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328 BuB | Foyer Ausland
Ausland
Der keltische Tiger auf
dem Sprung
Die Öffentlichen Bibliotheken Irlands haben
sich rasant entwickelt
In den letzten Jahren war
viel vom »keltischen Tiger«
Irland die Rede: Immer neue
überdurchschnittliche Wachstumsraten
ließen das vormalige
Armenhaus Europas zu einem
der in ökonomischer Hinsicht
großen Gewinner innerhalb der
Europäischen Union werden. In
diesem Zusammenhang haben
auch die Öffentlichen Bibliotheken
auf der Grünen Insel in den
vergangenen Jahren eine rasante
Entwicklung durchgemacht.
Auch wenn die Iren europaskeptisch
und eigensinnig sind (man
denke nur an die letzte Volksabstimmung
zur europäischen
Verfassung), sie haben Deutschland
in vielerlei Hinsicht überholt.
Wenn man den Statistiken
glauben darf, dann beim Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf, bei
der Kaufkraft, allerdings auch,
was das Maß an sozialer Ungleichheit
angeht. 1
Doch was hat sich in Bezug
auf die irischen Bibliotheken
getan? Bislang sind die Berichte
dazu recht dünn, bis auf einige
Schlaglichter, die in Deutschland
dankenswerterweise vor
allem durch Globolibro (http://
globolibro.wordpress.com/) in
die Fachwelt getragen werden.
Dabei hat sich in Irland sehr
viel getan: Die irischen Bibliotheken
sind auf dem Weg in die
Moderne und haben in den letzten
Jahren eine beeindruckende
Wegstrecke zurückgelegt.
An dieser Stelle kann und soll
kein Überblick zum gesamten
irischen Bibliothekswesen gegeben
werden, das würde auch
den Rahmen dieses Beitrags
sprengen. 2 Erwähnt werden
sollen nur einige grundsätzliche
Zusammenhänge und Fakten,
um einen groben Kontext zu
liefern.
Irland weist, bedingt durch
seine lang währende gemeinsame
Geschichte mit Großbritannien
als Teil des United
Kingdom bis 1922 (endgültig
verabschiedete sich Irland,
ausgenommen natürlich Teile
Nordirlands, erst 1949 aus
dem Commonwealth), manche
Parallele und Gemeinsamkeit
mit dem britischen Bibliothekswesen
auf. Insbesondere der
vergleichbar frühe Erlass eines
Bibliotheksgesetzes, das es den
Gemeinden gestattete, Steuergelder
für den Aufbau von Bibliotheken
und deren Gebäuden
zu erheben, geht darauf zurück.
Irlands Bibliotheksgesetz
trat 1855 in Kraft3 und führte
unmittelbar zur Gründung von
vorerst sehr wenigen Öffentlichen
Bibliotheken. Die älteste,
die Bibliothek in Dundalk, 1858
gegründet, besteht übrigens bis
heute – in einem Gebäude aus
dem Jahre 1870 – und vermittelt
einen ganz eigenen und ty-
pisch irischen kontrastreichen
Charme von altem Granitbau
und modernem Bibliotheksinterieur.
Entwicklungen der
letzten Jahre
Die derzeit 32 lokalen Bibliotheksbehörden
Irlands (4
städtische, 28 »regionale«) sind
verantwortlich für 356 öffentliche
Bibliothekssysteme (mit
rund 1 000 Zweigstellen). Die
Öffentlichen Bibliotheken zeigen
dabei ein recht heterogenes
Leistungsspektrum. Finanziert
entweder durch die Städte oder
durch die Gemeinden4 erreichen
sie nach einer Studie von 2003
etwa ein bis zwei Drittel der Bevölkerung5
. Längst noch nicht
alle bieten ihre Kataloge über
das Internet an, und mehr als die
Hälfte der Bibliotheken öffnen
pro Woche lediglich an 10 bis 29
Stunden.
Und dennoch sind mit diesem
Status quo schon erhebliche
Verbesserungen erreicht worden,
zumal die Leistungskraft
der einzelnen Systeme sehr unterschiedlich
ist, da die lokalen
beziehungsweise regionalen
Träger und Bibliotheksverwaltungsbehörden
in der konkreten
Ausgestaltung weitgehend freie
Hand haben. Mehr noch, das
Tempo, in dem die Bibliotheken
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Die Bibliothek in Dundalk vermittelt den typisch irischen kontrastreichen
Charme von altem Granitbau und modernem Bibliotheksinterieur.
Fotos: Dundalk Library
modernisiert sowie mit EDV
ausgestattet werden, digitale
Angebote erstellen und die Bibliotheksmitarbeiterweiterqualifi
zieren, ist atemberaubend.
Doch woher rührt diese Innovationskraft?
Einen gewichtigen
Anteil daran hat die Regierung,
die für die Öffentlichen Bibliotheken
des Landes über das
Ministerium für Umwelt, Kulturerbe
und Gemeindeverwaltung
verantwortlich ist. 1977
initiierte das Ministerium eine
breit angelegte Studie über den
Stand des Öffentlichen Bibliothekswesens
in Irland. Beteiligt
waren neben dem Ministerium
Vertreter der lokalen Behörden,
der Bibliotheksagentur (zu ihr
später) und Bibliothekare.
Bis Ende 1998 realisierte das
Team eine umfangreiche Forschungsarbeit.
Nach einer Fülle
von Erhebungen und Interviews
konnten in einem Abschlussbericht
nicht nur Stärken und
Schwächen der Öffentlichen
Bibliotheken Irlands offengelegt
werden, sondern es wurde auch
1 Vgl. dazu www.eds-destatis.de/
de/press/download/08_12/176-
2008-12-11.pdf
2 Eine erste Quelle, neben Wikipedia,
sind die im Pulman-Web zusammengetragenen
Fakten. Vgl.
hierzu: www.pulmanweb.org/do
cuments/german_reports/Irland.
doc
3 1850 wurde in Großbritannien
das erste Bibliotheksgesetz in
Hinblick auf die Öffentlichen
Bibliotheken erlassen und 1853
auf Irland und Schottland ausgedehnt.
Da es sich auf Gemeinden
mit einer Einwohnerzahl ab
10 000 bezog und Irland kaum
Orte dieser Größe aufwies, hatte
es vorerst nur geringe Wirkung.
Das Gesetz von 1855 senkte die
Grenze dann ab auf Städte beziehungsweise
Gemeinden mit mehr
als 5 000 Einwohnern. Vgl. dazu:
The Cambridge History of Libraries
in Britain and Ireland. Hrsg.
Alistair Black, Peter Hoare. Cambridge
University Press, 2006.
Bd.3: Moran, Catherine and Pearl
Quinn. The Irish library scene.
1850–2000.
4 Vgl. dazu: www.librarycouncil.ie/
public/overview.shtml
5 Vgl. dazu: www.librarycouncil.
ie/publications/pdf/library_coun
cil_TNS_mrbi_survey_results.
pdf.
BuB | 61 (2009) 05