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Quatsch oder Aufklärung?

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Die heute show in der ersten Jahreshälfte 2016<br />

der hohen Ausgaben für Flüchtlinge davor,<br />

dass „die eigenen Leute“ nicht zu kurz kommen<br />

dürften. Konfrontiert wird dieser O-Ton<br />

dann mit seiner früheren Aussage, man dürfe<br />

auf keinen Fall die einen gegen die anderen<br />

ausspielen.<br />

In vielen Bildern und Sprüchen wird der<br />

Bundeskanzlerin vorgeworfen, sie unterwerfe<br />

sich dem türkischen Despoten Erdogan. Dies<br />

mag nicht ganz auf der Höhe der überaus differenzierten<br />

internationalen Diplomatie argumentiert<br />

sein. Es ist also eine Vereinfachung.<br />

Dennoch errichtet die heute show damit ein<br />

eindeutiges Warnsignal. Darin steckt immer<br />

auch eine gehörige Portion rigoroser Moral.<br />

Durch diese Eindeutigkeit in der Vereinfachung<br />

entweiht die heute show gleichzeitig<br />

die Politik. Zu gerne spinnt sich diese mit der<br />

Behauptung, alles sei so komplex und kompliziert,<br />

dass Laien da kaum noch mitreden<br />

könnten, in einen Kokon ein. Politiker suggerieren:<br />

Jedes einfache Urteil sei per se verwerflich.<br />

An dieser Abschottung kratzt die heute<br />

show durch einen prinzipiell antiautoritären<br />

Gestus. Die Sendung verhöhnt die Mächtigen.<br />

Sie zeigt, dass vieles, was als besonders ernst<br />

und weihevoll inszeniert wird, tatsächlich einigermaßen<br />

lächerlich ist. Darin steckt viel kindische<br />

Freude <strong>oder</strong> Pubertäres, aber auch der<br />

demokratische Impetus, die Macht kritisierbar<br />

zu machen.<br />

Im Zentrum der Kritik steht nicht die Politik<br />

als Abstraktum, vielmehr geht es immer um die<br />

handelnden Politiker. Politische Prozesse und<br />

Strukturen werden personalisiert. Die Große<br />

Koalition stellt sich wie eine zerrüttete Liebe<br />

zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer<br />

dar. Gabriel und Merkel sitzen zusammen auf<br />

einer Rentnerbank, wenn sie die Stabilität ihrer<br />

Zusammenarbeit beschwören. Einer Nachrichtensendung<br />

<strong>oder</strong> der politischen Berichterstattung<br />

aus Berlin müsste man solche Reduktion<br />

ankreiden, aber eine Satiresendung kann genau<br />

dies aufzeigen: Auch in der Politik geht es<br />

manchmal zu wie bei Hempels nebenan.<br />

Wird dies nur festgestellt, kann diese<br />

Feststellung auch in ein beschwichtigendes<br />

Spießertum münden: Am Ende sind sie alle<br />

gleich. Davon lebt der Aachener Karnevalsorden<br />

„Wider den tierischen Ernst“ <strong>oder</strong> der<br />

Münchener Nockherberg. Die Narrenfreiheit ist<br />

ein Katalysator für die große Versöhnung.<br />

Satire will das Gegenteil. Um das zu erreichen,<br />

muss die heute show frech, ja ausgesprochen<br />

böse sein. Sie ist dies, wenn Lutz<br />

van der Horst zum Beispiel geistesgegenwärtig<br />

merkt, dass ein AfD-Delegierter mit wolkigen<br />

Worten die Kriegsschuld der Deutschen leugnet<br />

<strong>oder</strong> Oliver Welke („Leck mich am Arsch“)<br />

darauf aufmerksam macht, dass die SPD immer<br />

nur kurz vor den Wahlen ihr soziales Gewissen<br />

entdeckt.<br />

Die heute show arbeitet auch bewusst mit<br />

Mitteln, die sich im gesitteten demokratischen<br />

Austausch von Argumenten nicht gehören: Sie<br />

ist unfein. Sie pauschalisiert und diffamiert. Am<br />

treffendsten können das Dietmar Wischmeyer<br />

und Gernot Hassknecht, die wunderbar über<br />

die Briten <strong>oder</strong> die Österreicher herziehen.<br />

Eine relativ einfache Methode der Ironie ist<br />

die emphatische Behauptung des Gegenteils<br />

vom Gemeinten. So hält die heute show immer<br />

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