Quatsch oder Aufklärung?
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<strong>Quatsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Aufklärung</strong>?<br />
an, wenn er im Fragebogen moniert: „Viel zu oft<br />
fühle ich mich an diese vermeintlich witzigen<br />
Filmchen erinnert, in denen der Torwart beim<br />
Abstoß ein Eigentor erzielt <strong>oder</strong> das Geburtstagskind<br />
beim Ausblasen der Kerzen in die Torte<br />
fällt.“ Entsprechend empfindet er als Haltung<br />
der heute show: „Alle Politiker sind doof, reden<br />
Unsinn und machen den Leuten ein X für ein U<br />
vor“ (siehe Interview Müller-Vogg im Anhang).<br />
„Wie jede gute Satire. Immer gegen alles sein”,<br />
empfiehlt dagegen der Satiriker Hans Zippert<br />
als Haltung und sagt dementsprechend zum<br />
Umgang mit führenden Politikern nur knapp:<br />
„Der Umgang ist korrekt“ (siehe Interview Zippert<br />
im Anhang). „So viel Bösartigkeit muss<br />
man aushalten“, empfiehlt Claudius Seidl von<br />
der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung<br />
und konstatiert: „Im Vergleich zu angelsächsischen<br />
Verhältnissen ist die heute show harmlos“<br />
(siehe Interview Seidl im Anhang).<br />
Die unterschiedlichen Wertungen haben mit<br />
der Natur der Witze zu tun, die sich so zahlreich<br />
an den Politikerpersonen entzünden: Sie sind<br />
im Kern antiautoritär. Eine heitere Autoritätsverachtung<br />
ist gerade in Deutschland immer<br />
noch etwas Besonderes, wird als unpassend<br />
<strong>oder</strong> ungehörig rezipiert. Von diesem Kribbeln<br />
lebt der Witz. Im Umkehrschluss ist aber auch<br />
zutreffend, dass gerade die Tatsache, dass es<br />
notwendig ist, sich an den führenden Politikern<br />
antiautoritär abzuarbeiten, noch immer deren<br />
tatsächliche Autorität und Bedeutung bestätigt.<br />
Mit dem Boom der Satiresendungen hat der<br />
Sprachwitz einen ungeahnten Aufschwung erfahren.<br />
Die Äquivokation ist eine der häufigsten<br />
Witzformen. Die heute show und extra 3 wenden<br />
sie permanent an. Mit leichten Lautverschiebungen<br />
werden Filmtitel zitiert, Buchcover und<br />
immer wieder gerne auch Rede wendungen. Oft<br />
entstammen diese ein und demselben populären<br />
kulturellen Feld, so dass die Identifikation<br />
der Verballhornung auch Zugehörigkeit stiftet:<br />
Die Witzemacher hören, gucken, lesen und<br />
sprechen wie wir.<br />
Auch die Slogans und optischen Muster,<br />
die zu „Kacheln“ verarbeitet werden, signalisieren<br />
immer wieder den (pop)kulturellen<br />
Hintergrund der Redaktionen. Hier ging die<br />
heute show voran, extra 3 übernimmt diese<br />
Form immer stärker. Sie sind entscheidend für<br />
die symbolische Prägnanz der satirischen Zuschreibungen,<br />
über die man streiten kann wie<br />
über Metaphern und Allegorien in der Kunst.<br />
Prägnant wird die Symbolik dann, wenn die<br />
Konstruktion erkennbar ist, aber gleichwohl<br />
nicht als willkürlich konstruiert erscheint.<br />
Wie im Slapstick entwickeln sich insbesondere<br />
viele Sketche entlang einer Eskalationsspirale.<br />
Im besten Fall entfaltet dies die einem<br />
realen Vorgang innewohnende Absurdität.<br />
Möglich ist aber auch das Gegenteil: Schritt<br />
für Schritt und ungebrochen wird lediglich das<br />
Erwartete geliefert – und am Ende kommt ein<br />
Knall, der dann nicht mehr überrascht.<br />
Viele Witze aber gelten nicht allein der<br />
Realität der Politik, sondern vor allem der Medienrealität,<br />
der Darbietung des Politischen.<br />
„Diese Leute“, sagt der Tübinger Medienwissenschaftler<br />
Bernhard Pörksen und meint Oliver<br />
Welke und den damals noch in der heute<br />
show aktiven Martin Sonneborn, „betreiben<br />
Medienkritik in subversiver Absicht. Sie kopie-<br />
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