<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>10körperlichen und seelischen Entwicklung voranzuschreiten, sondern auch im Glauben zu wachsen.Man spricht deshalb sehr anschaulich von einer "geistlichen Biographie", analog zum Wachstum derLebenserfahrung. Wachstum im Glauben meint, dass sich die Beziehung zu Gott verändern kann undmuss, weil jeder Mensch sich verändert.Paulus an die Korinther: Milch & FleischDer Apostel Paulus musste einmal den Christen in Korinth ins Gewissen reden und sprach daher vonder Milch des Glaubens und vom festen Fleisch. Dabei erinnert er an seinen ersten Besuch bei ihnen,wie er sie anfangs zum Glauben gewann, und er erinnert auch daran, dass sie angesichts ihrergegenwärtigen Probleme scheinbar dort stehengeblieben sind:„Und ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden wie zu geisterfüllten Menschen, sondern nurwie zu fleischlich gesinnten, wie zu Unmündigen in Christus. Milch gab ich euch zu trinken,nicht feste Speise, denn ihr konntet sie noch nicht vertragen. Ja, auch jetzt könnt ihr’s nochnicht, denn ihr seid noch fleischlich. Wo nämlich Eifersucht und Streit herrschen, seid ihr danicht fleischlich und lebt nach Menschenweise?“ (1 Kor 3,1-5a)Ich möchte anhand dieser Bibelstelle ein paar Punkte nennen, die dazugehören, wo derKindheitsglaube aufhört und ein <strong>Erwachsen</strong>englaube beginnt:• Paulus weiss darum, dass er reden und verkünden muss nach dem jeweiligenFassungsvermögen. Zu einem Kind wie einem erwachsenen Neubekehrten muss er andersreden wie zu denen, die schon länger im Glauben bewandert und im Glauben bereitsgewachsen sind. Das ist eigentlich selbstverständlich. Auch Paulus muss zunächst mit demArbeiten, was eben möglich ist.• Paulus sagt, dass sie die feste Speise des Glaubens noch nicht vertragen konnten. Wir könnendies gut verknüpfen mit den Zusprüchen, die der Kinderglaube uns bietet: Du bist gut, du bisteinmalig, du bist geliebt, du bist frei. Diese Milch muss ich auch erst trinken. Ich muss michauch anfangs erst einmal in einen Glauben eingewöhnen, muss Grund unter die Füssebekommen. Ich muss mich ein wenig erst in einem Glauben beheimaten, vielleicht sogar einwenig verlieben, bevor ich bereit bin für weiteres Wachstum. Wenn ich sage: „Ja, du bistzwar gut, aber die Fähigkeit zur Sünde und zu viel Übel liegt in dir!“, oder „Ja, bist einmaligfür Gott, genauso wie es alle Menschen auf diesem Planeten und zu allen Zeiten sind, das istnicht ganz so besonders.“, oder „Ja, du bist von Gott geliebt, aber du sollst ihn auch liebenund dich anstrengen.“, dann höre ich doch nur noch das, was nach dem „aber“ folgt, undüberhöre, was die Grundaussage davor ist.• Das Problem liegt nun nicht darin, dass der Glaube nur Milch zu bieten hätte. Verhängnisvollist es allerdings, wenn die kirchliche Verkündigung den Versuch unternimmt, denKinder<strong>glauben</strong> für das <strong>Erwachsen</strong>enalter einzufrieren oder aber aus Misstrauen einWachstum im Glauben erst gar nicht gesucht wird. Es schadet dem Glauben keineswegs,wenn in Jugendlichen und <strong>Erwachsen</strong>en Fragen aufbrechen; jede Antwort, die aus einerfruchtbaren Auseinandersetzung mit Gott resultiert, stellt ein Stück gewachsenen Glaubensdar. Entscheidend ist: Gott kann uns wie kein anderer Antworten auf unsere Fragen geben.• Paulus unterscheidet die Weise der Menschen und die Weise Gottes. Als erwachsener Christwende ich einen anderen Massstab an. Nehmen wir als Beispiel das Gebet: Als Kind bete ichund hoffe, dass ich von Gott bekomme, was ich für mich will, zum Beispiel eineSternschnuppe. Das ist ganz menschlich, ganz normal. Dieser Glaube, das Gott so viel fürmich tut, bricht, sobald ein Kind später die Erfahrung macht, dass viele Gebete vielleichtgehört, aber nicht erhört werden, besonders in den Erfahrungen auch von Krankheit undTod. Die Weise des Menschen ist dann zu sagen, dass Gebet nicht funktioniert. Die WeiseGott wäre aber zu sagen, dass Gebet nicht nur meinen Willen kennt, sondern mein Hören aufGottes Willen meint.
