<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>26BilderUrsprünglich waren die Gottesbilder die Bilder und Statuen, die in der frühen Antike im Tempel oderim Hausschrein standen und dort waren, was sie repräsentierten. Ihnen galt darum unmittelbar einekultische oder gottesdienstliche Verehrung. Gegen diese Kultgegenstände der vielen einzelnenAhnengötter oder Naturgötter wendet sich das biblische Bilderverbot in den Zehn Geboten:„Du sollst dir kein Gottesbild machen, keinerlei Abbild, weder dessen, was oben im Himmel,noch dessen, was unten auf Erden, noch dessen, was in den Wassern unter der Erde ist; dusollst sie nicht anbeten und ihnen nicht dienen; denn ich, der Herr, dein Gott, bin eineifersüchtiger Gott, der die Schuld der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Geschlecht anden Kindern derer, die mich hassen, der aber Gnade übt bis ins tausendste Geschlecht an denKindern derer, die mich lieben und meine Gebote halten.“ (Ex 20, 4-6)Was uns die Bibel direkt als Bild Gottes dennoch anbietet, ist der Mensch, der in der Genesis als BildGottes vorgestellt und vorgesehen ist, und Jesus Christus, der im Kolosserbrief als sichtbares Bild desunsichtbares Gottes beschrieben wird. Über die Jahrhunderte hat die christliche Kunst hier immermehr Dämme eingerissen und das Bilderverbot immer weiter verwässert. Die Bilder erschienen alshilfreiche und pädagogische Hilfskonstrukte, die uns wenigstens doch eine Ahnung von Gottvermitteln. Die mittelalterliche Theologie hat zu deren Rechtfertigung immer wieder verschiedeneBilder-Theorien entworfen, etwa ist der Mensch ein Bild Gottes, dem keine kultische Verehrungzukommen kann, aber Jesus Christus als Bild Gottes erscheint uns verehrungswürdig. Diemittelalterliche Theologie hat also gegenüber der Kunst immer wieder versucht, die Bilderflut starkeinzuschränken, und Mittel entwickelt, die Gefahren zu minimieren, sprich unentwegt zu betonen,dass ein Bild immer nur ein Bild ist und nur entfernt fähig, uns eine Ahnung von Gott zu vermitteln.Ob das in der Volksfrömmigkeit und der Spiritualität immer auch so verstanden wurde, bleibt zubezweifeln.Die Reformation hat darum die Bilder aus den Kirchen verbannt, auch in der Hoffnung, sie aus denKöpfen der Gläubigen verbannen zu können. Das hat zuvor auch schon der Philosoph Maimonidesunterstrichen, dass nämlich das biblische Bilderverbot sich nicht nur auf die Götzenbilder bezieht,sondern eben auch auf deren Wesen und Essenz, also geistige Gottesbilder. Im Gegenzug hat diekatholische Kirche dann Gott in jeglicher Weise gemalt, als hätte es nie ein Bilderverbot gegeben.Dadurch ist die Bilderflut in der Kirche leider auch eine konfessionelle Demarkationslinie geworden.Aber die interessantere Frage ist nicht die der Kunst und noch nicht einmal der Rechtgläubigkeit,sondern, ob wir überhaupt ohne Bilder denken können. Das wäre eher eine psychologische Frage.Religionspsychologen halten es oft für unmöglich, an einen Gott zu <strong>glauben</strong>, ohne sich ein Bild vonihm zu machen. Der Mensch ist gezwungen, sich Bilder zu machen. Ohne Bilder kann er nicht denken.Wir müssen in Bildern denken, um etwas zu begreifen und in unser Bewusstsein aufnehmen zukönnen. Analogien und Vergleiche sind die wichtigsten Instrumente unseres Lernens. Als Kinderkönnen wir nur durch Beobachten und Vergleichen die Welt erfassen und ihre Ereignisse einordnen.Somit geraten Gläubige in eine Falle, wenn sie versuchen, sich kein Gottesbild zu machen. Wer Gottdenkt, macht sich ein Bild von ihm. Wem es gelingt, kein Bild von Gott zu machen, verdrängt ihn ausseinem Bewusstsein.Wenn uns also die Religionspsychologen sagen, dass im frühen Kindesalter häufig die Eltern dasGottesbild eines Kind sehr stark prägen, dann ist das zunächst ganz normal und keinesfalls einSakrileg. Wir können die Dinge in der Welt - ob Eltern oder nicht - nutzen, um unsere Gottesbilder zumalen und einige Schritte auf ihn hin zu gehen, solange wir diese nicht kultisch verehren und solangewir wissen, dass es sehr wenig ist, was diese uns über Gott sagen können.
