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68<br />
TARIFRECHT<br />
<strong>personal</strong>magazin 09 / 10<br />
Bei Fragen wen<strong>de</strong>n Sie sich bitte an thomas.muschiol@<strong>personal</strong>magazin.<strong>de</strong><br />
Tarifklauseln individuell nutzen<br />
GRUNDLAGEN. Von gesetzlichen Untergrenzen kann durch Tarifvertrag abgewichen<br />
wer<strong>de</strong>n. Tarifl ose Betriebe können daran durch Bezugnahme partizipieren.<br />
Von Veit Vossberg<br />
Grundsätzlich darf in arbeitsrechtlichenIndividualvereinbarungen<br />
von Gesetzen nicht<br />
zulasten <strong>de</strong>r Arbeitnehmer abgewichen<br />
wer<strong>de</strong>n. Dies gilt jedoch dann<br />
nicht, wenn das Gesetz selbst eine solche<br />
Ausnahme zulässt, <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />
also eine sogenannte<br />
„Öffnungsklausel“ verfasst hat.<br />
Diese Öffnungsklauseln sehen<br />
dabei meist eine Abweichungsmöglichkeit<br />
nicht direkt durch<br />
einen Arbeitsvertrag vor, son<strong>de</strong>rn<br />
lassen Abweichungen<br />
vom staatlichen Recht zuungunsten<br />
<strong>de</strong>r Arbeitnehmer zunächst<br />
nur durch Tarifverträge<br />
zu. Heißt dies jetzt, dass <strong>de</strong>rartige<br />
Abweichungen nur in<br />
tarifgebun<strong>de</strong>nen Arbeitsverhältnissen<br />
umgesetzt wer<strong>de</strong>n<br />
können? Keinesfalls, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />
Gesetzgeber gestattet in <strong>de</strong>n meisten<br />
Fällen auch <strong>de</strong>m nicht tarifgebun<strong>de</strong>nen<br />
Unternehmer, auf <strong>de</strong>rart abweichen<strong>de</strong><br />
tarifvertragliche Bestimmungen zu verweisen,<br />
gewissermaßen auf einen Tarifvertrag<br />
„aufzuspringen“.<br />
Beispielsfall zum Befristungsrecht<br />
Wie eine gesetzliche Regelung, die eigentlich<br />
einer individualrechtlichen<br />
Abweichung nicht zugänglich ist, durch<br />
„Aufspringen“ auf eine tarifvertragliche<br />
Öffnungsklausel auch in einem tarifvertragsfreien<br />
Arbeitsverhältnis disponibel<br />
wird, zeigt sich eindrucksvoll an einem<br />
Beispiel aus <strong>de</strong>m Befristungsrecht.<br />
Nach <strong>de</strong>m Teilzeit- und Befristungsgesetz<br />
ist eine sachgrundlose Befristung<br />
lediglich bis zur Dauer von zwei Jahren<br />
zulässig (§ 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG). Gleichzeitig<br />
gibt <strong>de</strong>r Gesetzgeber <strong>de</strong>n Tarifpartnern<br />
die Möglichkeit, die Höchstdauer<br />
dieser Befristung durch Tarifvertrag zu<br />
erweitern (§ 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG). Wird<br />
Trittbrettfahren ist bei Tarifverträgen oft ausdrücklich erlaubt.<br />
davon in einem Tarifvertrag Gebrauch gemacht,<br />
so können wie<strong>de</strong>rum auch nicht<br />
tarifgebun<strong>de</strong>ne Arbeitgeber von dieser<br />
Abweichung profi tieren, was ebenfalls<br />
im Gesetz ausdrücklich vermerkt ist<br />
(§ 14 Abs. 2 S. 4 TzBfG).<br />
Die Metall- und Elektroindustrie<br />
Ba<strong>de</strong>n-Württemberg hat in ihrem Tarifvertrag<br />
die Möglichkeit vorgesehen,<br />
eine sachgrundlose Befristung auf vier<br />
Jahre zu verlängern. Somit kann auch<br />
<strong>de</strong>r nicht tarifgebun<strong>de</strong>ne Arbeitgeber<br />
im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags<br />
durch Abschluss einer vertraglichen Abre<strong>de</strong><br />
auf diese günstige tarifvertragliche<br />
Befristungsabre<strong>de</strong> verweisen.<br />
Die Gesetzesformulierung beachten<br />
Wer als nicht tarifgebun<strong>de</strong>ner Arbeitgeber<br />
von tarifvertraglichen Öffnungsklauseln<br />
Gebrauch machen will, muss die<br />
jeweiligen Gesetzesformulierungen genau<br />
beachten. So wer<strong>de</strong>n in einigen Öffnungsklauseln<br />
beson<strong>de</strong>re Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />
die Abweichungen gestellt. Zzum Beispiel<br />
sieht § 7 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG vor,<br />
dass eine tarifl iche Abweichung<br />
von <strong>de</strong>r Arbeitszeithöchst dauer<br />
nur dann zulässig ist, wenn in<br />
die tarifl iche Arbeitszeit Arbeitsbereitschaft<br />
o<strong>de</strong>r Bereitschaftsdienst<br />
fällt. Auch sehen<br />
Öffnungsklauseln wie beim<br />
Arbeitszeitgesetz zunächst<br />
vor, dass Abweichungen nur<br />
durch Betriebsvereinbarungen<br />
möglich sind. Besteht kein Betriebsrat,<br />
so erweitert sich die<br />
Öffnungsklausel ausdrücklich<br />
auf die dann bestehen<strong>de</strong> Möglichkeit,<br />
Abweichungen auch<br />
individualrechtlich festzulegen.<br />
Die arbeitsvertragliche Bezugnahme ist<br />
zunächst nicht formgebun<strong>de</strong>n und kann<br />
daher grundsätzlich auch mündlich, durch<br />
schlüssiges Verhalten o<strong>de</strong>r durch betriebliche<br />
Übung erfolgen. Aber Achtung: Im<br />
Einzelfall wird im Gesetz die Schriftform<br />
wie<strong>de</strong>rum angeordnet, so zum Beispiel<br />
bei <strong>de</strong>r Öffnungsklausel bezüglich <strong>de</strong>r<br />
Arbeitszeit (§ 7 Abs. 3 S. 1 ArbZG).<br />
Schließlich muss die abweichen<strong>de</strong> tarifl<br />
iche Vorschrift in ihrer Gesamtheit in<br />
Bezug genommen wer<strong>de</strong>n. Es ist nicht zulässig,<br />
lediglich einzelne Sätze <strong>de</strong>r abweichen<strong>de</strong>n<br />
Regelung zu übernehmen. Die<br />
abweichen<strong>de</strong> Vorschrift wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n<br />
© EUGENE IVANOV