<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>667 Siebter Abend: Gelassenheit, Stärke und Freude7.1 EinstimmungIch möchte abschliessend drei Eigenschaften benennen, an denenwir erwachsenen Glauben erkennen. Das sind gleichsam Früchte,die nur ein wirklich erwachsener Glaube ernten kann. Ich möchtedas Bild mit Steinstapel, Bambus und viel Grün dazu nutzen.• <strong>Erwachsen</strong>er Glaube birgt eine grosse Gelassenheit in sich.Gelassenheit ist ein Resultat von Erfahrung. Ich kann sagen, dassich dies und jenes schon erlebt habe. Ein Baum, an dem sich somanches Wildschwein gerieben hat, kann in aller Ruhe ruhigstehenbleiben. Ein standfester Baum weiss, wie tief die Wurzeln reichen und trotzt daher somanchem Sturm. So wie Steine in Balance aufeinander stehenbleiben, weil sie wohlausgerichtet und geschichtet sind, so bringt ein erwachsener Glaube auch eine grosseGelassenheit mit sich.• <strong>Erwachsen</strong>er Glaube birgt eine grosse Kraft in sich. Das darf und kann dann auch ein Glaubesein, der manches erträgt und aushält, der manche Arbeit erst zu leisten vermag. Wenn einKinderglaube wie Milch ist, die mich wohl ein wenig aufpäppeln kann, dann birgt erst der<strong>Erwachsen</strong>englaube die Kraft, die in fester Nahrung steckt, die mich aufbaut, die michschwere Arbeit vollbringen lässt. Der Bambus gilt als ein sehr festes Holz, das sehr belastbarist. Ein kleiner Bambus lässt sich mit einer Hand abbrechen. Ein grosser Bambus ist so stark,dass ich daraus Häuser und Gerüste bauen kann.• <strong>Erwachsen</strong>er Glaube muss ein Glaube voll Freude sein. Fragen wir uns nur kurz, was Freudein uns weckt. Ich freue mich, wenn ich ein Ziel erreicht habe und Erfolg hatte, oder wenn ichmit den Meinen in Gemeinschaft lebe. Ich freue mich, wenn ich feiern kann undZufriedenheit geniesse. Ich meine, ein erwachsener Glaube muss ein sehr freudiger Glaubesein, sonst machen wir uns etwas vor. Ein freudiger Glaube hat eine unzerbrechlicheHoffnung, daher passt dieses satte Grün so gut.7.2 ImpulsIch möchte heute Abend abschliessen, indem ich einmal zu Gelassenheit, Freude und Stärke dreiBibelstellen heranziehe, um diese Qualitäten eines erwachsenen Glaubens zu vertiefen. Danachwerde wir dies in ein Gebet einfliessen lassen.Gelassenheit„Wenn der Herrscher gegen dich in Zorn gerät, bewahre die Ruhe;denn Gelassenheit bewahrt vor grossen Fehlern.“(Koh 10, 4)Ein kurzer Kommentar zu diesem Schriftwort:• Das Wort „gelassen“ oder „Gelassenheit“ hat eine interessante Sprachwurzel: Es stammt ausdem mittelhochdeutschem „gelatenheit“, was ursprünglich „gottergeben“ bedeutete.
<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>67KraftGelassenheit geht mit dem Glauben Hand in Hand. Wenn ich mich in der guten und geliebtenHand Gottes weiss, kann ich gelassen leben, was auch immer geschieht und wie auch immermein Leben verläuft.• Normalerweise hören wir heute Kalendersprüche aus dem asiatischen Raum zurGelassenheit. Das ist insofern interessant, weil Gelassenheit als Seelenruhe zu den wichtigenTugenden sowohl der Bibel und auch erst recht der antiken Stoa ihren zentralen Platz hat.Wir müssen nicht ganz so weit gehen, um uns einen guten Zuspruch zur Gelassenheit zuholen.• Viele Kalendersprüche, wo auch immer her, empfehlen uns etwas Meditation, etwas wenigerStress, damit Gelassenheit kommt. Gelassenheit wäre ich, wenn ich ausgewogen bin, wennich in Balance zu mir selbst und zu allen anderen lebe. Ich brauche dafür nur einWeihrauchstäbchen und eine Viertelstunde Zeit ganz für mich. Der Prediger Kohelet sprichthier interessanterweise von einem anderen Kontext: Ein Herrscher gerät in Zorn. Das ist eineBedrohung von aussen, von oben. Dann hilft aber nicht eine Ruheübung, dann muss dieGelassenheit bereits eine innere Haltung geworden sein. Wir <strong>glauben</strong>, dass ein erwachsenerGlaube diese Gelassenheit schenkt, die mich auch in Anfechtungen ruhig sein lässt. DieseGelassenheit als innere Haltung trage ich in mir, ist Ausdruck meiner Standfestigkeit. Das giltaber auch, wenn ich drohe Fehler zu machen. Ich werde sicherlich Fehler machen, aber dieganz grossen Fehler werden ich leichter vermeiden können, wenn mein Glaube mir eine tiefeSeelenruhe schenkt.• Gelassenheit und Gebet sind für uns oft wie die zwei Seiten der einen Münze. Nur wenn ichbeten kann, brauche ich mich auch nicht zu zersorgen.Gott gibt Kraft zum Durchhalten. Das drückt diese Stelle beim Propheten Jesaja aus:„Jakob, warum sagst du, / Israel, warum sprichst du:Mein Weg ist dem Herrn verborgen, / meinem Gott entgeht mein Recht?Weisst du es nicht, hörst du es nicht? /Der Herr ist ein ewiger Gott, / der die weite Erde erschuf.Er wird nicht müde und matt, / unergründlich ist seine Einsicht.Er gibt dem Müden Kraft, / dem Kraftlosen verleiht er grosse Stärke.Die Jungen werden müde und matt, / junge Männer stolpern und stürzen.Die aber, die dem Herrn vertrauen, / schöpfen neue Kraft, / sie bekommen Flügel wie Adler.Sie laufen und werden nicht müde, / sie gehen und werden nicht matt.“(Jes 40,27-31)Ein kurzer Kommentar hierzu:• Wir sagen mit dem Apostel Paulus schnell, dass wir uns unserer Schwächen rühmen können.Ich muss mir nichts einbilden auf meine Stärken, denn das kommt ohnehin nicht von mir. VorGott ist alles an mir voller Schwächen, Fehler, Unzulänglichkeiten. Derselbe Paulus konntesich aber auch seiner Stärke rühmen, die Gott ihm geschenkt hat, und das ahmen wir nurselten nach. Warum eigentlich nicht? Wer hat uns beigebracht, uns klein zu halten?• Die Bibel ist voll von diesen Erfahrungen: Wer auf Gott vertraut, dem fliesst eine Kraft zu, diewahrlich von oben kommt. Das darf gelegentlich meine innere Haltung, mein Gebet sein: Du,Gott, bist meine Stärke, meine Kraft, und diese lässt mich fest dastehen.• In unserer Stärke ahmen wir nur Gottes Kraft nach. Das bringt Jesaja hier so deutlich hervor:Gott ist nicht müde und matt, darum werden auch die Gläubigen nicht müde und matt,höchstens die Jungen, deren Glaube noch nicht so recht erwachsen geworden ist. Wirvertrauen auf einen starken Gott.