<strong>Erwachsen</strong> <strong>glauben</strong>27Das sagen übrigens die 24 Philosophen, die sich im Mittelalter daran machten, Gott auf den Begriff zubringen so aus:„Gott ist das, was der Geist nur im Nichtwissen weiss.“ 5Das Bild, auch wenn es Gott darzustellen versucht, zeigt mir mehr noch als es darstellt, was Gottnicht ist, und gerade dadurch erfahre ich viel darüber, was Gott ist. Die gleichen Denker habenübrigens ein Gottesbild gedacht, dass deutlich zeigt, wie wenig wir uns eigentlich vorstellen können,und sei es noch so geistig. Sie definieren Gott so:„Gott ist die unendliche Kugel, deren Mittelpunkt überall und deren Umfang nirgends ist.“So über Gott zu denken bringt uns der Naturphilosophie und der Kosmologie nahe, liefert vieleAnknüpfungspunkte, aber es erinnert uns auch stark daran, wie beschränkt unsere Bilder von Gottsind.Die Bilder mögen in unserem Kindheits<strong>glauben</strong> sehr wichtig gewesen sein. Sie mögen sichvergeistigen und andere verstandesmässige Dimensionen mit dem zunehmenden Alter angenommenhaben. Aber es tut und bleibt gut zu erinnern, dass all die Bilder nur Analogie sind, die nur uns eineschwache Ahnung vermitteln können, aber immerhin uns eine Prägung geben, die unseren<strong>Erwachsen</strong>en<strong>glauben</strong> auch Gestalt geben können. Wir brauchen und gebrauchen die Bilder von Gott,aber wir tun gut daran, uns nicht an ihnen aufzuhängen, weil wir sonst das Wesentliche verpassen.ErfahrungenDie Bibel ist eher bilderfeindlich, aber wie beschreibt sie Gott? Sie beschreibt Gott mit Namen: derRetter, der Löser, der Schöpfer, der Anfang, Geist, Wahrheit, Leben. Die Bibel gibt Gott Namen, dieausdrücken, was Gott tut, wie Gott am Menschen handelt. Die Bibel bemüht sich nicht gross umgeistige Bilder, um Definition von Gottes Sein und Wesen. Das bleibt die Aufgabe der Philosophen.Die Bibel erzählt einfach, wie Gott handelt, sie erzählt, welche Erfahrungen Menschen mit Gottmachen, sie erzählt Geschichte mit Gott. Häufige Gottesbeschreibungen in der Bibel sind: „Ich bindein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat.“ Gott ist der, der diese Befreiungstat getan hat.Er definiert sich durch sein Handeln. Oder häufig ist er der, der eine Geschichte begründet: „Ich binder eine Gott, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Das sind Menschen, die ihre Erfahrungen mitGott gemacht haben. Wenn Rilke sagt, er will Gott begreifen, wie die Erde ihn begreift, dann könnenwir sagen: Ich kann Gott ja nur begreifen oder Gott nahe kommen, in dem ich eine Erfahrung mache,denn das ist die Art und Weise, wie wir Erdenmenschen Gott überhaupt begreifen können. Undindem ich an diesen Erfahrungen wachse, erwachsen werde im Glauben, wächst mir etwas zu,wächst Gottes Reich.Die Bibel beschreibt Gott in Geschichten, die Menschen erlebthaben. Ich muss nur auf die Emmausgeschichte verweisen, umanzudeuten, wie unterschiedlich diese Erfahrungen sind. ZweiJünger gehen nach Jesu Tod und sogar nach den ersten Berichtenseiner Auferstehung von Jerusalem weg. Das ging ihnen wohl zunah. Sie entfernen sich von dem Ort, wo sie Gott hätten vermutenmüssen. Jesus stösst unerkannterweise zu ihnen, sie reden überdas, was über Jesu Tod und Jesu leeres Grab, und Jesus legt ihnendar, wie die Bibel all das belegt, wie Gott das geplant hatte. Sie sagen hinterher: „Brannte uns nichtdas Herz?“ Fast immer geht es bei Gotteserfahrungen um das Herz! Nachher kehren sie ein, Jesus5 Kurt Flasch (ed.), Was ist Gott? Das Buch der 24 Philosophen, 70.