Quatsch oder Aufklärung?
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<strong>Quatsch</strong> <strong>oder</strong> <strong>Aufklärung</strong>?<br />
4 Die Anstalt<br />
4.1 Entstehung, Konzept und Zuschauer<br />
Stolz berichtet der langjährige ZDF-Intendant<br />
Dieter Stolte in seinen Erinnerungen Mein<br />
Leben mit dem ZDF (Stolte 2012), wie er intern<br />
und extern so lange an Dieter Hildebrandts<br />
Notizen aus der Provinz herummäkelte, bis<br />
auch sein Unterhaltungschef die Lust an der<br />
Sendung verlor. Die Darbietungen des Kabarettisten<br />
seien ihm „gehörig auf die Nerven“<br />
gegangen und hätten seine „Toleranz strapaziert“.<br />
Das Kabarett-Format habe „sich immer<br />
mehr zu einem linken Polit-Magazin entwickelt“<br />
und habe „nicht meiner Vorstellung von<br />
einem Programm [entsprochen], das mehr einen<br />
als spalten sollte“ (ebd.: 67). „Man kann<br />
keinen Kabarettisten an die Leine legen. Wir<br />
kamen also beide überein, die Sendung einzustellen“,<br />
schreibt er lapidar und berichtet<br />
zufrieden, dass es dann fast dreißig Jahre lang<br />
dauerte, bis es im ZDF im Jahr 2007 mit Neues<br />
aus der Anstalt wieder ein Kabarett-Format<br />
gab, das er selbst allerdings „nie“ anschaue.<br />
Nach „28 satirefreien Jahren“ gab Dieter<br />
Hildebrandt in der ersten Ausgabe der Sendung<br />
den Staffelstab an Urban Priol weiter,<br />
der dann 36 Folgen lang gemeinsam mit Georg<br />
Schramm durch die Sendung führte. Schon<br />
der Name signalisiert Selbstironie. Denn von<br />
seinen Mitarbeitern wird das ZDF gerne voller<br />
Doppelsinn als Anstalt bezeichnet. Die Bühne<br />
ahmt eine psychiatrische Klinik nach, von<br />
der aus die Verrücktheit der Welt kommentiert<br />
wird. Urban Priol ist der Leiter der Anstalt,<br />
der als Einziger den Fahrstuhl benutzen darf,<br />
und neben Jochen Malmsheimer – mit regelmäßigen<br />
Auftritten als Hausmeister – treten<br />
in der monatlichen Sendung viele Gäste aus<br />
der Kleinkunstszene auf. Im Jahr 2010 verabschiedete<br />
sich Georg Schramm. Frank-Markus<br />
Barwasser, besser bekannt als seine Hütchen<br />
tragende Kunstfigur Erwin Pelzig, trat bis zum<br />
Oktober 2013 an seine Stelle.<br />
Am 4. Februar 2014 startet dann nach einem<br />
gründlichen Relaunch die heutige Sendung<br />
Die Anstalt mit Max Uthoff und Claus von<br />
Wagner als prägendem Duo. Uthoff, großgeworden<br />
im familiären Kabarett Das Münchner<br />
Rationaltheater, ist studierter Jurist und trat<br />
auch in der alten Anstalt schon als deren<br />
„Anstalts-Jurist“ auf. Programmatisch heißt<br />
sein Bühnenprogramm „Gegendarstellung“.<br />
Juristen, Richtern, Bürokraten aller Art gibt<br />
er glaubhaft Gestalt, spielt im Duo auch gerne<br />
den eher nachdenklichen Part, während<br />
Claus von Wagner, der oft Mitwirkender der<br />
heute show war, sich am Typus bajuwarischer<br />
Hau drauf orientiert. Hinter den Kulissen<br />
wirkt der promovierte Philosoph Dietrich<br />
Krauß als Autor und Inspirator, der lange Jahre<br />
beim SWR als Redakteur für Wirtschafts- und<br />
Politik magazine arbeitete.<br />
Der Relaunch bedeutet für die Sendung, die<br />
nun achtmal im Jahr dienstags um 22.15 Uhr im<br />
Anschluss an das heute journal 45 bis 50 Minuten<br />
lang ausgestrahlt wird, nicht nur einen neuen<br />
Namen und neues Personal, sondern auch<br />
eine veränderte Konzeption. Sie soll weniger<br />
denn je nur ein kabarettistisches Nummernprogramm<br />
bieten, als vielmehr eine in sich<br />
geschlossene innere Einheit darstellen. Eine<br />
„Mischung aus guten Gags und fiesen Fakten“<br />
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