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Dokument 2013 Erwachsen glauben

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<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>63besonders liebesfähig und liebesbedürftig, sondern sie bescherte ihr auch viel seelisches Leid. DerVerlust der Mutter mit vier Jahren und der Ersatzmutter, ihrer geliebten Schwester Pauline, mit neunJahren hinterliessen tiefe Wunden in der zarten Kinderseele. Psychosomatische Beschwerden,neurotische Nöte, Überempfindlichkeit, Ängstlichkeit, durch ihre religiöse Erziehung geförderteSkrupelhaftigkeit - mit all dem war Therese vertraut. Befreiung und Heilung fand sie in dem Masse,wie ihr der zärtlich liebende Gott Jesu aufleuchtete. Dieses Gottesbild stand diametral gegenüberdem damals weit verbreiteten, strengen Richtergott, aber es begegnete ihr auf jeder Seite desEvangeliums: „Ich finde nichts mehr in Büchern ausser im Evangelium, das genügt mir.“ AuchGlaubensnot ist ihr nicht erspart geblieben. Die letzten eineinhalb Jahre ihres Lebens waren nicht nurvon schweren körperlichen Leiden geprägt, die durch die fortschreitende Tuberkulose zunehmendGeschwächte ging darüber hinaus durch eine tiefe Glaubensnacht:„In den so frohen Tagen der Osterzeit liess Jesus mich fühlen, dass es tatsächlich Seelen gibt,die den Glauben nicht haben ... Er liess zu, dass dichteste Finsternisse in meine Seeleeindrangen ... Man muss durch diesen dunkeln Tunnel gewandert sein, um zu wissen, wiefinster er ist.“Nicht jugendlicher Überschwang, sondern in tiefster Not gereifte Hingabe liess sie ausrufen, dass ihrnur mehr eines wichtig sei: „lieben, bis ich vor Liebe sterbe.“ (ebd.) Das ist der Kern ihrer Botschaft:Therese ist zutiefst überzeugt, dass unser Leben keinen anderen Sinn hat als den, liebende Menschenzu werden. Sie möchte keine Gelegenheit auslassen, um Jesus „mit kleinen Dingen Freude zumachen“ und vor allem, um ihre Mitmenschen so lieben zu lernen, wie Gott sie liebt: „Ich begreife,dass die vollkommene Liebe darin besteht, die Fehler der anderen zu ertragen, sich nicht über ihreSchwächen zu wundern, sich an den kleinsten Tugendakten zu erbauen.“ Dem geht aber etwasvoraus: So lieben lernen kann nur, wer sich vom Urgrund des Lebens selbst - von Gott - umsonst undbedingungslos geliebt weiss, vor jeder Leistung und unabhängig von allem Versagen. Wie wohl diemeisten Menschen musste Therese um dieses restlose Vertrauen ringen, aber sie hat immer tiefererfahren, dass es ihr Flügel verlieh.Der geistliche Weg der kleinen Thérèse ist der Weg der geistlichen Kindschaft, er wird auch "derkleine Weg" genannt. "Klein" nennt man diesen Weg, weil er zum einen nichts "Aussergewöhnliches"fordert und daher von jedem Menschen gegangen werden kann. Zum anderen, weil der Menscheingeladen ist, seine eigene Armut und Kleinheit bewusst zu bejahen, um von Gott die wahre Grössezu erlangen, die er denen verleiht, die sich von ihm abhängig machen. Es ist ein Weg des Vertrauensund der Hingabe an den Willen des Vaters, der den ganzen Menschen fordert und in Dienst nimmt.Nicht das "Aussergewöhnliche", sondern das "Gewöhnliche" aussergewöhnlich gut zu vollbringenwar ihr Leitbild. Therese schreibt oder eher lässt diese Worte gegen Ende ihres Lebens aufschreiben:„Die Heiligkeit besteht nicht in dieser oder jener Übung. Sie besteht in einerHerzensbereitschaft, die uns demütig und klein in den Armen Gottes macht, in der wir unsunserer Schwäche bewusst sind und bis zur Verwegenheit auf die Güte des Vatersvertrauen."Je armseliger sie sich erlebt, desto grösser ist ihr Vertrauen auf Gottes erbarmende Liebe: "Hätte ichauch alle nur begehbaren Sünden auf dem Gewissen (!), ich ginge hin, mich in die Arme Jesu zuwerfen, denn ich weiss, wie sehr er das verlorene Kind liebt, das zu ihm zurückkehrt."Wie stark Therese es verstanden hat, einfach als Kind vor Gott als Vater zu leben und so auch zu<strong>glauben</strong>, verdeutlich eine kleine Erzählung von ihr, dass sie einmal sagt, sie hätte das Vaterunserbeten wollen. Sie sei aber nicht weit gekommen, sie sei einfach beim Wort „Vater“ stehengeblieben.Das ist typisch Therese, dass sie das eine wichtige für sich fasst und alles andere getrost weglassenkann: nämlich als Kind Gottes Gott gänzlich als Vater zu lieben.

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