27.04.2014 Aufrufe

Landtag von Baden-Württemberg - Landtag Baden Württemberg

Landtag von Baden-Württemberg - Landtag Baden Württemberg

Landtag von Baden-Württemberg - Landtag Baden Württemberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

(Stellv. Präsident Weiser)<br />

<strong>Landtag</strong> <strong>von</strong> <strong>Baden</strong>-<strong>Württemberg</strong> – 12. Wahlperiode – 57. Sitzung – Mittwoch, 9. Dezember 1998<br />

Meine Damen und Herren, zu Punkt 3 der Tagesordnung<br />

darf ich feststellen, daß die antragstellende Fraktion die<br />

Absetzung dieses Punkts <strong>von</strong> der Tagesordnung der heutigen<br />

<strong>Landtag</strong>ssitzung beantragt hat. – Wir nehmen da<strong>von</strong><br />

Kenntnis. Punkt 3 ist abgesetzt.<br />

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:<br />

Antrag der Fraktion Die Republikaner und Stellungnahme<br />

des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung<br />

und Kunst – Studiengebühren – Drucksache 12/1913<br />

Bei diesem Antrag handelt es sich um einen Berichtsantrag.<br />

(Abg. Brechtken SPD: Den können wir für erledigt<br />

erklären!)<br />

Die Fraktion Die Republikaner hat aber heute einen weiteren<br />

Antrag, den Antrag Drucksache 12/3544, eingebracht.<br />

Ich rufe diesen Antrag unter Tagesordnungspunkt 4 mit auf<br />

und darf auf die vom Präsidium festgelegten Redezeiten<br />

hinweisen.<br />

Das Wort hat Herr Abg. Deuschle.<br />

Abg. Deuschle REP: Herr Präsident, meine Damen und<br />

Herren! Die Stellungnahme der Landesregierung zu unserer<br />

Initiative ist nicht befriedigend und liegt eigentlich unter<br />

dem Niveau, das wir bisher vom Haus des Herrn <strong>von</strong><br />

Trotha gewohnt sind. Es reicht nicht aus, sich auf die Regierungserklärung<br />

<strong>von</strong> 1996 zu beziehen, wonach in der<br />

jetzigen Legislaturperiode die Einführung allgemeiner Studiengebühren<br />

nicht vorgesehen ist. Nachdem das Verwaltungsgericht<br />

Mannheim die Rückmeldegebühr als rechtswidrig<br />

gestoppt hat, fehlen deshalb allein im nächsten Jahr<br />

40 Millionen DM im Wissenschaftsetat. Dazu kommt, daß<br />

der Herr Finanzminister erst vor wenigen Tagen zugeben<br />

mußte, daß für das Jahr 1999 noch ein 300-Millionen-DM-<br />

Defizit im Staatshaushalt auszugleichen ist, und zwar<br />

durch Einsparungen in allen Ressorts.<br />

Eine Neuorganisation der Hochschulfinanzierung ist auch<br />

deshalb notwendig, weil aufgrund des Solidarpakts, der<br />

den Universitäten eine Stabilisierung ihrer Einnahmen auf<br />

dem Niveau des Jahres 1996 garantiert, bei den vorherigen<br />

Sparrunden und bei den zu erwartenden Sparbemühungen<br />

vor allem die Fachhochschulen gegenüber den geschützten<br />

Universitäten benachteiligt wurden bzw. werden.<br />

In den letzten Tagen haben sich auch Politiker aus anderen<br />

Parteien für eine neue Hochschulfinanzierung ausgesprochen.<br />

So haben Sie, Herr Kollege Pfister, sich für die FDP/<br />

DVP-Fraktion zu nachlaufenden Studiengebühren positiv<br />

geäußert. In ähnlicher Weise haben sich auch der Fraktionsvorsitzende<br />

der CDU, Herr Oettinger, sowie der Herr<br />

Wirtschaftsminister geäußert.<br />

Wir Republikaner haben einen Vorschlag zur Neuordnung<br />

der Hochschulausbildung vorgelegt, der sowohl einen ordnungspolitischen<br />

als auch einen finanziellen Aspekt enthält.<br />

Seit Jahren ist nämlich eine deutliche Verschlechterung<br />

