40 <strong>Kommunal</strong>e Sommergespräche 2013erledigt werden, da das im Regelfallwesentlich effizienter sei.Hier könne die Schweiz als Vorbilddienen.Die Gemeinden müssten Rahmenbedingungendefinieren,aber nicht alles selber machen.Das gelte besonders bei personalintensivenAufgaben – alsonicht unbedingt die Trinkwasserversorgung,aber etwa dieAbfallentsorgung.Allerdings sei die Marktwirtschaftkein Allheilmittel. GeradeBedürfnisse kleinerer Gemeindenkönnten oft nicht vomMarkt befriedigt werden. Da seidann die jeweilige Kommunegefordert, selbst tätig zu werden.Sind Private immerbesser?Niemand weiß besser, was die Menschenvor Ort brauchen, als der Bürgermeistereiner Gemeinde.Horst Pirker, Vorsitzender des Vorstands derFirma Saubermacherdie öffentliche Hand, meinteSchellhorn. „Warum ein Staat,der jährlich 90 Milliarden Eurofür Soziales ausgibt, noch Armutkennt, ist mir ein Rätsel.“Grenzen der PrivatisierungIch weiß nicht viel über die Einnahmen undAusgaben einer Gemeinde. Ich weiß aber,dass man manche Dinge, wie etwa die Kinderbetreuung,nicht vollständig privatisierenkann, weil das sonst nicht funktioniert.aber die überholten Strukturenwürden dazu führen, dass wirimmer weiter zurückfallen.Wieder gab Helmut MödlhammerSchellhorn weitgehendrecht und kritisierte die ständigzunehmende Bürokratisierungund die Gesetzesflut. „Die Abgeordnetensollen einmal ein JahrPause machen“, meinte er ironisch.„Und wenn man ein neuesGesetz macht, dann sollte dafürein altes abgeschafft werden.“Immer mehr Schikanen fürUnternehmenGerade die kleinen Betriebewürden immer mehr mit bürokratischenHürden schikaniert,meinte Mödlhammer undsprach ein weiteres Problem an:Die Fachbarbeiter würden immermehr vernachlässigt, weil eseinen Trend zur Akademisierunggebe. „Wir brauchen aber Handwerker,die ihre Arbeit verstehen.“Dem schloss sich auch Fürntrath-Morettian. „ÖsterreichsStärke liegt in den kleinen undmittleren Unternehmen. Sie habenin der Krise die Arbeitsplätzeerhalten.“Bürgermeister Pressl zeigte zudiesem Themenkreis noch einenweiteren Aspekt auf. „GeradeHandwerker und Arbeiter sinddiejenigen, die in der Gemeindebleiben und nicht auswandern.Und sie sind es auch, die sichengagieren und das Freiwilligenwesenaufrecht erhalten.“Doris Felber, Inhaberin und Geschäftsführerin derFelber-BäckereienPrivatisierungs-Fan FranzSchellhorn räumte ein, dass derStaat natürlich einige wichtigeAufgaben habe. „Wenn eine Gemeindeglaubt, dass sie den Kindergartenoder die Abfallentsorgungbesser machen kann, dannsoll sie das machen.“ Es stimmeaber nicht, dass Dienstleistungen,die Private übernehmen,teurer oder schlechter werden.Das sei oft nur politische Propaganda.„Dass die GemeindeWien beispielsweise gegen diePrivatisierung von Wasser ist, istklar, wenn man weiß, dass siedabei eine Gewinnmarge von 37Prozent hat und damit etwa denGratiskindergarten finanziert.“In 99 Prozent der Fälle bringeder Markt bessere Ergebnisse alsBürgermeister Pressl sprachdemgegenüber die Grenzen derPrivatisierung an. Als Beispielnannte er die Versorgung mit Telefon-und Internet-Infrastrukturin entlegenen Gegenden. „FürUnternehmen rechnet sich dasoft nicht.“ Hier sei die öffentlicheHand gefordert.Ein weiteres Beispiel sei diePost, die immer wieder als Beispielfür eine erfolgreiche Privatisierunggenannt werde. „Aberwie es den Briefträgern geht, diejetzt viel mehr Druck haben,steht auf einem anderen Blatt“,so Pressl.Auch Bäckerei-UnternehmerinFelber kritisierte die Ausdünnungvon Infrastruktur. Ihre Verkäuferinnenhätten oft keineMöglichkeit mehr, mit öffentlichenVerkehrsmitteln an ihrenArbeitsplatz zu gelangen, weilimmer mehr Linien eingestelltwürden.Dazu Schellhorn: Der öffentlicheVerkehr könne ja auch privatorganisiert werden. Und direktan Felber gewandt: „Eswürde ja auch niemand auf dieIdee kommen, dass die Versorgungmit Brot besser von der öffentlichenHand erledigt wirdals von einem privaten Unternehmen.“Österreich sei nachwie vor ein attraktiver Standort,Gerade Handwerker und Arbeitersind diejenigen, die inder Gemeinde bleiben undnicht auswandern. Und siesind es auch, die sich engagierenund das Freiwilligenwesenaufrecht erhalten.Bürgermeister Hannes Pressl
