<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>48Würdigung dieser Stufe in Form von Anerkennung der Wurzeln (Gründer,Unternehmenshistorie) ist auch in westlichen Unternehmen wichtig und hat Einfluss auf denUnternehmenserfolg (siehe auch Strukturaufstellungen).• 3. Rot: Egozentrische Macht - Egozentrik und Macht steht im Vordergrund. Nur der eigeneVorteil ist wichtig. Dafür geht man auch (im wahrsten Sinne) über Leichen. Hier befinden sichUnternehmen mit Mafiastrukturen.• Blau: Mythische Ordnung - Es bilden sich Regeln, Gesetze und Werte. Alles hat einen vonoben festgelegten Sinn. Hierarchien sorgen für Ordnung. Treue und Loyalität wird belohnt.Das Interesse richtet sich nun auf Titel und gesellschaftliche Positionen in absolutistischenOrganisationen und patriarchalisch geprägten Organisationen. Diese konservative,komformistische Sicht umfasst ca. 30% der westlichen Welt und ist am stärksten inBürokratien und Grossunternehmen zu finden.• Orange: Wissenschaftliche Leistung - Die Welt der Wissenschaft und des Materialismus. Hierfinden wir Streben nach persönlichem, maximalem Erfolg, Wissen und Freiheit. Hier gilt:„Leistung muss belohnt werden“ und „Jeder kann gewinnen“. Unternehmen stehen imWettkampf zueinander, ständig auf der Suche nach immer besseren, effizienterenGeschäftsprozessen. Westlicher Anteil ca. 40%, d.h. dies ist die Sicht der meistenUnternehmen.• Grün: Sensitives Selbst - Diese Sicht steht für multikulturelles Bewusstsein, Pluralismus,Ökologie und Gleichberechtigung. Das Wir rückt in den Vordergrund. Gemeinsames Handelnim Team schafft neue Synergien. Es entstehen soziale Institutionen und Netzwerke, einesoziale Marktwirtschaft, Hilfsorganisationen. Anteil ca. 20%.• Gelb: Integral - Systemisches "Big Picture"-Denken und flexibles Handeln sind die Antwortauf komplexe Probleme, wie etwa globale Ökologie und sich rascher entwickelndeTechnologien. Alles befindet sich in Systemen in Systemen in Systemen. Erst aus dieser Sichtwird es möglich, alle Stufen wertzuschätzen und zu integrieren.• Türkis: Ganzheitlich - Globale Zusammenhänge werden wahrgenommen und alles danachausgerichtet. Vereinigung von Fühlen und Wissen; multiple Ebenen, verwoben in einbewusstes System. Eine universelle Ordnung, in einer lebendigen, bewussten Weise, dienicht auf äußeren Regeln (blau) oder Gruppenbindungen (grün), beruht. Hier befinden sichnur 0,1% der Bevölkerung.• Dass alles mit allem zusammenhängt, ich als Individuum mit allem zusammenhänge, das isteine Weltsicht, die sich erst langsam abzeichnet. Die Menschheit hat hier also ein Potential,in noch weitere Stufen hineinzuwachsen.Jeder Mensch und jede Organisation, die sich auf einer dieser Stufen befindet, hält die eigene Sichtfür die einzig Richtige und bekämpft die anderen. Da in grossen Unternehmen in der Regel ein Mixaus blau, orange und grün zu finden ist, sind die Konflikte vorprogrammiert. Die Orangen lehnen dieBlauen ab, die aus ihrer Sicht Veränderungen blockieren, und sie lehnen Grüne ab, die immer alleMeinungen integrieren wollen und daher endlos diskutieren. Grüne mögen die herzlosen,geldorientierten Orangen nicht und misstrauen blauen Hierarchien, usw. Damit wird uns auchdeutlich, warum dies für Führungspersonen in Wirtschaft und Politik von Bedeutung ist.Fowler und die Spiraldynamiken entwerfen ein bestimmtes Bild, wohin die Reise geht. Sie sagen uns,was es heisst im geistlichen und geistigen erwachsen zu werden. Fowler tut dies mit Blick auf dieLebensalter, die Spiraldynamiken tun dies mit Blick auf die Menschheitsgeschichte und zugleich aufdie Lebensalter. Es gibt dabei faszinierende Übereinstimmungen:• Die eine Stufe, die ich hinter mir lasse, nehme ich immer auch mit.• Als Mensch ist mir die Richtung angegeben: ich werde immer universaler, ganzheitlicher. Voneiner engen Sicht auf mich selbst oder meinen Stamm wachse ich hinein in eine Weite, wodie Gegensätze dieser Welt sich auflösen und ich innerlich die ganze Welt umfasse.