der Rahmenbedingungen in der Hochschulausbildung<br />

auszumachen, die mit der Entwicklung zur Massenuniversität<br />

zusammenhängt.<br />

(Glocke des Präsidenten)<br />

Stellv. Präsident Weiser: Meine Damen und Herren, ich<br />

darf darum bitten, nicht vermeidbare Gespräche außerhalb<br />

des Plenums zu führen.<br />

Abg. Deuschle REP: Danke schön.<br />

Merkmale der Fehlentwicklung sind die zu langen Studienzeiten<br />

und die Zahl der Studienabbrecher und Studienwechsler.<br />

In Deutschland brechen pro Jahr 70 000 Studierende<br />

ihr Studium ab. Dies ist eine Fehlleitung öffentlicher<br />

Mittel in Milliardenhöhe, die gegenüber dem Steuerzahler<br />

nicht zu verantworten ist.<br />

(Beifall bei den Republikanern)<br />

Damit droht auch eine Schieflage zwischen Hochschulausbildung<br />

und beruflicher Bildung zu Lasten der nichtakademischen<br />

Berufe.<br />

Die notwendige Strukturreform muß eine Reform der Studienplatzvergabe<br />

und eine Neuordnung des Finanzierungssystems<br />

beinhalten. Jedes Studium ist sowohl ein öffentliches<br />

Gut als auch eine private Lebensinvestition. Das Institut<br />

der Deutschen Wirtschaft hat schon vor einiger Zeit<br />

nachgewiesen, daß Akademiker im Durchschnitt ein Lebenseinkommen<br />

<strong>von</strong> 144 % des Nettolebenseinkommens<br />

aller Erwerbstätigen haben. Selbst wenn man einräumt, daß<br />

Akademiker als Spitzenverdiener auch eine höhere Steuerlast<br />

tragen, bestehen kaum zu rechtfertigende Umverteilungseffekte<br />

<strong>von</strong> Nichtakademikern zu Akademikern.<br />

Die so Bevorzugten – so eine aktuelle Analyse <strong>von</strong> Professor<br />

Herrmann <strong>von</strong> der TU München – stammen nur zu<br />

23 % aus Familien mit einem Bruttoeinkommen <strong>von</strong> weniger<br />

als 5 500 DM, die aber drei Viertel der Bevölkerung<br />

umfassen. Von den Arbeiterkindern gelangen nach der<br />

neuesten Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks<br />

nur acht vom Hundert an die Hochschulen.<br />

Daraus folgt: Das jetzige Hochschulfinanzierungssystem<br />

über Steuern benachteiligt in erheblichem Maße die Kinder<br />

<strong>von</strong> Arbeitern und Angestellten und muß deshalb geändert<br />

werden. Daran ändert auch die angekündigte BAföG-Reform<br />

im Grundsatz nichts.<br />

Nach unserer Auffassung könnten 10 % der durchschnittlichen<br />

Gesamtkosten eines Studienplatzes während einer Regelstudienzeit<br />

<strong>von</strong> zehn Semestern durch Studiengebühren<br />

aufgebracht werden. Dies würde in etwa einer Semestergebühr<br />

<strong>von</strong> 1 500 DM entsprechen, die aber nur für Studenten<br />

aus Familien mit einem Monatseinkommen <strong>von</strong><br />

über 5 000 DM erhoben würde.<br />

Das Gebührensystem sowie der laufende Lebensunterhalt<br />

eines Studierenden sind durch ein neu aufzubauendes Kredit-<br />

und Stipendienwesen zu begleiten, so daß kein wissenschaftliches<br />

oder berufliches Talent aus finanziellen Gründen<br />

verlorengehen kann. Das bedeutet die Schaffung eines<br />

Kapitalmarkts für Humankapital durch die Gründung einer<br />

staatlichen Studienkreditbank, in der nach einer gewissen<br />

Erstausstattung Auszahlungen und Rückzahlungen im Rahmen<br />

eines akademischen Generationenvertrages vorgenommen<br />

werden. Die Rückzahlung könnte einkommensabhängig<br />

nach Beginn der Berufstätigkeit erfolgen.<br />

4525

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!