verläuft in der Mitte<br />
des Rheins – dahinter öffnet sich das Nichts, dargestellt durch eine<br />
weiße Fläche. Für <strong>Kehl</strong> ist das mehr als nur ein grafisches Problem:<br />
Weil die Großstadt Straßburg im Landesentwicklungsplan nicht existiert,<br />
gilt <strong>Kehl</strong> als ländlicher Raum. <strong>Das</strong> wiederum bedeutet, dass auch das <strong>Kehl</strong>er Polizeirevier<br />
so mit Beamten ausgestattet wird, als gäbe es die Großstadt Straßburg nicht. <strong>Das</strong>s die<br />
Kriminalitätsrate in Großstädten höher ist als in ländlichen Gebieten, ist eine Tatsache, die<br />
nichts damit zu tun hat, ob diese Großstadt in Deutschland oder Frankreich liegt. Wäre indes<br />
Straßburg eine deutsche Großstadt oder läge <strong>Kehl</strong> vor den Toren Stuttgarts, hätte der Leiter<br />
des <strong>Kehl</strong>er Polizeireviers rund 120 Beamte zur Verfügung – statt 86 Stellen im Plan, von denen<br />
nicht einmal alle besetzt sind. Auch bei der Verlängerung der Straßburger Tramlinie D nach<br />
<strong>Kehl</strong> hätte die Plangrafik zum Verhängnis werden können: Straßenbahnprojekte werden nämlich<br />
grundsätzlich nur in Verdichtungsräumen und keinesfalls im ländlichen Raum gefördert.<br />
Ausnahmsweise wurden <strong>Kehl</strong> in diesem konkreten Fall die Merkmale eines Verdichtungsraumes<br />
zuerkannt.<br />
Die französischen Kollegen kämpfen mit den gleichen Problemen: <strong>Das</strong>s ausgerechnet die Europastadt<br />
Straßburg 20 Jahre länger als andere französische Großstädte auf die Anbindung<br />
ans TGV-Netz warten musste, war nur ihrer Grenzlage geschuldet. Von Paris aus betrachtet,<br />
lagen direkt hinter Straßburg nur der halbe Rhein und eine weiße Fläche. Als die französische<br />
Eisenbahngesellschaft SNCF wenige Monate nach der Inbetriebnahme der TGV-Strecke Paris–<br />
München in einer Pressemitteilung die hohen Auslastungsquoten für die Hochgeschwindigkeitszüge<br />
bekannt gab, konnte man zwischen den Zeilen das Erstaunen darüber herauslesen,<br />
dass es tatsächlich Fahrgäste gab, die hinter Straßburg noch weiterfuhren.<br />
Fazit<br />
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist bisweilen mühsam. Doch jedes erfolgreiche Projekt<br />
ebnet den Weg für neue Projekte und schafft neue Verbindungen zwischen den Menschen<br />
diesseits und jenseits des Rheins. Je enger Deutsche und Franzosen am Oberrhein miteinander<br />
verwoben sind, desto besser für ein friedliches Zusammenleben – ganz im Geiste des Elysée-<br />
Vertrags, dessen 50-jähriges Bestehen wir in diesem Jahr gefeiert haben.<br />
<strong>Das</strong>s auf Landesentwicklungsoder<br />
Regionalplänen in der Mitte<br />
des Rheins das weiße Nichts<br />
beginnt, führt dazu, dass <strong>Kehl</strong> als<br />
ländlicher Raum eingestuft wird –<br />
so als würde der Ballungsraum<br />
Straßburg mit seinen 500 000<br />
Einwohnern nicht existieren.