27.04.2014 Aufrufe

Landtag von Baden-Württemberg - Landtag Baden Württemberg

Landtag von Baden-Württemberg - Landtag Baden Württemberg

Landtag von Baden-Württemberg - Landtag Baden Württemberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

(Dr. Schlierer)<br />

<strong>Landtag</strong> <strong>von</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> – 12. Wahlperiode – 57. Sitzung – Mittwoch, 9. Dezember 1998<br />

Herr Ministerpräsident, in der Jungen Union wurde auch<br />

die Erwartung geäußert, man wolle jetzt endlich zündende<br />

Ideen <strong>von</strong> Ihnen erfahren. Ich kann heute nur feststellen:<br />

Die einzig erkennbare neue Idee war die Willenserklärung,<br />

daß Sie das modernste Land in Europa sein wollen. Vielleicht<br />

gehört dazu auch die Mitteilung, daß es aufwärts<br />

geht.<br />

Ich frage mich allerdings, wenn ich mir die Fakten ansehe,<br />

ob es wirklich so ist. Sicher haben wir in den letzten beiden<br />

Jahren eine konjunkturelle Erholung erlebt, die sich auch<br />

positiv auf dem Arbeitsmarkt niedergeschlagen hat, aber<br />

diese Erholung war nur in den westlichen Bundesländern<br />

zu verspüren und auch dort nur eingeschränkt. Wenn man<br />

sich jetzt die konkreten aktuellen Daten ansieht, so muß<br />

man zunächst einmal feststellen, daß wir einen deutlichen<br />

Rückgang der Auslandsnachfrage in den ersten zehn Monaten<br />

dieses Jahres zu konstatieren haben und daß die positive<br />

Gesamtentwicklung im Zeitraum <strong>von</strong> Januar bis Oktober<br />

dieses Jahres vor allem bei den Investitionsgütern und<br />

Vorleistungsgütern zu verzeichnen war. In Schlüsselbranchen<br />

wie beispielsweise im Bereich des Maschinenbaus haben<br />

wir wegen des zunehmend schwachen Exportgeschäfts<br />

sogar eine eher unterdurchschnittliche Entwicklung.<br />

Vor diesem Hintergrund ist doch die Frage erlaubt, ob man<br />

pauschal sagen kann: Es geht aufwärts, wir haben sozusagen<br />

das Tal der Tränen hinter uns, und wirtschaftlich<br />

zeichnet sich alles in rosaroten Tönen ab.<br />

Ich will auch noch etwas anderes ansprechen, Herr Ministerpräsident.<br />

Sie haben vorhin in Ihrer Regierungserklärung<br />

darauf hingewiesen, welch tolles Land <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

ist. Ich will dazu eines sagen: Wer <strong>von</strong> uns klopft<br />

sich nicht gern einmal selbst auf die Schulter? Das ist doch<br />

gar kein Problem. Sie werden damit natürlich immer breiten<br />

Konsens finden, aber die Zahlen, meine Damen und<br />

Herren<br />

(Zuruf des Abg. Scheuermann CDU)<br />

– ja, Herr Scheuermann, darüber wollen wir sprechen –,<br />

sprechen natürlich auch eine andere Sprache. Wenn Sie<br />

einmal den Vergleich mit den anderen süddeutschen Ländern<br />

in bezug auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts<br />

im letzten Jahr ziehen, dann stellen Sie fest, daß wir<br />

mit 2,6 % noch hinter Hessen, Bayern und Rheinland-Pfalz<br />

lagen.<br />

(Abg. Deuschle REP: Hört, hört!)<br />

Der Beschäftigungsabbau in den Jahren 1992 bis 1996 war<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> mit 6,5 % deutlich höher als im gesamten<br />

Bundesdurchschnitt mit etwa 5,0 %, und bei der<br />

staatlichen Investitionstätigkeit fällt auf, daß beispielsweise<br />

in Bayern im Bereich des Landes und der Gemeinden<br />

Sachinvestitionen in Höhe <strong>von</strong> etwa 1 010 DM pro Kopf<br />

der Bevölkerung getätigt wurden. In <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

sind es nur 777 DM pro Kopf. Sie können auch andere<br />

Zahlen heranziehen. Wenn Sie das Durchschnittseinkommen<br />

der Lohnsteuerpflichtigen nehmen, liegen wir auch<br />

hinter Hessen und Nordrhein-Westfalen. Sie könnten sich<br />

aber auch einmal die Entwicklung im Bereich der Dienstleistungen<br />

ansehen. Auch hier ist die Pro-Kopf-Wertschöpfung<br />

in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> deutlich niedriger als in Bayern<br />

