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Handbuch für die kommunale Auseinandersetzung mit dem ...

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neue Versammlungsgesetz auch <strong>die</strong> Grundrechte aller anderen Bürger ein – das„Bürgerforum Gräfenberg ist bunt“ gibt daher zu bedenken: „Die Einschränkungvon Grundrechten ist […] kein geeignetes Mittel gegen Rechtsextremismus[…]. Den exzessiven Missbrauch solcher Rechte durch radikale Minderheitendadurch zu bekämpfen, dass <strong>die</strong>se Rechte für alle Bürger beschnittenund eingeschränkt werden, halten wir für einen falschen und gefährlichen Ansatz.“(Bürgerforum Gräfenberg 2009)Auch der Vorschlag, rechtsextreme Versammlungen einfach zu ignorieren undihnen auf <strong>die</strong>se Weise ihre öffentliche Resonanz zu nehmen, erweist sich in derPraxis als problematisch. Er unterschätzt den zentralen strategischen Stellenwertder Demonstrationspolitik für NPD und Freie Kameradschaften, <strong>die</strong>, wie bereitsskizziert, für das Selbstverständnis und <strong>die</strong> Binnenstruktur der Szene eine entscheidendeRolle spielt. Zu<strong>dem</strong> besteht <strong>die</strong> Gefahr, dass <strong>die</strong> unwidersprochenetemporäre Aneignung des <strong>kommunale</strong>n Raums durch Rechtsextremisten undihre Parolen zu deren „Normalisierung“ in der öffentlichen Wahrnehmung führt.Die <strong>kommunale</strong> <strong>Auseinandersetzung</strong> beginnt daher häufig <strong>mit</strong> der Einsicht, dassWegsehen und Ignorieren als erste Reaktion keinen Erfolg bringen. Im Gegenteilkann eine solche passive Reaktion sogar das Problem verfestigen, weil rechtsextremeDemonstrationsanmelder solche Orte gern gezielt und regelmäßig als Aufmarschgebietnutzen. Matthias Popp, zweiter Bürgermeister der oberfränkischenStadt Wunsiedel, <strong>die</strong> sich aufgrund der Grabstätte des ehemaligen Hitler-StellvertretersRudolf Heß auf <strong>dem</strong> örtlichen Friedhof bis zum Jahr 2004 zu einemregelrechten „Wallfahrtsort“ 2 für Rechtsextremisten aus ganz Europa entwickelthatte, sieht in „Nichtbeachtung […] kein wirksames Mittel gegen rechtsextremeProvokationen“ und hält Angst für einen „schlechten Ratgeber“ (Popp 2007).Zwar können im Rahmen bewusster politischer Gegenstrategien <strong>die</strong> <strong>dem</strong>onstrativeMissachtung ebenso wie Verbote rechtsextremer Aufmärsche fraglosHandlungsoptionen darstellen, <strong>mit</strong> denen sich <strong>kommunale</strong> Akteure symbolischgegen Rechtsextremismus positionieren. Diese Reaktionsmuster sollten aberunbedingt in erkennbare Konzepte eingebunden sein, <strong>die</strong> eine aktive <strong>Auseinandersetzung</strong><strong>mit</strong> den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Rechtsex-2 Rudolf Heß starb am 17. August 1987 im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau. Seit1988 finden rund um den Todestag „Gedenkmärsche“ der rechtsextremen Szene statt. Zwischen1991 und 2000 wurden entsprechende Versammlungen in Wunsiedel allerdings verboten.In den folgenden Jahren entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zugunsten der Neonazis.So konnten im Jahr 2001 rund 1 000 Rechtsextremisten durch Wunsiedel marschieren.2002 waren es 3 000, im darauf folgenden Jahr 4 000. 2004 zogen knapp 5 000 Rechtsextremistendurch <strong>die</strong> Stadt. Seit 2005 untersagte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aufgrundeiner veränderten Rechtslage <strong>die</strong> Rudolf-Heß-Gedenkmärsche in Wunsiedel.100 Rechtsextremismus und öffentlicher Raum

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