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Quatsch oder Aufklärung?

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Journalismus und Satire – Blick in die Zukunft<br />

6 <strong>Quatsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Aufklärung</strong>?<br />

Journalismus und Satire – Blick in die Zukunft<br />

6.1 Was ist der Witz an der Satire?<br />

Anders als früher ist Lachen heutzutage in<br />

erster Linie positiv konnotiert. Weder gilt es<br />

als unschicklich <strong>oder</strong> vulgär noch als peinlich,<br />

formlos <strong>oder</strong> grundsätzlich überheblich. Vielmehr<br />

wird es mit einer positiven Einstellung<br />

zum Leben in Verbindung gebracht. Wer lacht,<br />

nimmt das Leben, das ohnehin schwer genug<br />

zu meistern ist, nicht zu schwer. Es gilt als entspannende<br />

Lebenshilfe, als Kompensation für<br />

den alltäglichen Ernst und als Hilfe beim Verstehen<br />

der Umwelt. Das „Trotzdem“ im Humor<br />

macht Mut, ist widerspenstig. Gelacht wird gerne<br />

gemeinsam. Lachen schafft Gemeinschaften<br />

der gleichzeitig über das Gleiche Lachenden.<br />

Dennoch ist Satire – darauf bestehen insbesondere<br />

die aus der klassischen Kleinkunstszene<br />

kommenden Kabarett-Könner – keineswegs<br />

angewiesen auf den Witz. Es geht auch<br />

ganz ohne Lachen – ohne Pointe ohnehin.<br />

Georg Schramm gehört zu den Meistern dieses<br />

Genres. Er kann sich in eine magenbittere<br />

Philippika hineinschimpfen, ohne dem Publikum<br />

die Entlastung herzlichen Lachens über<br />

eine angezielte Pointe zu bieten. Solcherart<br />

Satire kommt in den Fernsehformaten kaum<br />

noch vor. Gelegentlich praktiziert Die Anstalt<br />

solche Pointenverweigerung, meist zugunsten<br />

der Didaktik. Auch steuert Olaf Schubert in der<br />

heute show manchmal auf sie zu, ohne sie auszukosten.<br />

Und bei Gernot Hassknecht steigert<br />

sich das freundlich beginnende Kommentieren<br />

geradlinig zu einer Suada, weil aus ihm jene<br />

Wahrheiten herausplatzen, die in der windelweichen<br />

Form des klassischen, abwägenden<br />

TV-Kommentars, die er parodiert, eben gerade<br />

nicht vorgesehen sind.<br />

Ansonsten orientieren sich inzwischen<br />

alle Satireformate am Witz. Der Witz wird so<br />

vorgetragen, dass seine Struktur nachvollziehbar<br />

zu begreifen ist, bis die Konstruktion<br />

implodiert. Der Bogen wird gespannt, bis sich<br />

die Spannung jäh entlädt. Gag folgt auf Gag,<br />

meist sind Tempo und Pointendichte groß, am<br />

größten natürlich in der heute show, während<br />

Die Anstalt sich am meisten Zeit lässt für Spiel<br />

und Erklärung. Hier zeigt sich, dass sich die<br />

m<strong>oder</strong>nen Satireformate von der Kleinkunstbühne<br />

entfernt haben und im TV-Studio angekommen<br />

sind. Sie operieren fernsehgerechter.<br />

Das gilt für extra 3 stärker als für Die Anstalt<br />

und am konzentriertesten für die heute show.<br />

Sie alle haben gelernt aus den Witztraditionen<br />

des Fernsehens und verarbeiten Elemente aus<br />

Rudis Tagesshow <strong>oder</strong> 7 Tage, 7 Köpfe für einen<br />

letztlich doch satirischen Zweck.<br />

Die Analyse der Satiresendungen hat gezeigt,<br />

dass diese sich – mit der heute show an<br />

der Spitze – in einem ungeheuerlichen Ausmaß<br />

auf das politische Spitzenpersonal konzentrieren.<br />

Anderen Formaten, die etwas mit<br />

Politik zu tun haben, würde man eine derartige<br />

Einengung mit Recht vorwerfen. Es sollen dem<br />

mündigen Bürger ja schließlich nicht allein Personen<br />

und Psychologie, sondern Strukturen<br />

und Prozesse bewusst gemacht werden. Durch<br />

die extreme Personalisierung aber gewinnt die<br />

Satire an Pfeffer. Manche Kritiker halten gerade<br />

das für pubertär <strong>oder</strong> gar für ähnlich slapstickhaft<br />

wie Uups – Die Pannenshow. Darauf spielt<br />

der konservative Publizist Hugo Müller-Vogg<br />

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