Quatsch oder Aufklärung?
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<strong>Quatsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Aufklärung</strong>?<br />
„Google Home View“<br />
zur politischen Aktualität vernommen wurden.<br />
Bosbach kam am 19. Juni 2015 unmittelbar vor<br />
der ersten Abstimmung im Deutschen Bundestag<br />
über den „Euro-Rettungsschirm“ ins Studio,<br />
wo er sich als offen opponierend profilierte.<br />
Ähnlich wie Philipp Rößler war auch die<br />
konservative Familienministerin Christina<br />
Schröder (CDU) immer wieder Objekt bitterböser<br />
Witze, die am 18. Oktober 2013 in einer<br />
„Verabschiedungs-Laudatio“ von Olaf<br />
Schubert gipfelten.<br />
Für einzelne Politiker prägte die heute show<br />
Zuschreibungen und Begriffe – wie „Flinten-<br />
Uschi“ für die Verteidigungsministerin Ursula<br />
von der Leyen (CDU) <strong>oder</strong> für Bundespräsident<br />
Joachim Gauck, der das Attribut „Zonen-<br />
Jesus aus Rostock“ (Wischmeyer, Sendung<br />
15.11.2013) verpasst bekam.<br />
Ebenso eindringlich ist die Form der Suada<br />
im Gedächtnis, wenn etwa der gleiche Autor,<br />
Dietmar Wischmeyer, vor der dortigen Landtagswahl<br />
das Völkchen der Niedersachsen als<br />
besonders hinterwäldlerisch charakterisierte<br />
<strong>oder</strong> Gernot Hassknecht den Rücktritt des<br />
Bundespräsidenten Horst Köhler („unfassbarer<br />
Verpisser“) kommentierte.<br />
Aber nicht nur Höhepunkte des Studio -<br />
Geschehens wurden zum „Talk of the Town“.<br />
Besonders einige Aktionen prägten sich ein –<br />
etwa als der Reporter Martin Sonneborn im<br />
Namen von „Google Home View“ naive Hausbewohner<br />
dazu brachte, ihm bereitwillig Auskunft<br />
über allerlei persönliche Daten zu geben,<br />
obwohl er sie zuvor gerade vor deren Preisgabe<br />
gewarnt hatte (Welke/Kühne 2011: 103 ff.).<br />
Umstrittener war ein Interview desselben<br />
Reporters am 14. Mai 2010 mit dem Pharmalobbyisten<br />
Peter Schmidt, Geschäftsführer des<br />
Vereins Pro Generika e. V. Sonneborn verwendete<br />
offenbar Aussagen, die in Interviewpausen<br />
gefallen waren, und hatte seine Herkunft<br />
von der heute show wohl im Unklaren gelassen.<br />
Jedenfalls verbot der damalige ZDF-Programmdirektor<br />
Thomas Bellut sofort im Anschluss daran<br />
der Redaktion, die Formatbezeichnungen<br />
heute <strong>oder</strong> gar heute journal für ihre Späße<br />
zu verwenden. Nachdem der ehemalige Chefredakteur<br />
des Satiremagazins titanic für die<br />
Partei DIE PARTEI ins Europaparlament eingezogen<br />
war, verboten die Compliance-Richtlinien<br />
des ZDF richtigerweise jede weitere Mitarbeit.<br />
Man kann nicht gleichzeitig als gewählter<br />
Abgeordneter in einem Parlament mitarbeiten<br />
und sich als Satiriker darüber lustig machen.<br />
Generell arbeitet sich die heute show jeweils<br />
an der wöchentlichen Nachrichtenlage<br />
ab. Da ist es schon erstaunlich, wie kontinuierlich<br />
sie einige politische Themen auch jenseits<br />
der gegebenen Themenkonjunkturen verfolgt<br />
hat. Dazu zählt die ausdauernde Behandlung<br />
des „Nationalsozialistischen Untergrunds“<br />
(NSU) und des entsprechenden Prozesses in<br />
München, aber auch die durchgängige Kritik<br />
an mangelnder Transparenz bei den Verhandlungen<br />
zwischen den USA und der EU über ein<br />
Freihandelsabkommen (TTIP).<br />
Immer wieder nimmt die heute show bei<br />
einzelnen Themen nicht so sehr die Themen<br />
selbst ins Visier, sondern den aufgeregten<br />
Medienhype drumherum. O-Ton-Collagen sind<br />
etwa ein Mittel, das eingesetzt wird, wenn<br />
allen Anhängern und Wählern der Piratenpar-<br />
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