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Dokument 2013 Erwachsen glauben

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<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>23Wenn du nicht mehr an Gott glaubst, an den du früher glaubtest, so rührt das daher, dass indeinem Glauben etwas verkehrt war, und du musst dich bemühen, besser zu begreifen, wasdu Gott nennst.Wenn ein Wilder an seinen hölzernen Gott zu <strong>glauben</strong> aufhört, so heißt das nicht, dass eskeinen Gott gibt, sondern nur, dass er nicht aus Holz ist.“Gott ist anders wie ich gedacht habe und erst recht, wie ich als Kind Gott gedacht habe, aber nur weiler anders ist, heisst das nicht, dass er nicht ist. Denke ich Gott anders, immer wieder anders, werdeich womöglich irgendwann ins Schwarze treffen.Tolstoi bleibt hier sehr skeptisch gegenüber dem Atheismus. Viele berühmte Atheisten waren jaeinmal gut gläubig, und haben irgendwann im Laufe ihres Lebens eine Enttäuschung an Gott erlebt,und dann haben sie das Projekt der Gottessuche beendet und allgemein für nichtig erklärt. Das istsehr gut bei den französischen Existentialisten zu beobachten. Sartre bekommt einen Gottvorgestellt, der eher wie ein grosser Chef agiert, der belohnt und bestraft, und wir sind die Masse derArbeiter, denen er gelegentlich auf die Schulter klopft, und diesen Gott stellt Sartre getrost zur Seite.Camus vertieft sich so stark in die Absurdität des menschlichen Lebens, dass er darin keinen Sinn undkeine Bedeutung und somit auch erst recht keinen Gott erkennen kann, und darum muss er sich mitdem schönen Leben an sich begnügen, nicht weil es Gott aber nicht gibt, sondern weil er sich einenGott im Absurden nicht denken kann. Simone de Beauvoir wollte einen Gott nicht wollen, der ihrjede irdische Freude nimmt, und wir fragen uns heute mit Recht, warum manch schlechterReligionslehrer oder Pfarrer so gute Atheisten hat hervorbringen können. Karl Rahner sagt einmallapidar, dass es - Gott sei Dank - den Gott, den viele Atheisten ablehnen, nicht gibt.Tolstoi sagt es so schön, dass mit manchen Gottesvorstellungen, mit manchem Gottes<strong>glauben</strong> etwasverkehrt sein kann. Im Sinne einer gesunden Fehlerkultur sind das Chancen, besser und tiefer nachGott zu fragen. <strong>Erwachsen</strong> sein im Glauben heisst für uns, die Gottesfrage nicht mit dem Ausgang derKindheit zu beenden, sondern die Aufgabe, mich mehr zu bemühen, besser zu begreifen, was ichGott nenne. Tolstoi sagt uns also, die Flinte der Gottesfrage nicht zu früh ins Korn zu werfen.Der dunkle Gott bei RilkeDie Gottesfrage taucht immer wieder unter anderen Vorzeichen in Kunst und Musik, Literatur undeben auch der Lyrik auf. Dort ist die Frage nach Gott nie zu den Akten gelegt worden. Wie vorsichtigund wie anders sich dort die Gottesfrage stellt, möchte ich an dem Dichter Rainer Maria Rilkedeutlich machen:"Ich habe viele Brüder in SutanenIm Süden, wo in Klöstern Lorbeer steht.Ich weiß, wie menschlich sie Madonnen planen,und träume oft von jungen Tizianen,durch die der Gott in Gluten geht.Doch wie ich mich auch in mich selber neige:Mein Gott ist dunkel und wie ein GewebeVon hundert Wurzeln, welche schweigsam trinken.Nur, dass ich mich aus seiner Wärme hebe,mehr weiß ich nicht, weil alle meine Zweigetief unten ruhn und nur im Winde winken."Für Rilke ist Gott ein dunkler Gott. Wir lassen Gott los, wenn es um uns dunkel wird, aber geradedann dämmern Gottes kommende Konturen. Gott ist für Rilke ein dunkles Netz, in dem sich unsereGefühle verfangen, ein Wald, aus dem wir nie hinausgegangen, ein Lied, das wir mit jedem

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