Quatsch oder Aufklärung?
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Die Anstalt<br />
nennt der Rezensent Stefan Kuzmany (2014)<br />
das Konzept.<br />
„Meine Wut ist größer geworden“, erklärt<br />
Max Uthoff, „ich nehme mir die Freiheit, auch<br />
mal zehn Minuten nicht auf die Pointentrommel<br />
zu hauen“ (Lohr 2014). „Unsere Gastkabarettisten<br />
spielen nicht nur einfach Teile aus ihrem<br />
Programm. Als Ensemble machen wir fast ein<br />
kleines Theaterstück“ (ebd.), unterstreicht er<br />
den Anspruch der Autoren. Das hat die Juroren<br />
des „Grimme-Preises“ besonders überzeugt. In<br />
der Begründung für die Vergabe des „Spezial-<br />
Preises“ für die Sendung vom 18. November<br />
2014 heißt es: „Sie haben aus der Gewohnheit,<br />
Kabarettsendungen als Werbeflächen<br />
für Bühnenprogramme zu missbrauchen, die<br />
Tugend einer packenden Ensembleaufführung<br />
gemacht. Sie schreiben für jede Sendung fast<br />
ein komplettes Theaterstück“ (Grimme-Preis<br />
Spezial 2015).<br />
Dieser Anspruch auf eine innere Geschlossenheit<br />
der Aufführung ist aber kein Formalismus.<br />
Er ergibt sich aus der inhaltlichen Akzentsetzung<br />
der Anstalt. Zunächst einmal geht<br />
es naturgemäß nicht um Aktualität <strong>oder</strong> gar<br />
das tägliche Nachrichtengeschäft. Es geht um<br />
Hinter gründe, Fakten und Meinungen zu einem<br />
gesellschaftspolitischen Thema <strong>oder</strong> Trend.<br />
Das kann die Flüchtlingskrise sein, der Feminismus,<br />
die Ukraine-Berichterstattung <strong>oder</strong> die<br />
soziale Spaltung der Gesellschaft. In der Regel<br />
steht das Hauptthema etwa drei Wochen vor<br />
der Ausstrahlung fest. Ein spezielles Rechercheteam<br />
gibt es nicht. Dafür stehen Max Uthoff,<br />
Claus von Wagner und Dietrich Krauß selbst<br />
in der Verantwortung. „Die Wahrheit ist, dass<br />
es kurz vor der Sendung immer den allerletzten<br />
Faktencheck von Herrn Krauß gibt“, erklärt<br />
Uthoff (Thyssen 2015). Das ist der Anspruch:<br />
Fakten zu bergen, mit Fakten zu argumentieren,<br />
Fakten sichtbar zu machen, die im allgemeinen<br />
Gerede untergehen. Die Anstalt will keine Gag-<br />
Maschinerie sein, kein Pointenfeuerwerk, das<br />
heftiges Johlen hervorruft – sie „hat nichts zu<br />
tun mit dem, was sonst im Fernsehen lustig<br />
gefunden wird“ (Hoff 2015). Und auf keinen Fall<br />
will sie „die Spielräume der Satire möglichst<br />
weit Richtung Geschmacklosigkeit verschieben“<br />
(Unbehauen/Krauß 2015).<br />
Was will sie dann? „‚Gegenöffentlichkeit‘,<br />
sagen sie mehrmals“ – das berichtet Hans<br />
Hoff von dem Trio, das er wie folgt lobt: „Sie<br />
sind beim Fernsehen, und sie strengen sich<br />
an. Seltene Geschöpfe“ (Hoff 2015). „Offenbar<br />
ist das Meinungsspektrum in den Leitmedien<br />
mitunter so schmal geworden“, erläutert Autor<br />
Dietrich Krauß an anderer Stelle, „dass das<br />
Feld für die Gegenöffentlichkeit im Gewande<br />
der Satire und Unterhaltung immer breiter<br />
wird“ (Freudenreich 2015). Er bezieht sich<br />
ebenfalls positiv auf den Begriff ‚Gegenöffentlichkeit‘,<br />
will diesen aber nicht überhöhen.<br />
Gegen den „sehr einstimmigen Chor der Leitartikler“<br />
könne man in „der Anstalt“ einfach<br />
sagen: „Hey Leute, es gibt auch andere Positionen.“<br />
Wir „heben das heraus, was andere<br />
liegen lassen und spitzen satirisch zu“ (Hoff<br />
2015), so fasst er die Arbeitsweise zusammen.<br />
Dass er die Sendung damit als eine pädagogische<br />
Anstalt, eine Art Volkshochschule<br />
ansieht, dementiert er ausdrücklich nicht,<br />
sondern behauptet sogar, dass „die Leute<br />
Gegenöffentlichkeit<br />
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