<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>64Joseph KentenichWenn wir von Kindlichkeit als einem spirituellen Weg reden, dann müssen wir nicht nur von Theresevon Lisieux reden, sondern auch von dem Gründer des Schönstattwerkes, Joseph Kentenich, denn erhatte sich mitunter der Aufgabe gestellt, eine ganze Spiritualität, ein „ganzes System desHeiligkeitslebens und -strebens“ von dem Gedanken der Kindlichkeit aufzubauen. 17Auch hier wird dem Glaubensleben damit eine Ausrichtung gegeben, einmal in Richtung Gott, dassich Gott in besonderer Weise als liebenden Vater annehme, ansehe und erfahre, dass ich ihmgegenübertrete als ein Gegenüber, ein Du, das mit mir in einen Bund der Liebe getreten ist, zumanderen in Richtung auf mich selbst. Das heisst hier dann vor allem, dass ich mich bemühe, mich indiese kindlichen Haltungen des Vertrauens, der Einfachheit, der Dankbarkeit, der Demut („Ich kanndas aber nicht!“), der Naivität und vor allem der kindlichen Liebe einzuüben. Das kindliche tiefeVertrauen in die Vorsehung eines liebenden Vatergottes lässt mich im Glauben sehr krisenfestwerden. Auch wenn ich in Not gerate, wenn ich Glaubenszweifel bekomme, ich vertraue darauf, dassGott alles zu meinem Besten lenkt und leitet. Kindlichkeit heisst auch hier eine Liebe, die zur Hingabefähig ist, die nicht mehr krampfhaft an ihrem Ego festhält, sondern sich aufzuschwingen versteht zurFeindesliebe. Kentenich ist für uns insofern interessant, weil er gut darum weiss, dass eben nicht nurdie Bindungen nach oben zu Gott dafür wichtig sind, sondern auch die Bindungen nach unten, zu denMenschen, an denen ich meine Verhaltens- und Gefühlsmuster lerne, egal, ob ich das längst inmeiner Kindheit geschenkt bekomme habe oder ob ich das <strong>Erwachsen</strong>er nachhole. Es ist nie zu spätfür einen glücklichen, liebevollen, vertrauensreichen Kinder<strong>glauben</strong>.Bei Therese von Lisieux wie bei Joseph Kentenich können wir sehr gut beobachten, wie stark Gott alsein persönliches vertrautes Gegenüber wird. Während Fowler und Spiraldynamiken ihr Ziel eher ineiner abstrakten, undurchsichtigen Weite sehen, wird Gott hier immer stärker ein konkretes Du.Mein Glaube wird ja erst dann richtig erwachsen, je mehr ich in meinem Vertrauen an diesesgöttliche Du wachse, je mehr ich mich als Kind vor diesem persönlich liebenden Gott auch fühle.Konkret möchte ich im Rückblick auf das bisher Gesagte zwei, drei Anregungen machen:• Kindlichkeit ist keine Kinderei, sondern es geht mir um Jesu Gottesreich!• Eine Erinnerung aus der Kindheit, wo ich gänzlich zufrieden und froh mit Gott war! - Unddann frage ich mich dabei, was mir durch den Kopf ging, was mir durch das Herz ging.Interessant wird die Frage sein, was eine solche kindliche Erinnerung verblassen liess, undnoch interessanter, was ich brauche, um mich wieder einmal vor Gott so zu fühlen.• „Es ist nie zu spät für einen glücklichen Kinder<strong>glauben</strong>!“6.3 ÜbungEinzelübung: Inneres TeamGottin mirder <strong>Erwachsen</strong>ein mirdas Kindin mirIch lege mir drei Worte auf den Boden: Kind, <strong>Erwachsen</strong>er undGottes Stimme in mir. Diese drei bringe ich in ein Gesprächzueinander. Was sagt Gott zu dem Kind in mir, das ich gewesen binund immer noch zu meiner Persönlichkeit gehört? Was sagt der<strong>Erwachsen</strong>e in mir zu dem Kind in mir? Was sagt aber auch dasKind oder der <strong>Erwachsen</strong>e in mir zu Gott? Wir führen dies als eineEinzelübung durch, d.h. ich nehme mir dieses Blatt und schreibe17 Vgl. u.a. Joseph Kentenich, Kindsein vor Gott, 37.
<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>65darauf, was Gott in mir zum Kind in mir wie zum <strong>Erwachsen</strong>en in mir sagen würde. Immerhin ergebensich so sechs Möglichkeiten, was der eine zum anderen mal sagen möchte.6.4 Gruppenaustausch6.5 SchlussbetrachtungEin Gedicht:So bin ich nur als Kind erwacht, so sicher im Vertraunnach jeder Angst und jeder Nacht dich wieder anzuschaun.Ich weiß, sooft mein Denken misst, wie tief, wie lang, wie weit - :du aber bist und bist und bist, umzittert von der Zeit.Mir ist, als wär ich jetzt zugleich Kind, Knab und Mann und mehr.Ich fühle: nur der Ring ist reich durch seine Wiederkehr.Gebet & Segen