<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>11• Paulus beschimpft die Korinther, sie seien noch Unmündige in Christus. <strong>Erwachsen</strong>werden imGlauben heisst dann aber, dass ich ein Mündiger in Christus sein soll und sein kann. Mündigzu sein heisst aber doch, einen guten Selbststand zu gewinnen, heisst selber für sicheintreten und reden zu können. Dazu gehören aber doch auch eigenes Wissen, eigeneErfahrungen, eigene Entscheidungen, eigene Verantwortung. Das ist das erklärte Ziel desgeistlichen Wachstums.• Paulus will auch Taten sehen. Er sagt ja den Korinthern, sie seien immer noch wie Kinder,wenn es unter ihnen Eifersucht und Streit gibt. Zum erwachsenen Glauben gehört demnach,dass ich gegenüber den negativen menschlichen Gefühlen einen positiven Umgang durchJesus Christus gefunden habe. Und das habe ich auch zu verantworten.Damit haben wir bereits eine ganze Reihe von Punkten zusammengetragen, die uns eine Ahnungdavon geben, was den Kindheits<strong>glauben</strong> ablöst.KonkretBevor wir uns eine kleine Übung gönnen, möchte ich von dem bisher Gesagten einige Punkteableiten, die uns konkret im Glaubensalltag Hinweise sein können.• Oftmals beschäftigt uns die Glaubensentwicklung bei Kindern und erst recht beiJugendlichen, wenn diese nicht in den Gottesdienst (mehr) kommen. Wie nehme ich daswahr, als ob diese ihren Glauben verlieren oder als ob ihr Glaube sich - notwendig -verändert?• In Diskussionen um Kirchenkrise oder Gotteskrise oder Glaubenskrise taucht selten die Frageauf, was denn nun wirklich zum Wort Jesu oder zum Herz der Kirche gehört, oder was nurzeitliches Beiwerk ist. Beispiele aus solchen Debatten tun gut, sie darauf zu prüfen, ob diesnun Glaubensfundament ist oder bloss Beiwerk.• Wenn ich bemerke, dass mein Glaube sich verändert, dann ist das manchmal nicht nur einenotwendige Veränderung, sondern womöglich auch eine, die Gott mir schickt. Vielleichtschickt mir Gott manchmal einen Sturm. Ein reifer Glaube ist eben auch ein krisenfester undgelassener Glaube.1.3 ÜbungZitate-DialogeIch wähle ein bestimmtes Zitate aus der Mitte, die alle irgendwie das <strong>Erwachsen</strong>werden und<strong>Erwachsen</strong>sein kommentieren, mal ganz allgemein, mal sehr religiös. Ich möchte Sie bitten ein Zitatzu nehmen, damit im Raum herumzugehen und sich eine GesprächsparterIn zu suchen, mit der Siesich über Ihr ausgesuchtes Zitat austauschen, und natürlich auch hören, welcher Spruch von derjeweiligen GesprächsparterIn ausgesucht wurde. Halten wir das kurz! Das gibt uns die Möglichkeit,nochmals ein anderes Zitat zu suchen, und mich darüber mit jemand anderem zu unterhalten, mitdem ich vielleicht ohnehin schon längst habe mich austauschen wollen.• „<strong>Erwachsen</strong> sein ist irgendwie cool. Als <strong>Erwachsen</strong>er kann man alles selbst entscheiden. Manmuss nicht mehr fragen, nicht mehr auf seine Eltern hören.“• „Wenn man seine Eltern und viele andere <strong>Erwachsen</strong>e beobachtet, dann scheint ihnen ihrLeben nicht besonders viel Spass zu machen.“• „<strong>Erwachsen</strong> sein, das heisst, arbeiten gehen. Es gibt zwar Urlaub, aber der ist viel kürzer alsdie Ferien. Die Tage sehen eigentlich immer gleich aus: Aufstehen, Frühstück, dann zurArbeit. Nach der Arbeit essen. Dann Hausaufgaben-Kontrolle, dann fernsehen undirgendwann ab ins Bett. Am Wochenende stehen Aufräumen, Waschen und Putzen auf dem