und in Hessen.<br />

Deswegen sage ich, Herr Ministerpräsident: Bei allem<br />

Selbstlob, das ich Ihnen durchaus nachsehe, wenn Sie hier<br />

Ihre Bilanz darstellen wollen, wäre ein bißchen mehr<br />

Selbstkritik angemessen gewesen.<br />

(Beifall bei den Republikanern)<br />

Nun sagen Sie: „Wir wollen das modernste Land in Europa<br />

sein.“ Ich gebe Ihnen recht, daß im Blick auf die weitere<br />

wirtschaftliche Entwicklung sicherlich einige Probleme im<br />

Zusammenhang mit den Aktivitäten der neuen rotgrünen<br />

Bundesregierung zu gewärtigen sind. Denn trotz aufwärts<br />

gerichteter Konjunktur sind die Kernprobleme unserer<br />

Wirtschaft nicht überwunden. Die Wachstumsdynamik ist<br />

ja nach wie vor eher gering. Und jetzt kommt auch noch<br />

das Problem der Steuerreform hinzu.<br />

Die vorhandene Problemlage wird durch die rotgrünen<br />

Steuerpläne weiter verschärft. Diese Pläne sind hinsichtlich<br />

der Senkung der Grenzsteuersätze, der Verbreiterung der<br />

Bemessungsgrundlage sowie auch hinsichtlich der Nettoentlastung<br />

schlichtweg unzureichend. Insgesamt sind die<br />

Maßnahmen der neuen Bundesregierung mehr oder minder<br />

verteilungspolitisch geprägt, was sich zwar leicht positiv<br />

auf den Produktionsfaktor Arbeit, aber nicht auf den Produktionsfaktor<br />

Kapital auswirken wird. Welche fatalen<br />

Fernauswirkungen das haben wird, werde ich Ihnen nachher<br />

noch an einem anderen Beispiel deutlich machen.<br />

Im übrigen möchte ich hier noch einen Punkt herausgreifen,<br />

der in der Debatte über die rotgrünen Steuerreformpläne<br />

noch gar nicht richtig erwähnt worden ist: Man muß<br />

sich einmal die Auswirkungen dieser Steuerreform auf die<br />

privaten Haushalte deutlich machen. Da die Mehrheit der<br />

Bevölkerung eine starke Beschränkung ihrer Mobilität<br />

ebensowenig hinnehmen kann wie Einschnitte beim häuslichen<br />

Energieverbrauch, werden die Verbraucher Belastungen<br />

aus einer Ökosteuer, wie sie jetzt in Aussicht gestellt<br />

ist, nicht in erster Linie durch Einsparungen, sondern durch<br />

Umschichtungen im privaten Haushaltsbudget auszugleichen<br />

versuchen. Diese notwendigen Einsparungen werden<br />

dann erfahrungsgemäß vor allem in den Dienstleistungsbereichen<br />

realisiert – etwa im Bereich der Gastronomie oder<br />

im Handwerk –, die aufgrund ihres geringen Energieverbrauchs<br />

und ihres hohen Personaleinsatzes eigentlich zu<br />

den Gewinnern jeder wirklich ökologischen Steuerreform<br />

gehören sollten. Auch deswegen ist diese ökologische<br />

Steuerreform nicht das wert, was sie in ihrem Titel verspricht.<br />

(Beifall bei den Republikanern – Zuruf des Abg.<br />

König REP)<br />

Herr Ministerpräsident, ich komme jetzt zu einem ganz<br />

entscheidenden Gesichtspunkt, der diesen Anspruch, modernstes<br />

Land in Europa zu sein, im Kern trifft.<br />

(Zuruf des Abg. Deuschle REP)<br />

Wir sollten uns nämlich einmal bewußt machen, daß der<br />

Modernisierungsgrad des Kapitalstocks in <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong><br />

seit 1992 rückläufig ist. Betrug der Anteil der bis<br />

zu fünf Jahre alten Ausrüstungsgüter, der ja immerhin der<br />

Indikator für den Modernisierungsgrad unserer Wirtschaft<br />

schlechthin ist, 1992 noch 46,8 %, war er im Jahr 1995 be-<br />

4501

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!