<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>49• Es gibt hier wie dort die Tendenz, dass ich daran wachse, wenn ich vom Wortwörtlichen zurBedeutung, von der Institution zum Individuellen, vom Äusserlichen zum Innerlichenentwickle.Die Frage aber ist auch, ob diese Form des geistigen <strong>Erwachsen</strong>werdens auch das Gleiche ist wie dasgeistliche <strong>Erwachsen</strong>werden. Die Frage wird deutlich, wenn ich mit einem solchen Modellnachschaue, welchen Gott ich suche. Überspitzt formuliere ich einmal so: Ist Gott denn wirklich erstzu finden als das geistige, holistische Überetwas, das sich in einem global-ganzheitlichen Bewusstseinerfahrbar wird, kein Du mehr, sondern bloss ein numinoses Es? Ich mag mich nicht so einfach lösenvon einem Gott, der mir wie ein Vater ist, eine Person, die mich hört, und die gelegentlich auchmeinem Stamm genauso hilft wie dem Rest der Menschheit.5.2.3 Von spirituellen Treppen und geistlichen LeiternMachen wir also von diesen allgemeinen Stufenmodellen hinüber zu den religiösen, christlichenModellen. Ich möchte einen diese Wende kurz umreissen und dann mehrere geistlicheStufenmodelle kurz ansprechen.Ortberg: Geistliches WachstumIch greife auf John Ortberg zurück, der in den vergangenen Jahrenzu einer wichtigen und zudem gut verständlichen Stimmegeworden ist, wo immer es um geistliches Wachstum geht. Er istPastor in der Menlo Park Presbyterian Church in Kalifornien.Kürzlich habe ich in einem Artikel von ihm gelesen, wie er sichdarüber ärgert, wie über geistliches Wachstum oftmals geredetwird. 9 Er nennt sechs Punkte:• Zunächst einmal ist es ärgerlich, als sei geistlichesWachstum nur etwas für besonders spirituell Interessierte, einSonderprogramm für jene, die eben etwas mehr in Sachen Glaubewollen. Dabei hat Gott doch in jeden Gläubigen etwas hineingelegt,das keimen und wachsen soll.• Die Methoden sind manchmal ärgerlich. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Beratern undBeratungsbücher auch für das Religiöse, die mir die eine gute Methode verkaufen. Es gibteine Vielzahl wirklich guter Methoden. Es gibt diese religiösen Wanderer, die vom Jakobswegzur Zenmeditation zur Engeltherapie zum christlichen Reiki (Das gibt es nicht) kommen. AlleNaselang wird eine neue Sau durchs Dorf gejagt. Aber das ist nicht geistliches Wachstum.Bleiben wir bitte im geistlichen <strong>Erwachsen</strong>werden vernünftig, nicht als fleissiger Schülervieler Methoden, sondern dass ich ein liebender Mensch werde.• Das eigene Selbst ist zentral für das geistliche Wachstum. Das zeigt sich in einer Veränderungin mir, die nicht nur meine Geistlichkeit, sondern auch meine Menschlichkeit betrifft. Dasmüssen andere spüren, dass ich geistlich wachse, ohne dass ich ein Wort darüber verliere,sonst mache ich mir etwas vor.• Geistliches Wachstum bleibt ein Geschenk von Gott.• Ortberg betont, dass geistliches Wachstum nicht über Nacht kommt. Es dauert lange und istauch schwer. Das ist sehr ärgerlich.• John Ortberg ärgert sich besonders darüber, dass das auch bei ihm so ist.Mit John Ortberg mögen wir die Korrekturen konkret machen, die wir gegenüber Fowler und denSpiraldynamiken formulieren können, wenn wir Stufenmodelle für christliches, religiöses Wachstum9 Vgl. John Ortberg, Was mich ärgert, in: Aufatmen Aug- Okt 3/<strong>2013</strong>, 83.