Quatsch oder Aufklärung?
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<strong>Quatsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Aufklärung</strong>?<br />
„Wie nennt Sie<br />
Ihre Frau?“<br />
ders unterwürfige Journalisten den Kandidaten<br />
durch säuselndes „Menscheln“ dem Publikum<br />
schmackhaft machen wollen. Da erzählt Guido<br />
Wolf einem Reporter des Regionalfernsehens<br />
ausführlich die Geschichte, wie er sich um einen<br />
vereinsamten Ziegenbock kümmert, und<br />
Cherno Jobatey radelt für das ZDF-Morgenmagazin<br />
an der Seite von Julia Klöckner durch<br />
liebliche pfälzische Landschaften, nicht ohne<br />
zu beteuern: „Ich mag Sie.“ Solchen Schleim-<br />
Journalismus nimmt die heute show gnadenlos<br />
aufs Korn, selbst wenn er aus dem eigenen<br />
Sender kommt. Aber natürlich weidet sie sich<br />
auch schlicht an Kuriositäten. So zeigt sie eine<br />
Wahlkampfszene, in der ein Reporter die beiden<br />
Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann<br />
(Grüne) und Guido Wolf (CDU) fragt: „Wie nennt<br />
Sie Ihre Frau?“ „Winfried“, antwortet Kretschmann,<br />
Guido Wolf sagt: „Barbara“. Witzig ist<br />
das auch.<br />
Bei der SPD versucht die heute show ebenfalls<br />
zu entlarven, wie sehr der politische Inhalt<br />
der absichtsvollen Inszenierung unterworfen<br />
ist. Bewusst umständlich nennt sie eine als<br />
„ZDF spezial“ titulierte Rubrik: „Leck mich am<br />
Arsch – was ist denn hier los? Die SPD interessiert<br />
sich plötzlich für den kleinen Mann!“ (4.3.)<br />
Natürlich sei es „reiner Zufall“, dass der SPD<br />
wenige Tage vor der Wahl einfalle, ihr sozialpolitisches<br />
Profil zu betonen, moniert der M<strong>oder</strong>ator<br />
und erklärt: „Der SPD geht die Düse.“<br />
Parteichef Gabriel wird zitiert, der besorgt ist,<br />
Wähler könnten denken, es werde viel für die<br />
Flüchtlinge getan, aber zu wenig für „die eigenen<br />
Armen“. So schüre er eine Neiddebatte,<br />
wird ihm vorgeworfen; und gezeigt wird dann<br />
eine frühere Warnung Gabriels, dass man genau<br />
dies nicht machen solle.<br />
In solchen Szenen ist die Didaktik schon<br />
fast größer als der Witz. Immer wieder hält die<br />
heute show der SPD vor, dass sie sich ihrer Regierungsvergangenheit<br />
als Hartz-IV-Urheberin<br />
nicht stelle und soziale Rechte vernachlässige.<br />
Manchmal diktiert diese Absicht auch zu<br />
sehr die Darstellung. Berühmt geworden ist ein<br />
Dia log Sigmar Gabriels mit Susi Neumann auf<br />
einer SPD-Veranstaltung im Willy-Brandt-Haus<br />
in Berlin. Susi Neumann, mit einem Gewerkschaftssekretär<br />
verheiratet und Vorsitzende<br />
der Bundesfachgruppe Gebäudereinigung<br />
(Rosenfelder 2016), war zuvor schon in Talkshows<br />
als von Altersarmut bedrohte Putzfrau<br />
aufgetreten. Gabriel redet jovial mit ihr, tätschelt<br />
ihr den Arm, beantwortet ihre Aufforderung,<br />
sich „den Schwatten“ in der Großen<br />
Koalition nicht zu unterwerfen, mit Gegenfragen<br />
und Hinweisen auf erstrittene Reformen.<br />
In der SPD wird diese Konfrontation mit einer<br />
Frau aus dem echten Leben als Erfolg gewertet,<br />
viele Journalisten sind begeistert von so<br />
viel authentischem Alltag mitten in der Berliner<br />
Polit-Szenerie.<br />
Was macht die heute show? Sie schneidet<br />
den Dialog so, dass Susi Neumann das letzte<br />
Wort behält und M<strong>oder</strong>ator Oliver Welke fährt<br />
mit den Worten fort: „... schön von einer Putzfrau<br />
fertiggemacht“ (13.5.). Gekonnte Entlarvung<br />
und absichtsvolle Entstellung liegen also<br />
dicht beieinander. Am 15. April gelingt dem<br />
„Außenreporter“ Lutz van der Horst einigermaßen<br />
lustig die Gratwanderung, die nordrheinwestfälische<br />
Ministerpräsidentin Hannelore<br />
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