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Psychotherapeutenjournal 3/2013 (.pdf)

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C. Hartl & W. ScheppWarum arbeite ich imMaßregelvollzug? –Statements von Kollegen• „Im Vergleich zu anderen Tätigkeitsbereichenim Angestelltenverhältnis habenPsychologen bzw. PsychologischePsychotherapeuten eine sehr wichtigeRolle und arbeiten überwiegend eigenverantwortlich.“• „Man arbeitet intensiv im multidisziplinärenTeam. Man ist kein Einzelkämpfer.“• „Der Aufgabenbereich ist sehr vielfältig.Es geht um Diagnostik, Behandlungsplanungund Therapie. Aber auch Prognoseund Kommunikation mit der Justizspielen eine wichtige Rolle. Zudem findetauch Case-Management statt, weilman als Psychotherapeut für die interdisziplinäreUmsetzung der Interventionenzuständig ist. Es besteht die Möglichkeit,außer den Einzel- und Gruppentherapienweitere Faktoren mit zugestalten, die auf den Patienten wirken(z. B. Stationsmilieu, Resozialisierungetc.).“• „Man hat sehr viel Zeit für die Behandlung.Es besteht kein Druck durch dieKrankenkassen. Die Behandlung dauertso lange wie nötig.“• „Man hat ein breites Behandlungsspektrumunterschiedlicher Diagnosen. Eswird nicht eintönig.“• „Ich arbeite mit Tätern, weil es ein wichtigerBestandteil der Opferpräventionist. Straftäter müssen sich mit ihren Deliktenauseinandersetzen und lernen,ihre Risikofaktoren zu ändern oder zukontrollieren.“• „Man bekommt interessante Einblickebei Personen und in Lebensbereiche,die man sonst nicht kennenlernt.“• „Es ist spannend, mit ,schwierigen‘ Patientenzu arbeiten. Weder Patient nochPsychotherapeut können die Behandlungeinfach abbrechen, sodass entstandeneKonflikte geklärt und bearbeitetwerden müssen. Gerade auf Beziehungsebeneist hier ein unermüdlicherEinsatz erforderlich, was die Arbeit sehrinteressant und herausfordernd macht.Ich freue mich sehr, wenn es gelingt,Veränderungen zu erzielen.“<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Fazit und abschließendeGedankenTrotz der aufgeführten Spannungsfelderscheint für viele Kollegen, die mit Straftäternarbeiten, ein hohes Maß an Arbeitszufriedenheitmöglich zu sein. Die abwechslungsreicheVielfalt der Arbeit, die hoheEigenverantwortung als Psychotherapeutund das gemeinsame Arbeiten im Teamführen dazu, dass viele Psychologen undPsychologische Psychotherapeuten gerneim Maßregelvollzug arbeiten.Der ethische Hintergrund, vor dem dieseTätigkeit stattfindet, macht eine Auseinandersetzungmit dem eigenen Tun besonderswichtig. Beauchamp und Childress(2008) formulierten die auch für die Psychotherapiegültigen vier Prinzipien derMedizinethik: Respekt vor der Autonomiedes Patienten, Nicht-Schaden, Fürsorgesowie Gleichheit und Gerechtigkeit. DieDilemmata zwischen diesen vier Prinzipienbestimmen die alltägliche Arbeit im Maßregelvollzugin besonderem Maße: Die Patientensind zur Therapie verurteilt undkommen nicht freiwillig. Vor allem zu Beginnder Unterbringung nehmen Patientenden Maßregelvollzug und damit die Psychotherapeutenals Teil der sie „verfolgenden“Justiz wahr. Sie sitzen hinter Gitternund erhalten nur dann Stück für Stückmehr Freiheitsgrade, wenn sie sich denvon außen vorgegebenen Anforderungenstellen. Vor diesem Hintergrund eine „freiwillige“ Entscheidung für die Psychotherapie,für die Auseinandersetzung mit dereigenen Person und den eigenen Straftatenund eine intrinsische Veränderungsmotivationzu entwickeln, ist ein hoherAnspruch an Patient und Psychotherapeut.Dieses Spannungsfeld immer wieder zubetreten und Schritt für Schritt darin vorwärtszu gehen, ist eine große Herausforderungfür alle Beteiligten.Als Psychotherapeut steckt man dabei beständigin einer Rollenkonfusion als Therapeutund Gutachter. Die Macht, die derPsychotherapeut über den Patienten hat,ist erheblich und führt zu einem ausgesprochenasymmetrischen Beziehungsgefüge.Um vor diesem Hintergrund eine erfolgreichePsychotherapie durchführen zukönnen, sind Transparenz, klare Absprachenmit dem Patienten sowie die regelmäßigeÜberprüfung des eigenen Handelnsunabdingbar. Nicht zuletzt dahersind kontinuierliche Supervision, Fallbesprechungenund Fortbildungen für Psychotherapeutenund für das gesamte Behandlungsteamim Maßregelvollzug vonbesonderer Bedeutung.LiteraturBeauchamp, T. L. & Childress, J. F. (2008).Principles of Biomedical Ethics. 6th edition.New York: Oxford University Press.Bezzel, A. (2008). Therapie im Maßregelvollzug– und dann? Eine Verlaufsuntersuchungan forensischen Patienten(§§ 63 und 64 StGB). Dissertation: UniversitätRegensburg.Dessecker, A. (2005). Die Überlastung desMaßregelvollzugs: Folge von Verschärfungenim Kriminalrecht? Neue Kriminalpolitik,17, 23-28.Endrass, J., Rossegger, A. & Braunschweig,M. (2012). Wirksamkeit von Behandlungsprogrammen.In J. Endrass, A. Rossegger,F. Urbaniok & B. Borchard(Hrsg.), Interventionen bei Gewalt- undSexualstraftätern. Berlin: MedizinischWissenschaftliche Verlagsgesellschaft.Hartl, C. (<strong>2013</strong>). Wie erfolgreich ist die Behandlungim Maßregelvollzug nach§§ 63 und 64 StGB? Eine Untersuchunganhand verschiedener Erfolgsmaße.Dissertation, Universität Regensburg.Leygraf, N. (1996). Praxis des Maßregelvollzugsin den alten Bundesländern. InR. Egg (Hrsg.), Der Aufbau des Maßregelvollzugsin den neuen Bundesländern.Wiesbaden: Schriftenreihe derKriminologischen Zentralstelle.Leygraf, N. (2006). Psychiatrischer Maßregelvollzug(§ 63 StGB). In H.-L. Kröber,D. Dölling, N. Leygraf & H. Sass (Hrsg.),Handbuch der Forensischen Psychiatrie.Band 3. Psychiatrische Kriminalprognoseund Kriminaltherapie. Darmstadt:Steinkopff.Seifert, D. (2007). Gefährlichkeitsprognosen.Eine empirische Untersuchungüber Patienten des psychiatrischenMaßregelvollzugs. Darmstadt: Steinkopff.235

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