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Die Problemlösungsfähigkeit der Mehrebenenpolitik 103<br />
(Golub 1996c) – und auch das sollte keine theoretische Überraschung sein.<br />
Die günstigen Implikationen sind von der Annahme eines symmetrischen<br />
Gefangenendilemmas abgeleitet, das im Umweltbereich voraussetzen würde,<br />
daß alle Regierungen Problemen der Umweltverschmutzung eine ähnlich<br />
hohe Priorität einräumen, und daß alle von den Zwängen wirtschaftlichen<br />
Wettbewerbs und den wirtschaftlichen Folgen einer vorgeschlagenen Regelung<br />
in ähnlicher Weise tangiert würden. Unter den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft<br />
werden diese Bedingungen oft nicht erfüllt sein.<br />
Sogar Länder, in denen die Umweltverschmutzung ein vergleichbares<br />
Ausmaß erreicht hat und in denen ähnliche wirtschaftliche Verhältnisse herrschen,<br />
können sich im Hinblick auf das »Umweltbewußtsein« der öffentlichen<br />
Meinung oder den politischen Einfluß »grüner« Parteien und Interessenverbände<br />
signifikant unterscheiden. Noch wichtiger sind objektive Unterschiede<br />
zwischen Mitgliedstaaten, was die Intensität von Umweltproblemen,<br />
das Niveau wirtschaftlicher Entwicklung und schließlich die industrielle<br />
Produktivität angeht. So können Umweltschutzmaßnahmen, die den Ansprüchen<br />
und der Zahlungsfähigkeit von Bürgern und Unternehmen in hochentwickelten<br />
Ländern entsprechen, in weniger produktiven Volkswirtschaften<br />
als unerschwinglich eingeschätzt werden. Unter dieser Voraussetzung weist<br />
die Konstellation wiederum die Merkmale eines asymmetrischen »Konfliktspiels«<br />
auf (Scharpf 1996). Aus theoretischer Sicht wäre dann zu erwarten,<br />
daß einheitliche europäische Vorschriften auf dem etwa von Dänemark, den<br />
Niederlanden und Deutschland geforderten Schutzniveau leicht scheitern<br />
können (Golub 1996b). Wenn sie trotzdem akzeptiert werden, können Ausgleichszahlungen<br />
aus den europäischen »Kohäsionsfonds« eine große Rolle<br />
spielen; und schließlich gewährleistet auch die Einigung über gemeinsame<br />
Regeln wiederum nicht zwingend auch eine einheitliche Implementation.<br />
Die relative Bedeutung dieser Faktoren dürfte jedoch von Fall zu Fall erheblich<br />
variieren. Deswegen ist auch zu erwarten, daß sich die empirischen<br />
Befunde stark voneinander unterscheiden. Oft dürfte auch damit zu rechnen<br />
sein, daß die gegensätzlichen Interessen fast im Gleichgewicht sind, und daß<br />
deswegen bestimmte institutionelle Bedingungen und kontingente Strategien<br />
der Kommission oder der Regierung eines Mitgliedstaats das Blatt zum Erfolg<br />
oder Mißerfolg hin wenden können.