41Workshop-Moderator Nicholas Bukovec, Christa Koenne, Uni Klagenfurt, Pädagoge und Bürgermeister von Tattendorf, Dietrich Reinfrank,und Walter Emberger, Gründer von „Teach for Austria“.Forum Bildung: Das Geheimnis der PISA-SiegerEin besseres Bildungssystembeginnt im KindergartenBeim PISA-Test 2009 schnit ten Österreichs Pflicht schüler im EU-Vergleichalarmierend schlecht ab. Was kann Österreich vom PISA-Siegerlernen? Darum ging es beim Workshop mit dem Titel „Haben PISA-Sieger ein Geheimnis?“Die ehemalige Leiterin der PISA-Science-Group Austria, Dr.Christa Koenne, verteidigte inihrem Impulsreferat den oft kritisiertenPISA-Test. Dessen Fragestellungenseien sehr gut gewähltund tauglich, das Wissenund die Fähigkeiten von 15- bis16-jährigen Pflichtschülern zutesten. Koenne ortete eine Reihevon Problemen im heimischenBildungssystem, die zum schwachenPISA-Abschneiden beigetragenhätten: Österreichs Lehrerfühlten sich zu wenig starkfür den Lernerfolg ihrer Schülerverantwortlich; es liege zu vielan den Eltern, ob ein Kind in derSchule seine Ziele erreicht odernicht; es fehle eine Qualitätskontrollebei den Unterrichtenden;außerdem sei ÖsterreichsLehrern PISA gar nicht wichtig,sodass sie ihre Schüler nicht dazumotivieren, den Test möglichstgut zu machen.Dem widersprach vehement derBürgermeister von Tattendorf inNiederösterreich, HauptschullehrerDietrich Reinfrank. DenLehrern sei PISA sehr wohlwichtig. Aus seiner Sicht ist esfür Pädagogen aber immerAn der Ganztagsschule und einer gemein -same Schule der Sechs- bis 14-Jährigen führeauf dem Weg zu einem besseren Bildungs -system kein Weg vorbei.schwerer geworden, ihre Arbeitzu machen: Ihr Ruf sei nachhaltigbeschädigt, sodass sie vonSchülern nicht mehr respektiertwürden; es gebe immer mehrverhaltensauffällige Schüler;Lehrer benötigten zu viel Zeitfür bürokratische Maßnahmen.Einig waren sich alle Workshopteilnehmerdarin, dass es inÖsterreich dringend Reformenin der vorschulischen Erziehung,vor allem im Kindergarten brauche.Eine Aufwertung der Kindergartenpädagogiksei dringendnötig, es mangle an gutenAusbildnern für angehende Kindergarten-Pädagogen.Problematischsei, dass fast keine Männerin Kindergärten arbeitenwollen. Schuld daran seien wiederumauch bestimmte Vorurteile:So würde Männern, die mitKindern arbeiten wollen, oft Pädophilieunterstellt, kritisierteDr. Koenne.Unterschiedlich beurteilt wurdedie Frage, inwieweit Kinder mitMigrationshintergrund ein Problemim heimischen Bildungswesengeschaffen haben. Faktund alarmierend ist, dass diezweite und dritte Generationvon Zuwanderern schulischschlechter abschneidet als dieerste.An der Ganztagsschule und einergemeinsame Schule derSechs- bis 14-Jährigen führe aufdem Weg zu einem besseren Bildungssystemkein Weg vorbei –auch darin waren sich alleWorkshop-Teilnehmer einig. Essei viel zu früh, Kindern im Altervon zehn Jahren einen Bildungswegvorzuschreiben (entwederHauptschule oder Gymnasium).Ein Positiv-Beispiel für Innovationim Bildungssystem beschriebzum Abschluss Dr. Walter Emberger,der 2011 die Initiative„Teach for Austria“ ins Leben gerufenhat. Ziel der Organisationist es, die besten Absolventen einesHochschulstudiums dazu zubringen, eine gewisse Zeit in einerSchule zu unterrichten. Embergerberichtete von einer Reihevon Absolventen, denen esgelungen sei, ihre Schüler fürihr jeweiliges Fachgebiet zu begeistern.Das habe in den betroffenenSchulen einiges zum Besserenverändert.Für Dr. Koenne sind Initiativenwie diese essenziell: Nur „Irritationen“des Systems würden positiveVeränderungen bewirken.Nicholas Bukovec