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Quatsch oder Aufklärung?

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<strong>Quatsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Aufklärung</strong>?<br />

Mit Stift und Tafel<br />

gerade auf diese Erklär-Nummern, ganz klassisch<br />

mit Stift und Tafel, stehen“. Die Inhalte<br />

des klassischen Kabaretts sollen aber mit „einer<br />

Art Monty-Python-Stil, also mit absurden<br />

Szenen“ (ebd.) verbunden werden. So sind es<br />

dann eben die Weisen aus dem Morgenland,<br />

die das Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen<br />

zerpflücken (Die Anstalt, Sendung vom<br />

9.12.2014).<br />

Die Absicht ist faktenreiche politische<br />

<strong>Aufklärung</strong>, ja Parteinahme gegen den Mainstream.<br />

Logischerweise polarisiert das sowohl<br />

die Zuschauerschaft wie die Kritiker-<br />

Meinungen. In der Anstalt wurde der Krieg in<br />

der Ukraine so gegen den Strich gebürstet,<br />

dass die Macher prompt als „Putin-Versteher“<br />

verschrien wurden, die mit ihrem „antiwestlichen<br />

Rundum-Zweifel“ nur noch witzlose<br />

„Propaganda fürs gesinnungstreue Publikum“<br />

(Mohr 2015a) fabrizierten. Zu Krieg und<br />

Bürgerkrieg in Syrien wiesen Uthoff und von<br />

Wagner auch auf die Absichten der US-Regierung<br />

zum „Regime Change“ hin, woraufhin ein<br />

Autor der Huffington Post sie als „Verschwörungstheoretiker“<br />

beschimpfte, die ihn „ankotzen“<br />

(Christ 2015).<br />

Für Aufsehen sorgte auch die Sendung<br />

vom April 2014, als sich die Autoren auf eine<br />

Studie von Uwe Krüger an der Uni Leipzig beriefen<br />

und darlegten, wie führende deutsche<br />

Journalisten mit transatlantischen, proamerikanischen<br />

Thinktanks verbandelt sind. Josef<br />

Joffe, Herausgeber der Zeit, und Jochen<br />

Bittner, Journalist derselben Zeitung, erwirkten<br />

gegen diese Behauptung eine einstweilige<br />

Verfügung des Landgerichts Hamburg. Die<br />

Anstalt bleibt bei der Behauptung, dass die<br />

Journalisten einer Seilschaft von Lobbyisten<br />

zugeordnet werden können. Auch hier war<br />

wieder die beliebte Schautafel, ein „Whiteboard“<br />

mit vielen Strichen und Verbindungslinien,<br />

zum Einsatz gekommen.<br />

Die am stärksten entgegengesetzten Meinungen<br />

aber rief wohl die bereits zitierte<br />

Sendung vom 18. November 2014 hervor. Als<br />

sei die Kunst mit dieser existenziellen Frage<br />

überfordert und als könne nur Naturalismus<br />

noch helfen, stand am Ende dieser Ausgabe<br />

ein leibhaftiger Flüchtlingschor auf der Bühne<br />

und sang zu Ehren all jener, die im Mittelmeer<br />

ertrunken sind. „Ein großer Moment des<br />

deutschen Fernsehens“, befand die Grimme-<br />

Jury (Grimme-Preis Spezial 2015), während der<br />

Kritiker Matthias Kalle darin einen „zynischen<br />

Knalleffekt“ sieht, mit dem „die Macher das<br />

amüsier- und empörungswillige Studiopublikum<br />

zum Heulen bringen konnten“ (Kalle<br />

2015). Auch die Auschwitz-Überlebende Esther<br />

Bejerano (17.11.2015) und das Opfer der NS-<br />

Besatzung in Griechenland Argyris Sfountouris<br />

(31.3.2015) traten schon auf. „Schamlose<br />

Instrumentalisierung“ und „Holocaust als billige<br />

Münze“ im „linken Bauerntheater“ (Mohr<br />

2015b) sah der ehemalige Spiegel-Redakteur<br />

Reinhard Mohr darin.<br />

Kaum eine andere TV-Sendung schafft eine<br />

solch heftige Polarisierung wie dieses Kabarett-Format.<br />

Einer Fangemeinde, die sich von<br />

den Inhalten der Sendung begeistert bestätigt<br />

sieht, steht eine gleich energische Gruppe<br />

gegenüber, die überhaupt nicht lachen<br />

kann, die Sendung als Zumutung empfindet<br />

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