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Psychotherapeutenjournal 3/2013 (.pdf)

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C. Hartl & W. Scheppmen, teilweise auch bizarre Fantasien oderabstoßende Tatverläufe bearbeitet werden.Andererseits steht bei der Reduzierung desDeliktrisikos in dieser Patientengruppe dieBearbeitung der Sexualität nicht alleine imVordergrund. Die intensive Auseinandersetzungmit dem Thema Sexualität stelltaber für hier tätige Psychotherapeuten einebesondere Anforderung dar.Therapie im Bereich des§ 64 StGBEin weiteres Fallbeispiel verdeutlicht dieArbeit im forensischen Suchtbereich:Eine Patientin wurde wegen Verstößengegen das Betäubungsmittelgesetz(BtMG) neben einer Freiheitsstrafezum zweiten Mal zur Unterbringungnach § 64 StGB verurteilt. Unter anderemaufgrund einer Legasthenie tatsich die Patientin in ihrer Kindheit in derSchule sehr schwer und sie wurde vonihren Mitschülern häufig gehänselt. Sieinternalisierte die abwertenden Aussagender anderen und entwickelte einenniedrigen Selbstwert. Später lernte sieeinige ältere Jungen und Mädchenkennen, die ihr sporadisch Anerkennungzukommen ließen, wenn sie Mutprobenbestand oder kleinere Aufträgevon ihnen ausführte. Die Mutprobenbestanden z. B. im Rauchen von Zigarettenund Trinken von Bier undSchnaps. Bei den Aufträgen handeltees sich anfangs um Zigarettenklauenund schließlich um erste Botengängeals Drogenkurier. So kam sie in denKontakt sowohl mit Drogen als auchmit einem kriminellen Umfeld. Mit 12Jahren rauchte sie Zigaretten und trankbald regelmäßig Alkohol, mit 13 Jahrenrauchte sie Cannabis und mit 15 Jahrenkonsumierte sie das erste Mal Heroin,das sie bald intravenös injizierte.Sie hatte sich damit die langersehnteZugehörigkeit zu einer Gruppe verschafft,was ihren Selbstwert steigerte.Die Realität ertrug sie in nüchternenPhasen immer weniger und sie entwickeltedepressive Episoden. Ihre ersteTherapie im Maßregelvollzug absolviertesie mit 25 Jahren. Sie konnte dieTherapie anfänglich gut für sich nutzenund eine klare Abstinenzentscheidunggegenüber illegalen Drogen aufbauen.<strong>Psychotherapeutenjournal</strong> 3/<strong>2013</strong>Sie lehnte es jedoch vehement ab, anihrer Alkoholproblematik zu arbeiten.Da sie schließlich in der Resozialisierungsphasewiederholt mit Alkoholrückfällig wurde, wurde die Therapienach 1,5 Jahren abgebrochen. DenRest ihrer Freiheitsstrafe musste sie inder Justizvollzugsanstalt (JVA) absitzen.Sie konsumierte bald wieder Heroinund wurde erneut straffällig. Mit 32Jahren wurde sie erneut zur Unterbringungim Maßregelvollzug nach § 64StGB verurteilt. Dieses Mal hatte sievon Beginn an eine höhere Therapiemotivation,insbesondere auch bzgl.ihrer Alkoholabhängigkeit, mit der siesich nun auch auseinandersetzte. Sieinformierte sich über das Thema Depression,erarbeitete sich Strategien imUmgang damit, begann z. B. regelmäßigFahrrad zu fahren und nahm aucheine antidepressive Medikation ein. Siebeobachtete ihre automatischen Gedankenund erkannte den Zusammenhangzwischen ihrer depressiven Erkrankung,ihrer Einsamkeit, den internalisiertenSätzen ihrer Kindheit undihrem geringen Selbstwert. Auch hiererarbeitete sie sich funktionalere Kognitionen,was durch die Arbeit mit ihrem„inneren Kind“ gestärkt wurde. Diedepressiven Symptome verschwanden.Da sie die Struktur von außen durchden Maßregelvollzug in ihren Fortschrittendeutlich unterstützte und ihrSicherheit gab, wurde für die Resozialisierungein Übergang geplant, der dieseUnterstützung vorübergehend fortführte:Sie nahm an einer berufsförderndenMaßnahme teil, über die sie inein reguläres Arbeitsverhältnis fand,und wohnte zunächst in einer therapeutischbegleiteten Wohngemeinschaft,mit dem Plan, längerfristig ineine eigene Wohnung zu ziehen.An diesem Fallbeispiel wird deutlich, dassteilweise mehrere Anläufe notwendig sind,damit eine Therapie zum Erfolg führenkann. Über die forensisch-psychiatrischeAmbulanz der Klinik findet die ambulanteWeiterbehandlung der Patientin nach ihrerEntlassung statt. Es wird sich zeigen, obdie Patientin es schafft, das im stationärenSetting Gelernte auf ihren Alltag zu übertragen.Vielfach haben drogenabhängige Patientendamit zu kämpfen, in ein „cleanes Umfeld“hinein- und sich dort zurechtzufinden.Häufig sind ihnen dessen impliziteRegeln und Normen nicht (mehr) geläufig.Daher ist es schon im Rahmen des Maßregelvollzugswichtig, die Patienten durchgeeignete Schritte darauf vorzubereiten. Esist eine gestufte Hinführung in die z. T.neuen sozialen Situationen notwendig.Dazu gehören z. B. milieutherapeutischeMaßnahmen wie Tagesstrukturierung undFreizeitgestaltung durch die Pflegekräfte,die in der Forensik kotherapeutische Aufgabenübernehmen, die Entdeckung eigenerHandlungsmöglichkeiten durch die Ergotherapiesowie eine an den Bedürfnissendes Patienten ausgerichtete Resozialisierungsplanungdurch den Sozialdienst.Daher ist eine enge Verzahnung der psychotherapeutischenTätigkeit mit der Arbeitanderer Berufsgruppen wie Pflegedienst,Sozialdienst, Medizin, Ergo- und Bewegungstherapienotwendig. In der Regel istder Bezugspsychotherapeut dafür verantwortlich,die verschiedenen Bereiche so zukoordinieren, dass sie sich sinnvoll ergänzen.Bringt die Behandlungetwas?In nahezu allen Behandlungsbereichen derMedizin wird mittlerweile das Prinzip derevidenzbasierten Medizin verfolgt. Manverlässt sich nicht mehr nur darauf, waseinzelne meinungsbildende Koryphäen anBehandlungsempfehlungen abgeben. Vielmehrsollen Daten zur Effektivität von Behandlungengesammelt und bewertetwerden. Im besten Falle werden die Ergebnisseverschiedener Untersuchungen inMeta-Analysen zusammengefasst und zuBehandlungsleitlinien weiterentwickelt.In der Regensburger Klinik werden nun seitüber zehn Jahren Daten zum poststationärenVerlauf von Patienten gesammelt. Beiden ehemals nach § 63 StGB Untergebrachtenzeigt sich nach einem Jahr in Freiheit,dass gut 85% der Probanden bezüglichihrer psychischen Erkrankung stabiloder sogar in einem besseren Zustand alsbei der Entlassung sind (Hartl, <strong>2013</strong>). Jenach Schätzmethode haben etwa 90%233

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